Chemische Waffe durch laterale Gen-Übertragung schützt Wollkäfer gegen schädliche Pilze



Bio-News vom 18.07.2018

Springende Gene in Symbionten liefern die Erklärung dafür, wie ein Käfer und eine Seescheide durch sehr ähnliche Verbindungen geschützt werden

Wie alle Lebewesen müssen Tiere Feinde abwehren und der Einsatz "chemischer Waffen" kann sich dabei als wirksame Überlebensstrategie erweisen. Statt die Aufgabe selbst zu übernehmen, gehen viele Land- und Meeresbewohner Symbiosen mit Mikroben ein, die für diesen Schutz sorgen können. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena hat entdeckt, dass Bakterien, die den Wollkäfer Lagria villosa besiedeln, eine antimykotische Verbindung produzieren, die einer Substanz von im Meer lebenden Seescheiden sehr ähnlich ist. Die Wissenschaftler zeigen, dass diese Gemeinsamkeit sehr wahrscheinlich durch der Übertragung von Genen zwischen nicht verwandten Mikroorganismen erklärt werden kann.

Der Käfer L. villosa ist aus Afrika nach Südamerika eingewandert und hat sich in Brasilien zu einem Landwirtschaftsschädling entwickelt. Diese Käfer sind von dem Bakterium Burkholderia gladioli besiedelt, das die Eier seines Wirts vor Pilzbefall schützt. Ein einziger Käfer trägt nicht nur einen, sondern mehrere Stämme eng verwandter B. gladioli-Bakterien, die jedoch in unterschiedlichem Maße in der Lage sind, Abwehrstoffe zu bilden.


Der Wollkäfer Lagria villosa lebt auf verschiedenen, wirtschaftlich bedeutenden Nutzpflanzen. Hier ist ein erwachsenes Insekt auf einer Sojabohnenpflanze zu sehen. Gerade auf Sojabohnen können die Käfer in großer Anzahl vorkommen.

Publikation:


L. V. Flórez et al.
An antifungal polyketide associated with horizontally acquired genes supports symbiont-mediated defense in Lagria villosa beetles
Nature Communications 9: 2478, 26. Juni 2018

DOI: 10.1038/s41467-018-04955-6



Einer der Stämme ist bei den Käfern unter natürlichen Bedingungen besonders dominant, lässt sich aber nur schwer erforschen, weil er außerhalb des Wirts kaum gedeiht. Darüber hinaus ist das Genom, also das vollständige Erbgut dieses Stammes, geschrumpft. "Eine Reduktion des Genoms kommt oft bei Bakterien vor, die seit langer Zeit in enger Symbiose mit ihrem Wirt leben. Jedoch legt das Zusammenleben so eng verwandter Bakterien mit so unterschiedlichen Genomgrößen im selben Insekt nahe, dass deren Beziehung zum Käfer grundlegend unterschiedlich ist", erklärt Dr. Laura Flórez vom Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie der JGU, Erstautorin der Studie. Prof. Dr. Martin Kaltenpoth, einer der Seniorautoren der Publikation, ergänzt dazu: "Dass die Insekten ihren Symbiose-Bakterien Raum für eine solche Vielfalt bieten, könnte der Schlüssel dafür sein, dass sie vor Feinden geschützt bleiben."

Besonders interessant war für das Forscherteam aber die Entdeckung einer neuen bioaktiven Substanz, die von dem dominanten Stamm, B. gladioli Lv-StB, produziert wird. Die Jenaer Wissenschaftler Dr. Kirstin Scherlach und Prof. Dr. Christian Hertweck unterzogen einen Extrakt von 28.000 Käfereier chemischen Analysen und entdeckten dabei eine besonders interessante Verbindung, die das Pilzwachstum unterbindet. Das Team nannte diese neue Verbindung "Lagriamid" nach Lagria – dem Käferwirt der Symbionten. "Es ist auffällig, dass Lagriamid sehr stark Substanzen ähnelt, die bereits im Meer gefunden wurden und wahrscheinlich von mikrobiellen Symbionten von Seescheiden produziert werden", erklärt Kirstin Scherlach. Wie lässt sich diese erstaunliche Ähnlichkeit in solch verschiedenen Habitaten und Organismen erklären?

Jason Kwan und sein Team an der University of Wisconsin in Madison, USA, analysierten die Genpools der mikrobiellen Gemeinschaft der Käfer und identifizierten die Gene, die für die Produktion von Lagriamid im Genom des dominanten Käfer-Symbionten verantwortlich sind. Sie fanden einen spannenden Hinweis: Diese Gene befinden sich auf einer sogenannten "genomischen Insel", also einem Bereich, der wahrscheinlich von einer externen Quelle in das Chromosom des Symbionten integriert wurde.

Springende Gene sind ein bekanntes Phänomen bei Bakterien und anderen Organismen. Allerdings ist dies eines der wenigen Beispiele, bei dem direkt nachgewiesen werden kann, dass eine solche Übertragung genetischen Materials die Grundlage für das Abwehrpotenzial eines Symbionten ist. Es ist besonders faszinierend, dass die Symbiose und der Erwerb fremden genetischen Materials ein vielseitiges Innovationsinstrument sein können, das Tiere in ganz unterschiedlichen Habitaten für ihre Verteidigung nutzen. Darüber hinaus unterstreichen die Forschungsergebnisse, dass Abwehrsymbionten vielleicht auch für die Entdeckung von Stoffen mit antimikrobiellen Eigenschaften bedeutsam sind, die dem Menschen von Nutzen sein könnten.


Diese Newsmeldung wurde mit Material idw erstellt

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