Polysaccharide

Die Cellulose ist ein wichtiges Strukturelement der Pflanzen und das am häufigsten vorkommende Polysaccharid.

Polysaccharide (auch als Mehrfachzucker, Vielfachzucker, Glycane/Glykane[1] oder Polyosen[2] bezeichnet) sind Kohlenhydrate, die aus einer großen Anzahl (mindestens 10) Monosacchariden (Einfachzuckern) über eine glycosidische Bindung verbunden sind.[3] Es handelt sich um Biopolymere, bei denen unbekannte Anzahl Monosaccharideinheiten oder eine statistische Molekülgrößenverteilung vorliegt. Polysaccharide sind zum Beispiel Glycogen, Stärke (Amylose und Amylopektin), Pektine, Chitin, Callose und Cellulose. Polysaccharide spielen für Pflanzen, Tiere und natürlich auch Menschen eine wichtige Rolle als Schleimstoffe, Reservestoffe und Nährstoffe. Sie sind zum Beispiel in Getreidekörnern und Kartoffeln vorzufinden. Pflanzliche Zellwände bestehen zu über 50 % aus Cellulose und Hemicellulose, letztere ist ein Gemisch aus Polysacchariden, das eine stützende Funktion in der Zellwand übernimmt.

Einige Polysaccharide haben die allgemeine Formel:

$ \mathrm {[C_{x}(H_{2}O)_{y}]_{n}\ } $, meist mit x gleich 5 oder 6 und y = x−1

Unterteilung der Polysaccharide

Die Polysaccharide werden nach Art der Einzelbausteine (Monomere) des Moleküls in Homoglykane (aus nur einer Art Einfachzucker) und Heteroglykane (aus zwei oder mehr verschiedenen Kettenbausteinen) eingeteilt. Jeder Monomerbaustein ist dabei über eine oder mehrere Glykosidische Bindung(en) mit dem oder den Nachbarmonomereinheiten verbunden. Ein Monomer am Kettenende hat mindestens einen Nachbarn, während Kettenmittelstücke zwei Nachbarn besitzen und bei verzweigten oder nachträglich vernetzten Ketten auch drei oder mehr benachbarte Monomere vorkommen können.

Homoglykane

Durch die unterschiedlichen Verknüpfungsmöglichkeiten kann die sich wiederholende Einheit des Polymers, welche in der graphischen Darstellung in eckige Klammern eingefasst wird, auch aus mehreren gleichen Monosacchariden aufgebaut sein. Solche wiederholenden Einheiten aus dem gleichen Monosaccharid werden bei zwei Sacchariden als Homodisaccharide bezeichnet, bei drei gleichen als Homotrisaccharide. Verschiedene Wiederholungseinheiten aus zwei gleichen, jedoch unterschiedlich verknüpften Monosacchariden besitzen, wenn sie sich nur durch eine α- oder β-Verknüpfung unterscheiden, aufgrund der unterschiedlichen Verknüpfungen zwar dieselbe Konstitution, zeichnen dich aber durch unterschiedliche Konfigurationen aus.

Zu dieser Kategorie gehören beispielsweise die zwei Polysaccharide, die die größten Anteile an der Biomasse aufweisen: Stärke und Cellulose. Beide sind aus jeweils nur einer Art von Monosacchariden aufgebaut. Stärke ist die Hauptspeicherform der stoffwechselaktiven Glucose und besteht aus den zwei Strukturen Amylose und Amylopektin, die wiederum gänzlich aus α-D-Glucose-Einheiten aufgebaut sind. Cellulose hingegen weist durchgehend die gleiche Struktur auf, besitzt jedoch auch nur ein Monomer: β-D-Glucose. Weitere Beispiele sind Chitin, der Hauptbestandteil der Exoskelette von Gliederfüßern und Sinistrin, ein weiterer pflanzlicher Energiespeicher, die beide die Bedingungen von Homoglykanen erfüllen.

Dextrane werden in der Medizin als Gerinnungshemmstoffe verwendet. In quervernetzter Form werden Dextrane in der Biochemie als Trägermaterial in der Affinitätschromatographie, den Pulldown-Assays und der Größenausschlusschromatographie eingesetzt.

Homoglykane, die aus oft vorkommenden Monomeren bestehen, werden meist wiederum in Unterkategorien unterteilt, die nach den jeweiligen Monomeren benannt sind. So gehören aufgrund ihrer Bausteine beispielsweise die beiden oben genannten Polysaccharide Cellulose und Stärke zu den Glucanen. Dagegen ist Sinistrin, das gänzlich aus D-Fructose-Einheiten besteht, ein Fructan.

Heteroglykane

Wie der Name andeutet (lat. hetero, ‚unterschiedlich‘, ‚verschieden‘), bestehen die Polysaccharide dieser Kategorie aus mehreren, unterschiedlichen Monomeren, woraus sich auch eine nahezu unendliche Anzahl möglicher Heteroglykane ergibt, die jedoch nicht alle in der Natur vorkommen.

Heparin und Fondaparinux sind beides Gerinnungshemmstoffe und Vertreter der Heterogylkane. Ein weiterer, in der Biochemie verbreitetes Heteroglykan sind die Agarosen , die unter anderem in Laboratorien als Gel für Elektrophoresen dienen. Dafür wird eine 1%-ige wässrige Lösung des - aus 2 Monomeren bestehenden - Polysaccharids angesetzt.

Auch Heteroglykane werden in Unterkategorien unterteilt. Die biologisch bedeutendsten zählen zur Gruppe der Glykosaminoglykane, deren Vertreter allesamt aus sich wiederholenden Disaccharid-Einheiten bestehen, die wiederum aus zwei verschiedenen Monosaccharid-Einheiten aufgebaut sind. Aus Glykosaminoglykanen werden einige Proteoglykane aufgebaut, was ihre Hauptbestimmung in Organismen darstellt. Jedoch kommen sie auch in ungebundener Form vor, was etwa in der Medizin genutzt wird. Neben dem oben genannten Heparin, das dieser Unterkategorie angehört, ist auch Hyaluronsäure ein Glykosaminoglykan, das in der Schönheitschirurgie und Orthopädie eingesetzt wird.

Biologische Funktionen der Polysaccharide

Stoffwechsel

Für den Metabolismus stellen Polysaccharide einen essentiellen Energieträger dar, wobei Vertreter dieser Stoffgruppe in den meisten Fällen als Energiespeicher dienen und somit Produkte des Anabolismus sind. Im tierischen und menschlichen Stoffwechsel übernimmt Glykogen - ein Analogon des Amylopektins - diese Aufgabe. Dieser Energiespeicher wird im Falle des Energiebedarfs eines Organismus durch Glukagon freigesetzt, wodurch katabolisch aktive D-Glucose- Einheiten entstehen. In Pflanzen übernimmt das Homoglykan Stärke diese Aufgabe.

Glykokalyx

Jede Zelle - sowohl eukaryotische als auch prokaryotische - ist von einer Kohlenhydrathülle ummantelt, die als Glykokalyx bezeichnet wird. Diese stellt eine bis zu 140 nm dicke Schicht dar, die aus Poly- und Oligosacchariden aufgebaut sind. Jedoch liegen diese Saccharid-Ketten nicht unverzweigt vor, sondern sind Bestandteile von Glykoproteinen und Glykolipiden, die teilweise die Zellmembran bilden. Die Hauptaufgabe der Glykokalyx ist - neben dem Schutz vor Austrocknung der Zelle - die Zell-Zell-Kommunikation, die besonders für das Immunsystem eines Organismus von Bedeutung ist.

Häufig sind Polysaccharide am Aufbau der äußeren Hülle bestimmter Mikroorganismen beteiligt (Beispiel: Streptococcus pneumoniae). Ihre Zusammensetzung, die innerhalb einer Organismengruppe unterschiedlich sein kann, bestimmt die Oberflächenstruktur und somit den jeweiligen Serotyp bei der Charaktisierung mit unterschiedlichen Seren.

Proteoglykane

Der größte Teil der Glykosaminoglykane ist beim Aufbau von Proteoglykanen beteiligt. Hyaluronsäure - ein Heteroglykan - bildet das Rückgrat der Proteoglykane, und kann eine Länge von bis zu 4 µm einnehmen. Zudem bindet diese Hyaluronsäure-Kette die Proteine nicht kovalent, die wiederum eine Vielzahl von Glykosaminoglykanen - wie Heparan- Chondroitin- und Keratansulfat - kovalent assozieren. Proteoglykane bauen gemeinsam mit Kollagen und Wasser das Knorpelgewebe auf.

Synthese

Polysaccharide können künstlich u. a. mit der Koenigs-Knorr-Methode hergestellt werden.

Literatur

  • Donald Voet, Judith G. Voet und Charlotte W. Pratt: Lehrbuch der Biochemie. Wiley-VCH, ISBN 978-3-527-32667-9

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu glycans. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.G02645 – Version: 2.1.5.
  2. The Free Online Dictionary: polyose
  3. Eintrag zu polysaccharides. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.P04752 – Version: 2.1.5.

Weblinks

Die News der letzten Tage

28.03.2023
Klimawandel | Ökologie
Frost im Frühling: Wie Bäume damit zurechtkommen
Durch den Klimawandel treiben viele Laubbäume früher aus, doch das Risiko von Spätfrösten im Frühjahr bleibt hoch und extreme Trockenphasen werden häufiger.
28.03.2023
Klimawandel | Primatologie
Klimawandel bedroht Lemuren auf Madagaskar
Mausmaki: Auch vermeintlich anpassungsfähige Säugetierarten haben ein erhöhtes Aussterberisiko.
23.03.2023
Genetik | Physiologie
Gene für Augenfarbe wichtig für eine gesunde Netzhaut
Forscher untersuchten, wie vier Gene der Fruchtfliege Drosophila, die für die Farbgebung der Augen verantwortlich sind, auch für die Gesundheit des Netzhautgewebes essentiell sind.
23.03.2023
Genetik | Physiologie
An der „Auferstehung“ sind viele Gene beteiligt
Manche Pflanzen können Monate ohne Wasser überleben, um dann nach einem kurzen Regenguss wieder zu ergrünen.
22.03.2023
Physiologie
Startschuß zur optischen Wahrnehmung
Forschende haben den molekularen Vorgang entschlüsselt, der als Allererstes im Auge abläuft, wenn Licht auf die Netzhaut trifft.
22.03.2023
Neurobiologie
Wettbewerb zwischen den Gehirnhälften im Schlaf
Der Mensch ist beidseitig symmetrisch: unser Gehirn besteht aus zwei Hälften, den so genannten Hemisphären.
22.03.2023
Neurobiologie | Physiologie
Warum wir von Schokoriegeln und Co. nicht die Finger lassen können
Schokoriegel, Chips und Pommes - warum können wir sie im Supermarkt nicht einfach links liegen lassen?
22.03.2023
Biochemie | Genetik | Zytologie
Aus Perspektive eines Ingenieurs ist Biologie chaotisch und unvollkommen
Der Vorteil von Redundanz in biologischen Systemen.
21.03.2023
Paläontologie
Neue Augen bei Trilobiten entdeckt
Wissenschaftler*innen der Universitäten Köln und Edinburgh entdecken bisher übersehene Augen bei Trilobiten.
21.03.2023
Bionik, Biotechnologie und Biophysik | Bioinformatik
Molekularbiologie trifft auf Quantenphysik
Biologische Systeme sind hochkomplex: Sie werden vor allem über genregulatorische Netzwerke gesteuert, in denen Gene, Proteine und RNA auf vielfältige Art interagieren.
21.03.2023
Astrobiologie | Bionik, Biotechnologie und Biophysik
Leben auf fernen Monden
Flüssiges Wasser gehört zu den wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Leben, wie wir es auf der Erde kennen.