Wie leicht sind kleine, wildlebende Katzen an den Menschen zu gewöhnen?

Als der deutsche Afrikaforscher Georg Schweinfurth (1836 - 1925) die Region südlich des Bahr el Ghazal (Gazellenfluß) im Tschad bereiste, schrieb er:

„Eins der häufigsten Tiere hier scheint die Wildkatze der Savanne zu sein. Obwohl die Einheimischen sie weder als Haustiere halten, noch in jungen Jahren einfangen und abrichten, leben sie in der Nähe der Dörfer und Einfriedungen, um ihren natürlichen Krieg gegen die Ratten zu führen. Ich beschaffte mir mehrere dieser Katzen, die, nachdem sie mehrere Tage lang angebunden worden waren, ein beträchtliches Maß ihrer Wildheit verloren zu haben schienen. Sie gewöhnten sich genau so schnell an das Innere des Hauses, so wie sie sich außerhalb immer mehr an des Verhalten gewöhnlicher Katzen annäherten”.

Dieser Bericht überrascht keineswegs, denn heute geht man im Allgemeinen davon aus, dass die afrikanische Wildkatze der Vorfahr aller Hauskatzen rund um den Globus ist.

Obwohl die afrikanische Wildkatze (F. s. lybica) normalerweise zurückgezogen lebt und recht scheu ist, findet man sie oft in der Nähe von Menschen. Junge afrikanische Wildkatzen, die vom Menschen großgezogen werden sind sehr zutraulich.

Im Folgenden sollen historische Berichte über Erfolge, oder besser Teilerfolge bei der Zähmung kleiner Katzen zusammengefasst werden.

Es gibt Berichte über den Manul (Felis manul), der halb-domestiziert in verschiedenen Teilen Zentralasiens gehalten worden sein soll. Ein Manul aus Ladakh, Tibet, der von einem britischen Offizier (Colonel A. E. Ward, 1925) gehalten wurde, soll zwar sehr zahm gewesen sein, jedoch mochte er keine Fremden. Von in Gefangenschaft geborenen Bengalkatzen weiß man, dass sie sich sehr gut als Haustiere halten lassen (Dr. Hans Petzsch, Zoo Halle). Eine junge wilde Bengalkatze, die man Clifford Pope vom American Museum of Natural History brachte, soll sehr zutraulich geworden und Pope auf Schritt und Tritt wie ein junger Hund gefolgt sein. Edward Blyth (1810 - 1873) berichtete, dass Fischkatzen sehr zutraulich werden können, und hielt selbst einige in seinem Haus. Sein Unglück war nur, als eine frisch gefangene, kräftige, männliche Fischkatze in einen benachbarten Käfig eindrang und dort ein junges, jedoch zweimal so großes Leopardenweibchen tötete.

Der Karakal kann sehr leicht gezähmt werden, und in Indien und im Iran wurden sie für die Jagd abgerichtet. Manchmal ließ man auch männliche Katzen in Arenen gegeneinader kämpfen, oder wettete, wenn man sie auf Tauben losließ, welche Katze die meisten töten würde. Der Stamm der Bheels aus Mowa, Zentralindien, benutzte Karakale ebenfalls zur Jagd, um Hühnern, Milanen (Raubvögel), Krähen, Kranichen oder Hasen nachzustellen. A.E. Ward berichtete, dass ein indischer Fürstenstaat in Pandschab eine kleine Schar von Karakalen hielt, auf die man Wetten abschließen konnte, wenn man sie ähnlich wie bei Hunderennen, hinter einem künstlichen Hasen herjagen ließ. Auch vom Serval weiß man, dass er sich sehr gut als Haustier halten lässt und manche Katzen so zahm werden, dass sie auch gegenüber Fremden, die vielleicht zu Besuch kommen, keine Scheu zeigen. Trotz diesem bemerkenswerten Zutrauen ist der Serval in seiner afrkanischen Heimat nie domestiziert oder für Jagdzwecke abgerichtet worden.

Die asiatische Goldkatze (Catopuma temmincki) wird in Gefangenschaft ebenfalls sehr zahm. Edward Pritchard Gee (1904 - 1968) berichtet von einer Goldkatze, die er einst gekauft hatte und ihm so ergeben war, dass sie ständig auf seinem Schoß saß, an seinen Ohrläppchen saugte und seine Haare ableckte. Sie spielte mit Hunden und Hauskatzen und wenn man sie rief, kehrte aus dem Dschungel zurück, den sie als Wildkatze immer noch durchstreifte, um zu jagen. Die Katze stammte aus den Garo Hills und wurde später an den Londoner Zoo abgegeben.

In Indien ist die Rostkatze (Prionailurus rubiginosa) weit verbreitet. Auch sie ist als Haustier gehalten worden. Thomas C. Jerdon (1811-1872), ein Zoologe und Mitarbeiter der British East India Company , schrieb einmal:

„1846 brachte man mir ein kleines Kätzchen, das sehr zahm wurde. Es war eine Wonne ihm zuzusehen und alle die es sahen, waren voller Bewunderung. Das wunderbar aktive Kätzchen war in seinen Bewegungen spielerisch, doch gleichzeitig auch elegant und würdevoll”.

Robert A. Sterndale (1839 - 1902), ein britischer Naturforscher und Staatsmann in Indien, bekam zwei junge Rostkatzen von einem Stammesangehörigen der Gond geschenkt und empfand sie als ganz entzückende Haustiere:

„Sie wurden vollkommen zahm, so sehr dass, obwohl ich neun Monate des Jahres mit ihnen in den Camps verbrachte, sie nie die Camps verließen, obwohl ich sie nicht einsperrte und es ihnen gestattet war sich frei zu bewegen. .... Bei Nacht wurden die kleinen Katzen in einen Korb gesetzt und am nächsten Morgen fand ich sie oft schon im Camp umhertollend, auf die Zeltdächer steigend und auf die Bäume kletternd vor, unter denen wir lagerten. Während ich bei der Arbeit war, hatte ich normalerweise eines auf meinem Schoß, und das andere kuschelte hinter meinen Rücken auf der Stuhllehne. Eines Tages stürzte eine von ihnen in mein Zelt, nachdem sie eine Baumhöhle in der Nähe erforscht hatte. Zu meinen Füßen wand sich die Katze in Schüttelkrämpfen und ich tat alles in meiner Macht stehende, um die arme Kreatur zu retten. Doch vergeblich, sie war augenscheinlich von einer Schlange gebissen worden und nach zwei oder drei Minuten wurde sie von ihrem Elend erlöst. Die übriggebliebene war untröstlich, verweigerte die Nahrung und streifte miauend im Camp umher. Oft rollte sie sich vor meine Füßen hin und her, gerade so, als ob sie mich anflehen würde, ihren Bruder zurückzubringen. Als ich es nicht mehr ertragen konnte, schickte ich einen Kameraden in ein Dorf, wo er ein gewöhnliches Hauskätzchen besorgte, das ich mit dem anderen in den Korb setzte. Zuerst gab es viel Geknurre und Gespucke, doch mit der Zeit wurden sie gute Freunde. Der Wald war aber nicht mit dem Dorf zu vergleichen, in dem das Hauskätzchen geboren worden war. So amüsierten wir uns köstlich als die wilde Katze, einem Eichhörnchen gleich, an den Zeltwänden emporkletterte und über die Zeltdächer huschte, und als das Kleine es der Wilden gleichtun wollte, hing es bald mit ihren Krallen hilflos in den Zeltwänden und schaute sich klagend um, bevor es wieder zu Boden purzelte”.

Auch andere Naturforscher haben berichtet, dass die Rostkatze sehr zahm werden kann und sich mit Hauskatzen kreuzen läßt.

Johann Rudolf Rengger, ein Neffe des Schweizer Arztes und Politikers Albrecht Rengger (1764 - 1835) berichtet 1830 nach einer achtjährigen Südamerikareise, dass ein eingefangener Jaguarundi (Puma yaguarondi) sehr zahm wurde und ein zärtliches Verhältnis zu den Menschen in seiner Nähe pflegte. Jedoch musste die Katze ständig angebunden werden, da sie sich über Enten und Hühner des Hofes hermachte. Sogar angebunden versuchte die Katze ständig, das Geflügel zu attackieren. Einmal, als der Jaguarundi in einem Moment der Unachtsamkeit doch ein Küken erwischte, packte man ihn am Nacken und schüttelte ihn in der Luft hin und her, in der Hoffnung, die Katze würde das Küken loslassen. Doch die Katze dachte nicht im Traum daran und als man das Küken mit Gewalt aus den Fängen der Katze befreite, attackierte sie die Hand des Menschen, der ihr die Beute entrissen hatte und mit dem sie kurz vorher noch zärtlich geschmust hatte.

Von Eingeborenenstämmen aus Südamerika ist bekannt, dass Jaguarundis manchmal als Haustiere gehalten werden.

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