Robert Koch


Robert Koch
Kochs Unterschrift

Robert Koch (* 11. Dezember 1843 in Clausthal; † 27. Mai 1910 in Baden-Baden; vollständiger Name Heinrich Hermann Robert Koch) war ein deutscher Mediziner und Mikrobiologe. Koch gelang es 1876, den Erreger des Milzbrands (Bacillus anthracis) außerhalb des Organismus zu kultivieren und seinen Lebenszyklus zu beschreiben. Dadurch wurde zum ersten Mal lückenlos die Rolle eines Krankheitserregers beim Entstehen einer Krankheit beschrieben. 1882 entdeckte er den Erreger der Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) und entwickelte später das vermeintliche Heilmittel Tuberkulin. 1905 erhielt er den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Robert Koch ist damit – neben seinem Konkurrenten Louis Pasteur in Paris – zum Begründer der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie geworden. Er hat grundlegende Beiträge zur Infektionslehre sowie zum Aufbau der Tropenmedizin in Deutschland geleistet.

Leben

Kindheit und Ausbildung

In diesem Haus am Kronenplatz in Clausthal verbrachte Robert Koch seine Jugendzeit

Robert Koch wurde 1843 als drittes von insgesamt 13 Kindern des Grubensteigers Hermann Koch (1814–1877) und dessen Frau Henriette (geb. Biewend, 1818–1871) in Clausthal geboren. Von den Kindern überlebten neun Jungen und zwei Mädchen die Säuglingszeit. Roberts Vater wurde schnell befördert und führte ab 1851 die Aufsicht über den gesamten Bergbau des Oberharzes. Robert Koch brachte sich als Vierjähriger selbst das Lesen und Schreiben bei. Er schaute es sich von seinen älteren Brüdern ab.[1] Ab 1848 wurde er von einem Privatlehrer unterrichtet. Im Alter von sieben Jahren wechselte er auf das humanistische Gymnasium in der Clausthaler Graupenstraße, welches er bis zum Abitur 1862 besuchte.[2]

Großvater Eduard Biewend machte den Enkel mit dem Mikroskop vertraut und führte ihn in die damals noch neue Fotografie ein.

Ab 1862 studierte Robert Koch Philologie in Göttingen, entschied sich aber noch im ersten Semester für Medizin. Unter anderem hörte er Physik bei Wilhelm Weber und Chemie bei Friedrich Wöhler. In der Medizin wurden der Anatom Jakob Henle, der Physiologe Georg Meissner und der Kliniker Karl Ewald Hasse zu seinen prägenden Lehrern. 1866 schloss er das Studium mit der Promotion ab. Vor Ablegung des Staatsexamens studierte er noch für kurze Zeit bei Rudolf Virchow in Berlin. Zur allgemeinen Überraschung von Freunden und Bekannten gab er im Mai 1866 bekannt, dass er sich mit Emmy Fraatz verlobt hatte. Die beiden heirateten im folgenden Jahr.

Erste Anstellungen

Das „Koch-Haus“ in Niemegk, 2006

Es folgten ärztliche Tätigkeiten am Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg, dann bis 1868 an der Landesheil- und Pflegeanstalt (heute Nervenklinik) sowie als Landarzt in Langenhagen bei Hannover. Danach wechselte er als Landarzt nach Niemegk (Mark Brandenburg, nahe Potsdam) sowie nach Rakwitz bei Posen.

Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 meldete sich Koch freiwillig zum Sanitätsdienst und kümmerte sich vor allem um Typhus- und Ruhrkranke. Daraus zurückgekehrt legte er 1872 das Physikatsexamen – Voraussetzung für die Arbeit als Amtsarzt – ab und wurde im gleichen Jahr zum Kreisphysikus des Kreises Bomst mit Praxis in Wollstein (Provinz Posen) ernannt. In dieser Funktion musste er Gutachten erstellen, Gerichtssachen erledigen, war für das kommunale Krankenhaus zuständig und arbeitete als Armenarzt. Daneben führte er eine Privatpraxis. Die knappe Freizeit verbrachte er mit bakteriologischer Forschung. Zu Versuchszwecken hielt er sich zahlreiche Haustiere, wie Kaninchen, Meerschweinchen und zuletzt sogar zwei Affen.

Stationen einer Karriere

Dank seiner Arbeiten über die Entstehung des Milzbrands und der Wundinfektionen wurde Koch 1880 an das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin berufen. 1885 schied er aus dem Gesundheitsamt aus und wurde ordentlicher Professor für Hygiene am neu geschaffenen Hygienischen Institut der Berliner Universität. 1891 wurde er zum Direktor des Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin ernannt, 1904 trat er in den Ruhestand.

Zwei Ehen

Robert Koch mit seiner zweiten Ehefrau Hedwig im Jahre 1908

Aus der Ehe mit Emmy stammt eine Tochter, Gertrud (* 1868), zu der Koch zeit seines Lebens ein gutes Verhältnis bewahrte. Von seiner Frau ließ er sich dagegen 1890 scheiden. Dies war damals noch ein ungewöhnlicher Schritt – die Möglichkeit einer Scheidung bestand im Deutschen Reich erst seit 15 Jahren –, der leicht in die soziale Isolation führen konnte. Emmy Koch stimmte der Scheidung zu, und Koch kaufte für sie das Haus seiner Eltern in Clausthal zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1913 wohnte.

Noch 1890, dem Jahr seiner Scheidung, traf Koch auf die damals siebzehnjährige Hedwig Freiberg. Ort der Begegnung war das Atelier des Malers Gustav Graef, als Koch für ein Porträt Modell saß. Hedwig Freiberg war eine Schülerin des Malers. Koch heiratete Freiberg drei Jahre später. Seine zweite Frau begleitete ihn – anders als Emmy Koch – gerne auf seinen zahlreichen Auslandsreisen.

Auslandsreisen

Koch träumte schon als kleiner Junge davon, reisender Naturforscher zu werden. Sieben Brüder und eine Schwester wanderten nach Uruguay, Mexiko und in die Vereinigten Staaten aus. Wahrscheinlich ist Koch selbst nur durch den Einfluss seiner ersten Ehefrau Emmy in Deutschland geblieben. Als er bakteriologische Forschung mit Auslandsreisen kombinieren konnte, nutzte er sofort die Gelegenheit. 1883/84 leitete er eine Cholera-Expedition nach Ägypten und Indien.

Durch den Tuberkulin-Skandal von 1890 sank Kochs Ansehen zeitweise auf einen Tiefpunkt, und er flüchtete sich nach Ägypten. Danach hielt er sich nur noch wenig in Deutschland auf: 1896 lud ihn die britische Regierung ein, in Südafrika die Rinderpest zu erforschen; als Mitglied der deutschen Pestkommission reiste er 1897 weiter nach Indien, dann nach Deutsch-Ostafrika. 1898/99 erforschte er die Malaria in Italien, auf Java und Neuguinea. 1905/06 leitete er eine Schlafkrankheitsexpedition nach Deutsch-Ostafrika, forschte dann aber vor allem auf britischem Kolonialgebiet in Uganda. Diese Reise unterbrach er, um 1905 den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers in Stockholm entgegenzunehmen. 1908 unternahm er eine Weltreise in die USA, nach Hawaii und Japan.

Lebensende

Anfang des 20. Jahrhunderts machte Koch einen vorzeitig gealterten Eindruck. Auf seinen Reisen hatte er sich mehrfach mit Tropenkrankheiten – darunter Malaria – infiziert. Im Frühjahr 1910 erkrankte Koch ernsthaft. Er klagte über Schmerzen in der linken Brustseite und Atemnot. Am 23. Mai 1910 bezog er in einem Baden-Badener Sanatorium Quartier. Am Abend des 27. Mai fand ihn der Arzt an der offenen Balkontür tot vor. In Baden-Baden wurde Kochs Leiche im kurz zuvor erbauten Krematorium eingeäschert. Seine Urne wurde in das Institut für Infektionskrankheiten nach Berlin gebracht und dort nach dem Bau eines Mausoleums – heute im Robert-Koch-Institut – aufgestellt.

Begründer der Bakteriologie

Ferdinand Julius Cohn

Der Beginn der Bakteriologie datiert in das Jahr 1872, als Ferdinand Julius Cohn einen mehrteiligen Artikel mit „Untersuchungen über Bakterien“ veröffentlichte. Die herrschende Meinung besagte damals, dass die verschiedenen Bakterienformen je nach Umweltbedingung ineinander übergehen können, also im Grunde eine einzige Art bilden. Cohn unterschied dagegen verschiedene Bakterienarten, die nur innerhalb bestimmter Grenzen veränderlich waren. An sogenannten Heubazillen (Bacillus subtilis) konnte er außerdem 1877 nachweisen, dass sie Sporen bilden.

Der Lebenszyklus des Milzbranderregers

Die Bildtafel aus Die Aetiologie der Milzbrand-Krankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthracis, 1876. Die stäbchenförmigen Erreger bilden lange Fäden. Ihre Sporen sind in den Figuren 4 und 5 dargestellt.

Koch ist nicht der Entdecker des Milzbranderregers. Bereits 1863 hatte Casimir Davaine einen Zusammenhang zwischen den Bakterien und der Krankheit zumindest wahrscheinlich gemacht. Mit Milzbrand untersuchte Koch eine Viehseuche, die auf dem Land eine große Rolle spielte, aber auch Menschen befallen konnte. Für seine mikroskopischen Studien entwickelte er die Technik des hängenden Tropfens, bei der die Mikroben in einem Tropfen an der Unterseite eines Objektträgers kultiviert werden. Als Nährflüssigkeit verwendete er Kammerwasser aus Rinderaugen. Mit dieser Anordnung konnte er Bakterien im Blut von infizierten Tieren nachweisen und beobachten, wie sie Sporen bildeten und wie diese Sporen sich wieder in Bakterien umwandelten. Die eigentlich transparenten Sporen färbte er später an, eine Technik, zu der er von Carl Weigert angeregt worden war. Wenn er Versuchstiere – wie Meerschweinchen oder Kaninchen – künstlich infizierte, starben sie an Milzbrand. Auch gelang es ihm, den pathologischen Prozess, wie die Bakterien Blutgefäße beschädigen, zu dokumentieren.

Mit seiner Arbeit konnte Koch erklären, warum sich Vieh auf bestimmten Weiden immer wieder mit Milzbrand infizierte. Die Bauern hatten die Kadaver verstorbener Tiere nicht tief genug im Boden vergraben. Auch aus solchen Kadavern konnte Koch Milzbrand-Sporen gewinnen. Außerdem konnte er nachweisen, dass getrocknetes Blut von kranken Schafen noch nach vier Jahren infektiös war. Die erste Fassung seines Milzbrand-Artikels schickte er an Cohn, der begeistert darauf reagierte. Cohn lud Koch zu einer mehrtägigen Präsentation in Breslau ein; bei dieser Gelegenheit begegnete auch der Student Paul Ehrlich erstmals Koch. Die Publikation erschien 1876 im Druck.

Ein Tiermodell für Wundinfektionen

Als nächstem Problem wandte sich Koch den Wundinfektionen zu. Hier hatten Forscher bereits viele verschiedene Bakterien gefunden, ohne sagen zu können, welche Art für die Krankheit verantwortlich war. Koch etablierte ein Tiermodell für die Sepsis. Dabei begriff er die Tierkörper als Kulturapparate, damals ein origineller Gedanke. Außerdem war ihm aufgefallen, dass verschiedene Tierarten unterschiedlich empfänglich für die verschiedenen Bakterienarten waren. Wenn er eine Probe hintereinander durch verschiedene Tierarten wie Mäuse, Kaninchen und Meerschweinchen überimpfte, erhielt er zum Schluss Reinkulturen einer Bakterienart.[3] An Mäusen konnte er dann sechs verschiedene Formen von Sepsis demonstrieren, die von sechs verschiedenen Bakterienarten ausgelöst wurden. Koch veröffentlichte seine „Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten“ 1878.

Berufung ans Kaiserliche Gesundheitsamt

Die Universität Breslau ersuchte den preußischen Kultusminister, Koch zum außerordentlichen Professor für Hygiene zu ernennen. Stattdessen wurde Koch 1879 auf die Stelle des Stadtphysikus in Breslau berufen. Koch stellte schnell fest, dass er in dem Amt nicht genug verdiente, und bat um Rückversetzung.

1880 stellte ihn der Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Heinrich Struck ein, um das vier Jahre alte Amt in Berlin zu einer medizinischen Forschungseinrichtung auszubauen. Koch wurden die beiden Militärärzte Friedrich Loeffler und Georg Gaffky zugeordnet, wenig später noch der Arzt Ferdinand Hueppe sowie der Chemiker Bernhard Proskauer.

Entwicklung bakteriologischer Techniken

Mikroskop von Carl Zeiss von 1879, wie es auch Koch verwendete. Weil eine Mikroskopleuchte fehlte, musste Koch häufig auf Sonnenschein warten.

Robert Koch bemühte sich immer, an der Spitze der technischen Entwicklung zu bleiben, und so waren viele seiner Entdeckungen vom technischen Fortschritt getrieben. Die ersten Ölimmersions-Linsen verwendete er bereits, bevor sie auf dem Markt erhältlich waren. Die meisten Mikroorganismen sind transparent, sie werden im mikroskopischen Bild erst nach einer Färbung sichtbar. Um seine Beobachtungen festzuhalten, verwendete er die Fotografie.

Am Kaiserlichen Gesundheitsamt entwickelte er die Kulturplatten-Technik mit festen, transparenten Nährböden. Bis dahin waren Bakterien entweder in Fleischbrühe gezüchtet worden – die sich unter dem Mikroskop nicht fixieren ließ – oder auf Kartoffelscheiben – die sich im Mikroskop nicht im Durchlicht betrachten ließen und auf denen viele pathogene Bakterien nicht wuchsen. Koch verfestigte die Fleischbrühe mit Gelatine, später führte sein Mitarbeiter Walther Hesse dafür Agar-Agar gemäß der Erfindung seiner Frau Fanny Angelina Hesse ein. Die Nährböden wurden in rechteckigen „Plattenschalen“ ausgegossen. Die Innovation der festen, transparenten Nährböden revolutionierte die Bakteriologie.

Die Entdeckung des Tuberkuloseerregers

Aus Kochs gesammelten Werken: Die Aetiologie der Tuberkulose. Tuberkelbazillen erscheinen bei der von Koch verwendeten Färbung blau, während sie bei der heute üblichen Färbung rot erscheinen.

Während im Süden Europas immer bekannt war, dass Tuberkulose – der Begriff ist seit 1834 belegt – eine ansteckende Krankheit ist, wurde das im nördlichen Teil Europas zunehmend bezweifelt, bis Mitte des 19. Jahrhunderts kaum jemand mehr daran glaubte.[4] Koch unternahm 1881 die ersten Experimente, indem er zwei Meerschweinchen tuberkulöses Gewebe übertrug. Sie erwiesen sich als ideale Versuchstiere, die fulminant an Tuberkulose erkrankten. Auf künstlichen Nährböden wuchsen die Tuberkelbakterien dagegen nur sehr langsam, so dass Kochs größtes Verdienst darin liegt, dass er nicht vorzeitig die Geduld verlor. Außerdem sind die Bakterien von einer wachsartigen Schicht umgeben, die Farbstoffe abweist. Als wesentliche Innovation führte Koch die Gegenfärbung ein, bei der er zunächst mit Methylenblau die Bakterien blau (diese Methode hatte Paul Ehrlich in die Bakteriologie eingeführt[5]) und zum Kontrast das umgebende Gewebe mit einem zweiten Farbstoff namens „Vesuvin“ leicht braun färbte. Jedoch blieb die Färbung so schwach, dass es ihm nur gelang, die Bakterien zu zeichnen und nicht, wie von ihm selbst gefordert,[6] zu fotografieren. Im 271. Versuchsansatz entdeckte Koch die gesuchten Erreger.

Interessanterweise beschrieb Koch auch bei ihnen Sporen, wie er sie vom Milzbrand und Cohns Heubazillen her kannte. Tuberkulose-Sporen existieren jedoch nicht.[7] Am 24. März 1882 stellte er seine Entdeckung in seinem berühmt gewordenen Vortrag über die „Aetiologie der Tuberculose“ vor der Berliner Physiologischen Gesellschaft vor.[8] Nach dem Vortrag herrschte Stille, weil allen Anwesenden bewusst war, dass sie soeben ein historisches Ereignis miterlebt hatten. Paul Ehrlich, inzwischen auch in Berlin tätig, verbesserte noch am selben Abend das Färbeverfahren. Am 27. Juni 1882 ernannte Kaiser Wilhelm I. Robert Koch zum Geheimen Regierungsrat.

Nahaufnahme einer Kultur von Mycobakterium tuberculosis

Eine Konsequenz dieser Entdeckung war, dass der Charakter der Tuberkulose als einheitliche Krankheit bestätigt wurde. Zuvor galten die Lungentuberkulose – die häufigste Tuberkuloseform – sowie die Tuberkulose der Haut, der Knochen, des Darms, des Urogenitalsystems und die tuberkulöse Hirnhautentzündung als eigenständige Krankheiten mit eigenen Namen. Die meisten Fälle, die früher als „Schwindsucht“ oder „Phthise“ bezeichnet wurden, dürften ebenfalls Tuberkulose gewesen sein. Umstritten ist, ob auch die Scrophulose – die als tuberkulöse Erkrankung der Halslymphdrüsen interpretiert wird – hierzu zählt. Zwar hatte bereits der französische Arzt Théophile Laënnec vermutet, dass es sich bei all diesen Formen um eine Krankheit handele, aber erst der gemeinsame Erreger lieferte den Beweis. Als Übertragungsmedium konnte Koch die Atemluft wahrscheinlich machen; im Auswurf von Tuberkulösen wies er Tuberkelbazillen nach. Dadurch wurde klar, dass eine Gefahr vor allem von Kranken mit offener Lungentuberkulose ausging.

Institutionelle Aufwertung der Bakteriologie

1885 berief die Medizinische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin Koch zum ordentlichen Professor auf einem neu geschaffenen Lehrstuhl für Hygiene. Das Fach Hygiene wurde damit stark aufgewertet, doch war Koch als Professor unqualifiziert. Vorlesungen und Prüfungen waren ihm eine Last.[9] Er unternahm mehrere lange Erholungsreisen, aber seine Gesundheit blieb seit dieser Zeit angeschlagen. Dass der konkurrierenden Forschergruppe von Louis Pasteur in Paris in dieser Zeit spektakuläre Erfolge – vor allem bei der Entwicklung der aktiven Impfung – gelangen, verbesserte nicht die Stimmung. Vom Forscher Koch kam bis 1890 keine Nachricht von Belang mehr; Koch durchlebte auch privat eine Krise, die schließlich mit der Scheidung von seiner ersten Frau endete.

Der Tuberkulin-Skandal

Klassische Behandlung von Tuberkulose für Menschen, die es sich leisten konnten: Liegekuren

Zu Kochs Zeiten starb etwa jeder siebte Deutsche an Tuberkulose. Die Öffentlichkeit hatte auch deswegen euphorisch auf die Entdeckung des Erregers reagiert, weil sie damit die Hoffnung auf ein Heilmittel verband. Bis dahin war mit Chinin für Malaria nur ein einziges wirksames Heilmittel für eine Infektionskrankheit bekannt.

Circus Renz in Berlin im Jahre 1898

Auf dem Zehnten Internationalen Medizinischen Kongress 1890 in Berlin – die Tagung fand im eigens dafür umgebauten Circus Renz statt – stellte Koch plötzlich ein Heilmittel vor, das er Tuberkulin nannte. Die Zusammensetzung hielt er geheim, was nachvollziehbar ist, weil es damals nicht üblich war, Arzneimittel zu patentieren (Antipyrin war die einzige Ausnahme). Die Öffentlichkeit musste auf den großen Namen vertrauen und reagierte enthusiastisch. Koch wurde das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen.

Der Sozialhygieniker Alfred Grotjahn hat beschrieben, wie Tuberkulin in Greifswald eintraf: „Auch für Greifswald kam endlich der große Tag, an dem in der inneren Klinik die ersten Impfungen mit Tuberkulin vorgenommen werden sollten. Es wurde begangen wie etwa eine Grundsteinlegung oder eine Denkmalsenthüllung. Lorbeerbäume bildeten den Hintergrund, von dem sich Ärzte, Schwestern und Patienten in schneeigem Weiß und der Chef in schwarzen Bratrocke abhoben: Festrede des Internisten, Vollzug der Impfungen an auserwählten Kranken, donnerndes Hoch auf Robert Koch!“[10]

Koch versuchte, aus seiner Entdeckung kommerziellen Gewinn zu schlagen, was ihm, der er mit staatlichen Mitteln an einem staatlichen Institut geforscht hatte, übel genommen wurde. Vom Kultusministerium forderte er ein eigenes Institut ausschließlich zur Produktion von Tuberkulin und veranschlagte den jährlich zu erwartenden Gewinn auf 4,5 Millionen Mark. Auch deutete er an, dass ihm bereits Angebote aus den USA vorlägen.[11]

Regeln für Arzneimittelversuche existierten damals noch nicht. Nach Angaben von Koch hatte er das Medikament an Tieren erprobt; allerdings konnte er später die angeblich geheilten Meerschweinchen nicht vorweisen.[12] Dass Menschen viel empfindlicher mit Fieber, Gelenkschmerzen und Übelkeit auf Tuberkulin reagierten als seine Versuchstiere, beunruhigte ihn nicht.[13] Unter anderem testete er Tuberkulin an seiner Geliebten und späteren zweiten Ehefrau, der damals siebzehnjährigen Hedwig Freiberg. Sie berichtet in ihren Erinnerungen, dass sie nach den Worten Kochs „möglicherweise recht krank“ werden könne, „sterben würde ich voraussichtlich nicht“.[14]

Nachdem Tuberkulin auf dem Markt war, häuften sich in der Fach- und Publikumspresse zunächst Berichte über Heilerfolge, dann folgten erste Meldungen von Todesfällen. Sie wurden noch nicht allzu ernst genommen, weil die Ärzte immerhin mit schwerkranken Patienten experimentierten.[15] Rudolf Virchow gelang es jedoch, bei der Obduktion von Leichen nachzuweisen, dass Tuberkulin die Bakterien nicht abtötete und latent vorhandene Bakterien sogar aktivierte.[16] Robert Koch sah sich gezwungen, die Zusammensetzung seines Geheimmittels aufzudecken, wobei sich herausstellte, dass er selbst nicht genau wusste, was es enthielt. Es handelte sich um einen Extrakt aus Tuberkelbazillen in Glyzerin, auch konnten tote Tuberkelbazillen nachgewiesen werden.

Koch ließ sich vom preußischen Kultusminister beurlauben und fuhr nach Ägypten, was ihm als Flucht vor der deutschen Öffentlichkeit ausgelegt wurde. Im Preußischen Abgeordnetenhaus fand im Mai 1891 eine erregte Debatte statt. Koch blieb weiterhin vom Wert seines Heilmittels überzeugt und präsentierte 1897 ein abgewandeltes Tuberkulin, das als Therapeutikum aber ebenfalls wertlos war. Dies und zahlreiche andere Indizien weisen darauf hin, dass Koch nicht einen „Tuberkulinschwindel“ begehen wollte, wie ihm damals häufig vorgeworfen worden ist, sondern er sich selbst getäuscht hatte.

Der Medizinhistoriker Christoph Gradmann hat rekonstruiert, wie Tuberkulin nach Ansicht von Koch funktionieren sollte. Demnach tötete das Mittel die Bakterien nicht ab, sondern löste eine Nekrose des tuberkulösen Gewebes aus, wodurch die Tuberkelbazillen sozusagen „ausgehungert“ wurden.[17] Diese Vorstellung lag damals wie heute außerhalb üblicher medizinischer Theorien.

Der Tuberkulin-Skandal wurde allgemein als Warnung verstanden, wie man beim Testen von Arzneimitteln nicht vorgehen sollte. Als Emil von Behring 1893 sein Diphtherie-Antitoxin vorstellte, waren dem langwierige klinische Tests vorangegangen und das Serum wurde – begleitet von einer kritischen Diskussion in der Fachöffentlichkeit – nur langsam in die Praxis eingeführt.[18] Auch Paul Ehrlich ging 1909 bei der Einführung des ersten synthetisch hergestellten Chemotherapeutikums gegen eine Infektionskrankheit, Salvarsan, auffällig vorsichtig vor.

1907 hat Clemens von Pirquet Tuberkulin zu einem Diagnostikum für Tuberkulose im Tuberkulin-Test weiterentwickelt, was aber eine eigenständige Leistung unabhängig von Ideen Robert Kochs darstellt. Die Farbwerke in Frankfurt/Höchst, vormals Meister Lucius & Brüning AG (die spätere Hoechst AG), kauften die noch reichlich vorhandenen Tuberkulin-Bestände auf. Später stieg die Firma unter der Leitung des Koch-Schülers Arnold Libbertz auch in die Produktion ein.[19]

Nobelpreis

Der 1901 erstmals verliehene Nobelpreis hatte zum Zeitpunkt der Verleihung 1905 an Robert Koch noch nicht die überragende Rolle, die ihm heute zukommt, auch wenn die hohe Summe des Preisgeldes Aufsehen erregte. Koch war verstimmt, dass sein Schüler Emil von Behring ihn noch vor ihm erhalten hatte.

Kontroverse um die Rindertuberkulose

1882, anlässlich der Bekanntgabe des Tuberkulose-Erregers, hatte Koch gemeint, dass die Perlsucht der Rinder mit der Tuberkulose der Menschen identisch sei. 1891 verkündete er auf dem ersten Britischen Tuberkulose-Kongress das Gegenteil und stieß damit auf großen Widerspruch. Emil von Behring beharrte ebenfalls darauf, dass die Milch tuberkulöser Kühe gefährlich sei. 1902 hielt Koch sogar einen eigenen Vortrag zur „Übertragbarkeit der Rindertuberkulose auf den Menschen“, in dem er auch Fleisch von tuberkulösen Tieren als unbedenklich bezeichnete. Noch 1908 als Ehrenpräsident der Internationalen Tuberkulosekonferenz in Washington hielt er an seinen Ansichten fest. Durch seine Autorität behinderte er in Deutschland die Bemühungen, tuberkulosefreie Rinderbestände zu schaffen.

Tatsächlich gehört nach heutigem Verständnis der Erreger der Rinder-Tuberkulose einer eigenen Art an. Jedoch kann Mycobacterium bovis Menschen infizieren, wie auch umgekehrt der Erreger der menschlichen Tuberkulose Rinder infizieren kann. In Frankreich hatte der Mikrobiologe Saturnin Arloing schon 1872 das zoonotische Potential der Rindertuberkulose erkannt und staatliche Bekämpfungsmassnahmen gegen die Seuche eingeführt.[20]

Das Preußische Institut für Infektionskrankheiten in Berlin

Alte Isolierstation der Klinischen Abteilung des Instituts für Infektionskrankheiten im Virchow Klinikum der Charité.

1891 gab Koch seine Professur auf und übernahm die Leitung des eigens für ihn gegründeten Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten mit einer experimentellen und einer klinischen Abteilung. Endlich verfügte er für seine klinische Forschung auch über Betten. Dafür musste er harsche Bedingungen akzeptieren. Das Preußische Kultusministerium hatte nach dem Tuberkulin-Skandal darauf bestanden, dass alle weiteren Erfindungen Kochs bedingungslos und ohne Kompensation der Regierung gehören würden. Koch verlor das Recht, Patente zu beantragen.[21]

Henle-Koch-Postulate

Die Henle-Koch-Postulate geben die Kriterien an, unter welchen Umständen eine Mikrobe als Krankheitserreger gelten darf. Sie werden zu Unrecht Kochs Göttinger Lehrer Jakob Henle oder Robert Koch selbst zugeschrieben. Die klassische Formulierung der drei Postulate hat 1884 der Koch-Schüler Friedrich Loeffler geleistet. Aus Kochs Werken lassen sie sich bis zu diesem Zeitpunkt nur implizit ableiten, und sie variieren mit seiner wissenschaftlichen Entwicklung.

Koch formulierte seine Version der Postulate erst bei einem Vortrag 1890 auf dem Zehnten Internationalen Medizinischen Kongress in Berlin, als es um die Frage ging, ob Bakterien nicht zufällige Begleiterscheinungen einer Krankheit seien. Darauf erwiderte er: „Wenn es sich nun aber nachweisen ließe: erstens, daß der Parasit in jedem einzelnen Falle der betreffenden Krankheit anzutreffen ist, und zwar unter Verhältnissen, welche den pathologischen Veränderungen und dem klinischen Verlauf der Krankheit entsprechen; zweitens, daß er bei keiner anderen Krankheit als zufälliger und nicht pathogener Schmarotzer vorkommt; und drittens, daß er von dem Körper vollkommen isoliert und in Reinkulturen hinreichend oft umgezüchtet, imstande ist, von neuem die Krankheit zu erzeugen; dann könnte er nicht mehr zufälliges Akzidens der Krankheit sein, sondern es ließe sich in jedem Falle kein anderes Verhältnis mehr zwischen Parasit und Krankheit denken, als daß der Parasit Ursache der Krankheit ist.“ Heute gelten diese Anforderungen als zu strikt.

Cholera

Die Cholera war in Europa erstmals 1830/31 ausgebrochen. Danach kam es noch zu mehreren Epidemien, wie zuletzt 1866 und 1873. Durch die Verkehrsrevolution waren die Cholera-Gebiete – worauf Koch hinwies – auf wenige Tagesreisen Entfernung an Europa herangerückt.

Expedition nach Ägypten und Indien

Die deutsche Cholera-Expedition in Ägypten; Koch ist der Dritte von rechts

Als 1883 erneut Nachrichten von einer Cholera-Epidemie in Ägypten nach Europa drangen, schickten verschiedene europäische Mächte Wissenschaftler, darunter die preußische Regierung eine Expedition unter Leitung von Robert Koch. Als sie im August 1883 in Alexandria eintraf, war die Epidemie bereits wieder am Abnehmen. Dort musste Koch feststellen, dass die Kulturmethoden, die er in Berlin verwendete, unter ägyptischen Bedingungen versagten: Die mit Gelatine fest gemachten Nährböden verflüssigten sich in der Hitze.[22] Der ägyptische Teil der Expedition ähnelte deswegen eher einem touristischen Ausflug.

Die Expedition zog im November nach Indien weiter. Einerseits lag dort um Kalkutta herum das einzige bekannte Gebiet, in dem Cholera endemisch war, andererseits waren dort für einen kurzen Zeitraum im Winter die Temperaturen niedrig genug, um mit den gewohnten Kulturverfahren zu arbeiten. Koch gelang es im Januar 1884, aus Choleraleichen eine Reinkultur von Bakterien zu gewinnen, die kürzer und plumper als Tuberkelbazillen waren und die Gestalt eines Kommas hatten. Diese Bakterien bezeichnete er als Erreger der Cholera, obwohl ihm nach seinen eigenen Maßstäben der Nachweis nicht gelungen war: Er hatte vergeblich versucht, Tiere mit der Krankheit zu infizieren.[23] Im Februar wurde es dann auch in Kalkutta zu heiß, um die Forschungen fortzusetzen. Die Rückkehr nach Berlin im Mai wurde zum Triumphzug. Koch erhielt eine Belohnung von 100.000 Mark und wurde vom Kaiser empfangen.

Robert Koch wird seitdem häufig als Entdecker des Cholera-Erregers bezeichnet. Tatsächlich hat bereits Filippo Pacini 1854 die Bakterien beschrieben, war jedoch damals unbeachtet geblieben. Vermutlich hat sogar Koch selbst 1866, als er als junger Arzt in Hamburg Cholera-Leichen sezierte, Cholera-Bakterien gesehen, maß seiner Beobachtung damals jedoch keine Bedeutung zu.[24]

Wichtiger ist eine andere Beobachtung, die Koch in Indien machte. Die Krankheit schien an bestimmte Dörfer gebunden zu sein, die um kleine Teiche angeordnet waren. Koch beobachtete, dass in diesen Teichen die Wäsche von Cholerakranken gewaschen wurde, in ihnen aber auch gleichzeitig gebadet und ihnen Trinkwasser entnommen wurde. Am Rand der Teiche befanden sich Latrinen. Koch schloss daraus richtig, dass Cholera-Erreger mit dem Wasser übertragen werden. Im englischsprachigen Raum war dieser Übertragungsweg dank der Arbeiten des Londoner Armenarztes John Snow von 1854 bereits bekannt (Publikation auf Deutsch 1856), wurde aber in Deutschland durch den Einfluss von Max von Pettenkofer (siehe unten) nicht ernst genommen.

Die Cholera in Hamburg

Das Hamburger Gängeviertel 1893

Die Choleraepidemie von 1892 in Hamburg war der letzte große Ausbruch der Cholera in Deutschland. Wahrscheinlich wurde sie mit dem Strom russischer Auswanderer eingeschleppt, der nach einer Hungersnot und antisemitischen Pogromen die Hafenstadt passierte.[25] Der erste Fall wurde am 15. August diagnostiziert, aber erst acht Tage später gaben die Behörden zu, dass eine Seuche in der Stadt ausgebrochen war. Noch vor der offiziellen Bekanntgabe der Epidemie schickte der preußische Gesundheitsminister Robert Koch nach Hamburg. Koch äußerte nach einer Inspektion der Armenviertel den berühmt gewordenen Satz: „Ich vergesse, daß ich in Europa bin!“ Vielen Angehörigen des Bürgertums wurde erst durch die Epidemie bewusst, in welchem Schmutz und Elend ein großer Teil der Bevölkerung lebte.

Szene aus dem Gängeviertel 1890: Gemeinschaftstoiletten ohne Anschluss an die Kanalisation begünstigten die Ausbreitung der Cholera.
Desinfektionskolonnen bringen 1892 Chlorkalk aus, um Cholera-Erreger abzutöten.

Die Hamburger Mediziner waren mit den bakteriologischen Methoden zum Nachweis des Cholera-Erregers noch nicht vertraut. Koch setzte Seuchenbekämpfungsmaßnahmen durch, die von einem Bakterium als Ursache ausgingen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Trinkwasser abzukochen; Wohnungen von Erkrankten wurden von speziellen Desinfektionskolonnen gereinigt. Als einzig handlungsfähige Organisation erwiesen sich in der Krise die Sozialdemokraten, die Flugblätter mit Verhaltensratschlägen an alle Haushalte verteilten. Als die Epidemie im Oktober auslief, waren rund 8.600 Menschen gestorben. Als Faktoren, die die Cholera begünstigt hatten, wurde ermittelt, dass Tausende von Toiletten noch nicht an die Kanalisation angeschlossen waren; die Flut drückte verschmutztes Hafenwasser in die zentrale Wasser-Entnahmestelle, die zwei Kilometer flussaufwärts lag. Über den Bau einer Sandfiltrationsanlage hatten Senat und Bürgerschaft sich nicht einigen können.

Nach der Epidemie wurden eine neue Müllverbrennungsanlage und Filtrierwerke in Betrieb genommen. Unter Kochs Leitung wurden Fortbildungskurse für Medizinalbeamte angeordnet und 1893 der Koch-Schüler Bernhard Nocht auf die Position des Hafenarztes berufen. Eine weitere unmittelbare Folge der Epidemie ist auch, dass das Berufsbeamtentum in Hamburg eingeführt wurde.

1892 war die Sorge im übrigen Deutschland groß gewesen, dass die Seuche sich über Hamburg hinaus ausbreiten würde. Ein Reichsseuchengesetz wurde ausgearbeitet, das am 30. Juni 1900 in Kraft trat. Für die im Gesetz aufgeführten Krankheiten wurde eine obligatorische Anzeigepflicht vorgesehen, außerdem die Feststellung von Seuchenfällen durch bakteriologische Untersuchungen, die Absonderung von Kranken, Überwachung ansteckungsverdächtiger Personen, Beobachtung krankheitsverdächtiger Personen und verschiedene Desinfektionsmaßnahmen.

Max von Pettenkofer, Professor für medizinische Chemie in München, war noch ein prominenter Vertreter der Miasmen-Theorie. In Bezug auf die Cholera hieß das, dass Städte auf feuchtem Grund gefährdet waren, während Städte auf hartem Grund – wie etwa Würzburg – nichts zu befürchten hatten. Pettenkofer ließ sich auch durch die Entdeckung der Erreger und ihrer Infektionswege nicht umstimmen. Anlässlich der Seuche von 1892 bat er Koch um eine Kultur der Erreger, die er schluckte. Pettenkofer kam mit einem Durchfall davon, während einer seiner Assistenten beinahe gestorben wäre.[26]

Weitere Reisen nach Afrika und Indien

1896 bat die britische Regierung Koch, bei der Bekämpfung einer Viehseuche in Südafrika zu helfen. Es handelte sich um die Rinderpest, die mit importiertem Vieh eingeschleppt worden war. Koch konnte in Kimberley zwar nachweisen, dass Blut kranker Tiere hochgradig ansteckend war; da es sich um eine Viruskrankheit handelt, gelang es ihm aber nicht, den Erreger zu finden. Er entwickelte nach dem Vorbild der Pasteur-Schule einen Impfstoff aus dem Serum von überlebenden Tieren und der Galle von verendeten Tieren. Dieser Impfstoff soll wirksam gewesen sein.

Bei einem Aufenthalt in Bulawayo erreichte Koch im März 1897 die Aufforderung der deutschen Regierung, sich nach Indien zu begeben, wo die Pest ausgebrochen war. Die Reise gestaltete sich umständlich, weil wegen der Pest die direkten Schiffsverbindungen unterbrochen waren. Der Erreger war allerdings bereits bekannt (Yersin, 1894). Kochs wichtigste Beobachtung in diesem Zusammenhang war, dass einem Pest-Ausbruch ein großes Rattensterben vorausgehen konnte. Die Übertragung der Pest von Ratten auf Menschen durch den Rattenfloh wurde dann erst durch Charles Rothschild und Karl Jordan entdeckt.

Koch kehrte im Juli 1897 nach Afrika zurück, wo er in Daressalam, Deutsch-Ostafrika, Station machte. Er blieb fast ein ganzes Jahr, forschte weiter an der Pest – die auch hier vorkam –, Malaria sowie an einer Rinderkrankheit.

Robert Koch als Epidemiologe

Koch war im Rahmen der Hamburger Choleraepidemie erstmals auf das Phänomen gestoßen, dass auch gesunde Menschen Infektionserreger beherbergen können, im Sprachgebrauch der Zeit waren sie „Bazillenträger“. Vor allem aber durch eine Malaria-Expedition nach Neuguinea verlagerte sich seine Aufmerksamkeit von den Krankheitserregern auf gesunde Menschen als Überträger von Krankheitserregern – er wurde vom Bakteriologen zum Epidemiologen. Dabei erregten Krankheiten wie Malaria und Schlafkrankheit, die nicht durch Bakterien, sondern durch Protozoen ausgelöst werden, sein Interesse.

Malaria

Mit Malaria beschäftigte sich Robert Koch zum ersten Mal 1897 in Daressalam. Auch in Deutschland kam die Krankheit – hier „Wechselfieber“ genannt – durchaus noch vor. Die Kolonie mit dem größten Malaria-Problem im deutschen Kolonialreich war jedoch Kaiser-Wilhelms-Land in Deutsch-Neuguinea.[27] In den ersten Jahren der Schutzherrschaft waren hier bei den 150 Europäern an die 1.500 Malaria-Fieberanfälle registriert worden. In Finschhafen war sogar ein Drittel der Siedler an der Krankheit gestorben, so dass der Ort aufgegeben werden musste.

Das Phänomen der „erworbenen Immunität“

Bei der Untersuchung von Blut unter dem Mikroskop wird nach einer Anfärbung der Malaria-Erreger sichtbar.

In dieser Situation schickte die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Robert Koch. Er bereitete sich 1898 vor, indem er sich zunächst bei seinem Kollegen Bartolomeo Gosio in Italien auf den Stand der Wissenschaft brachte. Die Expedition erreichte am 26. Dezember 1900 das Schutzgebiet. Koch unternahm Reihenuntersuchungen an den Papua, den Ureinwohnern Neuguineas. Hierbei fiel ihm auf, dass bei ihnen Malaria-Erkrankungen nur leicht verliefen oder überhaupt nicht erkennbar waren, obwohl er die Parasiten im Blut nachweisen konnte. Die deutschen Siedler und chinesische Leiharbeiter, die nach Neuguinea gebracht worden waren, erkrankten dagegen umgehend. Je länger sie im Land verbracht hatten, desto mehr schien sich aber auch bei ihnen eine Resistenz aufzubauen.

Dies widersprach dem bis dahin in der Bakteriologie vorherrschenden Gedanken, dass eine Infektion gleichbedeutend mit einer Erkrankung sei. In der Konsequenz wurden gesunde, aber infizierte Menschen zum Objekt ärztlicher Maßnahmen. Koch empfahl Reihenuntersuchungen des Bluts auf den Malaria-Erreger und die Verteilung von Chinin an alle Infizierten. Im neuguineischen Stephansort schien sich diese Strategie auch eine Zeit lang zu bewähren.[28] Kochs Konzept wurde jedoch schließlich aus Kostengründen aufgegeben. Als wissenschaftlicher Ertrag bleibt, das Koch zum ersten Mal auf das Phänomen der erworbenen Malaria-Immunität hingewiesen hatte.

Schwarzwasserfieber

Bei einer späteren Expedition nach Deutsch-Ostafrika 1906, bei der es in der Hauptsache um die Schlafkrankheit ging, widmete sich Koch auch dem Phänomen des Schwarzwasserfiebers. Bei dieser Krankheit lösen sich die roten Blutkörperchen auf, wobei der Urin sich durch Hämoglobin beinahe schwarz färben kann. Für die Kolonisten in Deutsch-Ostafrika bildete sie die größte Bedrohung. Viele Ärzte hielten die Krankheit für eine Form von Malaria und behandelten sie mit Chinin. Koch konnte nachweisen, dass diese Hypothese und damit auch die Behandlung falsch waren. Heute gilt Schwarzwasserfieber gerade als eine Folge der Sensibilisierung durch Chinin.[29]

Die Typhus-Kampagne

Kochs Vorschläge zur Ausrottung der Malaria in Neuguinea durch massenhafte Reihenuntersuchungen und Therapie mit Chinin waren der Kolonialverwaltung zu teuer gewesen. Deswegen suchte er nach einer Krankheit, bei der er seine Ideen anwenden konnte, und fand sie 1901 im Typhus, einer Salmonellen-Erkrankung, die in Deutschland endemisch war.[30]

Koch bekleidete den Rang eines preußischen Generals à la suite, die meisten seiner Mitarbeiter kamen aus dem Militärsanitätsdienst, er selbst unterrichtete an der Militärärztlichen Akademie. Dank seiner vorzüglichen Kontakte konnte er das preußische Militär als institutionellen Partner für eine Typhus-Kampagne gewinnen, nachdem er in mehreren Vorträgen auf die Bedeutung der Krankheit als Kriegsseuche hingewiesen hatte. Als Versuchsgebiet empfahl er die Gegend von Trier bis Saargemünd, in der in den vorangegangenen drei Jahren Typhus vorgekommen war. Aus militärischer Perspektive war das Gebiet interessant, weil es sich um den Aufmarschraum des Schlieffen-Plans handelte.

Zu Zwangsmaßnahmen wurde auch in anderen Ländern gegriffen. Am bekanntesten ist der Fall von Typhoid Mary in den USA geworden: Mary Mallon – hier in Quarantäne fotografiert – wurde insgesamt 26 Jahre lang zwangsweise isoliert.

Die Typhus-Kampagne begann mit einem Vorversuch auf dem Hochwald in der Nähe von Trier. Um Typhus-infizierte Personen aufzuspüren, wurden Geistliche und Lehrer befragt, Schulversäumnislisten und Angaben von Ortskrankenkassen wurden ausgewertet. Von den Verdächtigen wurden Stuhl- oder Urinproben genommen und bakteriologisch untersucht. Kranke und gesunde Infizierte wurden isoliert, ihre Kleidung, Wäsche und die Wohnung desinfiziert. Einige der an der Kampagne beteiligten Ärzte hatten noch nie einen Typhuskranken gesehen, sondern kamen allein aufgrund bakteriologischer Technik zu ihren Urteilen. Angeblich gelang es ihnen, innerhalb von drei Monaten alle Typhusfälle „unschädlich“ zu machen. Dass es danach weiterhin zu Typhus-Erkrankungen in der Gegend kam, ignorierte Koch.

Ab 1903 wurde die Typhus-Kampagne auf ein 26.000 Quadratkilometer großes Gebiet mit rund 3,5 Millionen Einwohnern im Südwesten Deutschlands ausgedehnt. Neben den Untersuchungsstationen in Trier und Saarbrücken wurden neun weitere Stationen aufgebaut, deren ärztliches Personal zuletzt 85 Personen umfasste. Sie führten Hunderttausende von bakteriologischen Untersuchungen durch und isolierten – teilweise unter Zwang – Tausende von Verdächtigen. Gesunde Dauerausscheider wurden zur „inneren Desinfektion“ mit Rizinusöl, Bittersalz oder Natron behandelt, oder ihnen wurde sogar die Gallenblase chirurgisch entfernt, die als „Brutstätte“ der Typhusbazillen galt. Sie unterlagen einer dauernden bakteriologischen Überwachung und mussten sich bei einem Umzug polizeilich melden. Nach sieben Jahren war die Krankheitshäufigkeit auf die Hälfte gesunken.

„Seuchenbekämpfung nach den Prinzipien Kochs“

In Kochs Augen war die beim Typhus angewandte Methode der Seuchenbekämpfung auf alle Infektionskrankheiten anwendbar, was auch mit dem späteren Begriff „Seuchenbekämpfung nach den Prinzipien Kochs“ ausgedrückt wurde. Zum ersten Mal wurde die Ausrottung einer Infektionskrankheit als Ziel begriffen. 1908 organisierte das Preußische Kultusministerium eine Konferenz allein zur Bazillenträger-Frage, an der zahlreiche Koch-Schüler teilnahmen. Bazillenträger galten inzwischen als größere Gefahr als sichtlich erkrankte Personen. Menschen waren in diesem Denkstil Gefäße zur Vermehrung und Verbreitung von Bakterien.

Das Reichsseuchengesetz von 1900 enthielt keine Vorschriften, wie mit gesunden Bazillenträgern umzugehen sei, so dass nach Ansicht mancher Ärzte die getroffenen Maßnahmen keine gesetzliche Grundlage hatten. Andere argumentierten, dass man einfach die gesunden Infizierten als krank im Sinne des Gesetzes definieren sollte. Durch eine Anweisung des preußischen Ministers der Medizinalangelegenheiten wurde 1906 neben den Kranken eine neue Kategorie der Ansteckungs- und Krankheitsverdächtigen geschaffen. Der tatsächlich angewandte polizeiliche Zwang bei Isolierung und Desinfektion unterschied sich sehr je nach Krankheit und Ort.

Um die Seuchengesetze anzuwenden, wurde ebenfalls 1900 der Reichsgesundheitsrat eingerichtet. Er war mit zahlreichen ehemaligen Koch-Schülern besetzt, die den spezifischen Denkstil der Koch-Schule mitbrachten, wonach gesunde Infizierte als verdächtig galten. An den Mitgliedern des Reichsgesundheitsrats lässt sich am besten ablesen, wie sich ein Netzwerk von Bakteriologen in Hygiene- und Forschungsinstituten, der staatlichen Gesundheitsverwaltung und dem Militärsanitätsdienst ausgebildet hatte.

In der Folge wurde das Deutsche Reich mit einem Netz von Medizinaluntersuchungsämtern und hygienisch-bakteriologischen Instituten überzogen. Ein spezieller Gürtel von Untersuchungsämtern in den östlichen Provinzen diente der Abwehr von Seuchen aus dem Osten. Für die Ausbildung von Desinfektoren wurden besondere Schulen eingerichtet. 1913 gab es über 3.500 Desinfektoren im Reich.

Gescheiterte Chemotherapie der Schlafkrankheit mit Atoxyl

Collage zum Thema Bekämpfung der Schlafkrankheit durch deutsche Kolonialärzte, in der Robert Koch als Begründer dieser Forschungsrichtung dargestellt wird. Sie zeigt außerdem eine idealisierte Schlafkrankenstation, die Behandlung der Kranken, eine Tsetse-Fliege und das erste voll wirksame Medikament „Bayer 205“.

Die deutsche Öffentlichkeit reagierte seit dem Tuberkulin-Skandal auf Arzneimittelversuche am Menschen empfindlich, außerdem mussten Probanden seit 1900 aufgrund einer „Anweisung an die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten“[31] ihre Einwilligung zu Arzneimittelstudien geben. Deswegen wich Koch – wie auch zahlreiche Kollegen in der deutschen, britischen und französischen Tropenmedizin – auf die Kolonien aus, um Arzneimitteltests an Einheimischen ohne deren Einwilligung vorzunehmen. 1902 kamen alarmierende Meldungen aus Deutsch-Ostafrika, das von einer Schlafkrankheits-Epidemie bedroht zu sein schien. Tatsächlich gab es zumindest im deutschen Gebiet nur Einzelfälle, weswegen Koch, als er 1905 eintraf, schließlich auf die Sese-Inseln im Viktoria-See auf britischem Kolonialgebiet auswich.[32] (Koch unterbrach den Aufenthalt, um im Dezember 1905 den Nobelpreis entgegenzunehmen.) Dort war die Krankheit endemisch: Innerhalb weniger Jahre waren 20.000 Menschen – zwei Drittel der Inselbevölkerung – daran gestorben.

Koch experimentierte mit verschiedenen Arsenpräparaten,[33] wobei er sich auf Anregung von Paul Ehrlich[34] besonders auf Atoxyl konzentrierte. Kurzfristig besserten sich die Symptome unter der Therapie, längerfristig gelang es ihm jedoch nicht, die Parasiten aus dem Blut zu beseitigen. Koch steigerte die Dosen bis auf 1 Gramm, gespritzt in Abständen von sieben bis zehn Tagen. Die Behandlung war sehr schmerzhaft und rief Schwindelgefühle, Übelkeit und Koliken hervor. Als schließlich sogar noch irreversible Erblindungen und auch Todesfälle auftraten,[35] ging Koch mit der Dosis wieder zurück. Zahlreiche Patienten – die von den deutschen Ärzten auf britischem Kolonialgebiet nicht zwangsinterniert werden konnten – flohen vor der Behandlung.

Trypanosomen, die Erreger der Schlafkrankheit, tragen an der Seite eine typische wellenförmige Membran, mit der sie sich vorwärtsbewegen.

In seinen Empfehlungen erwog Koch, ob man nicht die Bevölkerung ganzer verseuchter Bezirke zwangsumsiedeln könne, verwarf aber diese Maßnahme als unpraktikabel. Er schlug vor, in diesen Gegenden die Wälder abzuholzen, um den Überträger der Krankheit, die Tsetse-Fliege, zu bekämpfen. Weiter empfahl er, in verseuchten Orten Reihenuntersuchungen vorzunehmen, die Infizierten „herauszugreifen“ und in „Konzentrationslagern“ zu versammeln. Obwohl Atoxyl offensichtlich unwirksam und hochtoxisch war, hielt Koch an diesem Mittel fest. Dahinter stand das Konzept, ganze Populationen zu behandeln, obwohl der einzelne Kranke von der „Therapie“ nicht profitierte und schlimmstenfalls erblindete.

Tatsächlich sind nach der Abreise Kochs drei Schlafkrankenlager mit über 1.200 Patienten eingerichtet worden. Heilerfolge gab es keine. An den veröffentlichten Statistiken fällt die extrem hohe Zahl in der Kategorie „Abgang“ auf – die Patienten hatten sich durch Flucht entzogen. In diesen Lagern wurden auch noch weitere Präparate wie Arsenophenylglycin und Arsphenamin, die aus dem Labor von Paul Ehrlich geliefert wurden, erprobt. Hierbei kam es zu weiteren Todesfällen. Nach einer Publikation in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift wurden solche Versuche vom Reichskolonialamt untersagt, und nach 1911 wurden die meisten Lager und Stationen in Deutsch-Ostafrika aufgelöst. Die brutalen Methoden, mit denen Schlafkranke zur selben Zeit in Togo zwangsbehandelt wurden, gehen nicht auf Robert Koch zurück.

Nachwirkungen

Die Koch-Schule

Koch trennte sich von vielen seiner ehemaligen Mitarbeiter im Streit. Das ändert nichts daran, dass seine Schüler Schlüsselpositionen an Universitäten und in der staatlichen Gesundheitsverwaltung besetzten und dort den spezifischen Denkstil der „Koch-Schule“ durchsetzten. Durch die Arbeit von Koch und seinen Schülern erwarb das Fach Bakteriologie innerhalb der Medizin ein Sozialprestige, wie es sonst höchstens noch der Chirurgie zukam. Herausragende Mitglieder der „Koch-Schule“ waren:

  • Emil von Behring: Begründer der Serumtherapie, Träger des ersten Nobelpreises für Medizin 1901 (1889 bis 1895 als Stabsarzt ins Institut für Hygiene der Berliner Universität abkommandiert)[36]
  • Paul Ehrlich: Begründer der Chemotherapie und Immunologie, Medizin-Nobelpreis 1908 (von 1890 bis 1896 am Institut für Infektionskrankheiten in Berlin)
  • Paul Frosch: wies zusammen mit Friedrich Loeffler den Erreger der Maul- und Klauenseuche nach und gehörte dadurch zu den Mitbegründern der Virologie (ab 1887 Assistent von Robert Koch an der wissenschaftlichen Abteilung des Instituts für Infektionskrankheiten, ab 1899 dort Vorstand)
  • Georg Gaffky: gelang 1884 die Reinzüchtung des Typhuserregers Salmonella typhi (Militärarzt, ab 1880 bis 1888 am Kaiserlichen Gesundheitsamt, gemeinsam mit Loeffler der erste Assistent von Koch, folgte Koch als Direktor des Instituts für Infektionskrankheiten)
  • Martin Kirchner: 1911–1919 Leiter der preußischen Medizinalverwaltung (1887 bis 1894 als Stabsarzt am Hygienischen Institut in Berlin)
  • Shibasaburo Kitasato: Reinkultur des Tetanuserregers Clostridium tetani, immunologische Arbeit mit Behring (1885–1892 bei Koch in Berlin)
  • Friedrich Loeffler: wies zusammen mit Paul Frosch den Erreger der Maul- und Klauenseuche nach und gehörte dadurch zu den Mitbegründern der Virologie (1879 bis 1888 als Militärarzt an das Kaiserliche Gesundheitsamt kommandiert, ab 1880 zusammen mit Gaffky der erste Assistent von Koch)
  • Bernhard Nocht: erster Direktor des Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg (von 1887 bis 1890 am Hygienischen Institut)
  • Richard Pfeiffer: entdeckte das Bakterium Haemophilus influenzae als vermeintlichen Erreger der Influenza (1887 als Militärarzt an das Berliner Hygiene-Institut abkommandiert, war dort bis 1899 Vorsteher der wissenschaftlichen Abteilung)
  • August Paul von Wassermann: entwickelte einen Test zum Nachweis der Syphilis (1891 bis 1906 am Institut für Infektionskrankheiten)

Bakterienfurcht und Chauvinismus

Koch begründete im deutschsprachigen Raum die Vorstellung, dass Bakterien gefährlich seien. Sie wurde etwa durch die „Allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens“ in Berlin verbreitet, auf der Koch 1882/83 die Gefahr mit Bakterienfotos beglaubigte. Vor allem das Bürgertum begann, einen „hygienisch sauberen“ Lebensstil anzunehmen. Dabei blieben Bakterien für Laien genauso unsichtbar, wie es zuvor die Miasmen gewesen waren. In Frankreich nahm die Mikrobiologie unter dem Einfluss von Louis Pasteur eine andere Richtung, die eher die Nützlichkeit von Mikroben – etwa bei der Herstellung von Käse, Brot oder Wein – betonte. In Deutschland galten solche Prozesse unter dem Einfluss von Justus Liebig noch lange als rein chemische Prozesse.

Mit Pasteur lieferte sich Koch ab 1881 eine Kontroverse um die Milzbrandimpfung, bei der es schwerfällt zu entscheiden, worum es inhaltlich ging. Da Frankreich seit dem Krieg von 1870/71 wieder als „Erbfeind“ galt, berichtete die Publikumspresse darüber mit stark nationalistischen Untertönen. Mit Großbritannien kooperierte dagegen Koch vorzüglich. Er forschte häufig in britischem Auftrag oder führte deutsche Forschungsaufträge auf britischem Kolonialgebiet aus. Doch dieser Aspekt seiner Arbeit ist schlecht erforscht.

Robert Kochs Leben wurde in Deutschland 1939 unter dem Titel „Robert Koch – Bekämpfer des Todes“ mit Emil Jannings in der Titelrolle verfilmt.[37] Hier wurde eine tatsächlich abgelaufene Episode aufgenommen, in der ein junger Robert Koch Rudolf Virchow seine Entdeckung des Milzbrand-Erregers präsentierte, was der Pathologe Virchow für „äußerst unwahrscheinlich“ hielt. Im Film wird suggeriert, Virchow sei Jude gewesen und habe die Karriere eines jungen arischen Wissenschaftlers zerstören wollen.[38]

Museen

Im Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité in der Humboldt-Universität zu Berlin gibt es seit 1960 eine Gedenkstätte und seit 1982 ein Museum zu Robert Koch, das aber im Lauf des Jahres 2012 aufgegeben und an das Archiv der Humboldt-Universität als Eigentümer zurückgegeben wird. Ein Museum mit dem Koch-Mausoleum gibt es auch im Robert-Koch-Institut am Berliner Nordufer.

Denkmäler, Gedenktafeln und Ehrungen

Der Robert-Koch-Lesesaal und die Robert-Koch-Bibliothek befinden sich heute im Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité in der Humboldt-Universität zu Berlin. Der 24. März wird von der WHO alljährlich als „Internationaler Tag der Tuberkulose“ begangen.

Außerdem befindet sich am National Hospital Muhimbili in Dar es Salaam, Tansania, seit 1971 die 1906 am Protestantischen Hospital angebrachte bronzene Erinnerungstafel für Robert Koch. In Wolsztyn, Polen, wo Koch als Kreisphysikus gearbeitet hatte, wurde 2005 anlässlich des 100. Jahrestages der Nobelpreisverleihung ein Denkmal aufgestellt. Ein weiteres Denkmal steht auf den Brijuni-Inseln (Kroatien).

Folgende Schulen sind nach Koch benannt:

  • Robert-Koch-Realschule, Dortmund-Renninghausen
  • Robert-Koch-Schule, Frankfurt-Höchst
  • Robert-Koch-Schule, Bonn
  • Robert-Koch-Schule, Hamburg
  • Robert-Koch-Gymnasium, Berlin
  • Robert-Koch-Gymnasium, Deggendorf
  • Robert-Koch-Schule, Clausthal-Zellerfeld
  • Robert-Koch-Schule, Heidelberg
  • Robert-Koch-Schule, Oberhausen
  • Regionale Schule Robert Koch, Grimmen

Briefmarken und Münzen

Einzelnachweise

  1. Barbara Rusch: Robert Koch. Vom Landarzt zum Pionier der modernen Medizin. München 2010, S. 19
  2. Barbara Rusch: Robert Koch. Vom Landarzt zum Pionier der modernen Medizin. München 2010, S. 19 und 20
  3. Christoph Gradmann: Laboratory Disease, Robert Koch's Medical Bacteriology. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2009, ISBN 978-0-8018-9313-1, S. 63–65.
  4. Sylvelyn Hähner-Rombach: Künstlerlos und Armenschicksal, Von den unterschiedlichen Wahrnehmungen der Tuberkulose. In: Das große Sterben, Seuchen machen Geschichte. Jovis, Berlin 1999, S. 278–307, hier S. 291
  5. Axel C. Hüntelmann: Paul Ehrlich: Leben, Forschung, Ökonomien, Netzwerke, Göttingen: Wallstein, 2011, ISBN 978-3-8353-0867-1, S. 150.
  6. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 77.
  7. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 77.
  8. Robert Koch: Die Aetiologie der Tuberculose. In: Berliner Klinische Wochenschrift. Bd. 19, Nr. 15, 1882, S. 221–230.
  9. Manfred Vasold: Robert Koch, der Entdecker von Krankheitserregern. Spektrum der Wissenschaften Verlagsgesellschaft, Heidelberg 2002, ISBN 3-936278-21-0, S. 75.
  10. Alfred Grotjahn: Erlebtes und Erstrebtes, Erinnerungen eines sozialistischen Arztes. Herbig, Berlin 1932, S. 51.
  11. Vasold: Robert Koch ... , S. 80.
  12. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 106.
  13. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 101.
  14. zitiert nach Vasold: Robert Koch ... , S. 81.
  15. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 133 f.
  16. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 136.
  17. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 100 f.
  18. Christoph Gradmann: Locating Therapeutic Vaccines in Nineteenth-Century History. In: Science in Context. Bd. 21, Nr. 2, 2008, S. 145–160, hier S. 155.
  19. Ernst Bäumler: Farben, Formeln, Forscher. Hoechst und die Geschichte der industriellen Chemie in Deutschland. Piper, München und Zürich 1989, S.67
  20. Courmont, zitiert in M. Roussel (1932) : Éloge du professeur Arloing. Bull. Acad. vét. Fr. : LXXXV, p. 429-448.
  21. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 111 f.
  22. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 184 f.
  23. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 191.
  24. Gradmann: Laboratory Disease ... , S. 37–39.
  25. Die Darstellung zur Cholera-Epidemie in Hamburg folgt Michael Dorrmann: „Das asiatische Ungeheuer“, Die Cholera im 19. Jahrhundert. In: Das große Sterben, Seuchen machen Geschichte. Jovis, Berlin 1999, S. 204–251, hier S. 237–246.
  26. Vasold: Robert Koch ... , S. 64.
  27. Die Darstellung zu Neuguinea folgt Wolfgang U. Eckart: Medizin und Kolonialimperialismus, Deutschland 1884-1945. Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1997, ISBN 3-506-72181-X, S. 402–409.
  28. Hugo Kronecker: Hygienische Topographie In: A. Pfeiffer (Hrsg.): 21. Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiete der Hygiene. Jahrgang 1903. Verlag Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig, 1905. S. 68.
  29. Vasold: Robert Koch ... , S. 98 f.
  30. Die Darstellung zur Typhus-Kampagne folgt Silvia Berger: Bakterien in Krieg und Frieden, Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland 1890-1933. Wallstein, Göttingen, 2009, ISBN 978-3-8353-0556-4, S. 143–170.
  31. http://www.drze.de/im-blickpunkt/medizinische-forschung-mit-minderjaehrigen/rechtliche-aspekte
  32. Die Darstellung in diesem Abschnitt folgt Eckart: Medizin und Kolonialimperialismus ... , S. 340–349.
  33. Wolfgang U. Eckart: Die Kolonie als Laboratorium. In: Kulturgeschichte des Menschenversuchs im 20. Jahrhundert. Hg. Birgit Griesecke, Marcus Krause, Nicolas Pethes und Katja Sabisch. Suhrkamp, Frankfurt 2009, S. 199-227, hier S. 220, nennt arsenige Säure, das arsenhaltige Nucleogen der Firma H. Rosenberg (Berlin), Arsenferratin von G. F. Boehringer und Söhne (Mannheim); außerdem Trypanrot und Afridolblau aus der Farbenfabrik von Fr. Bayer (Elberfeld). Bei den zuletzt genannten Farbstoffen traten nach der Injektion so starke Schmerzen auf, dass Koch den Versuch nicht wiederholen konnte.
  34. Axel C. Hüntelmann: Paul Ehrlich: Leben, Forschung, Ökonomien, Netzwerke, Göttingen: Wallstein, 2011, ISBN 978-3-8353-0867-1, S. 167 f.
  35. Wolfgang U Eckart: Illustrierte Geschichte der Medizin. Springer, 2010, ISBN 978-3-642-12609-3 (Seite 308 in der Google-Buchsuche).
  36. Die Angaben in diesem Abschnitt sind zusammengestellt aus Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann: Ärztelexikon: Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. C. H. Beck, München, 1995, ISBN 3-406-37485-9.
  37. Niels Martens: Robert Koch – Bekämpfer des Todes auf www.uni-kiel.de
  38. Vasold: Robert Koch ... , S. 42.

Siehe auch

  • Robert-Koch-Institut
  • Robert-Koch-Preis
  • Robert-Koch-Award

Literatur

  • Bernhard Möllers: Robert Koch. Persönlichkeit und Lebenswerk 1843–1910. Schmorl & von Seefeld Nachf., Hannover 1950.
  • Werner Friedrich Kümmel: Koch, Robert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 251–255 (Digitalisat).
  • Thomas D. Brock: Robert Koch. A Life in Medicine and Bacteriology. Science Tech, Madison (Wisconsin) 1988.
  • Manfred Vasold: Robert Koch, der Entdecker von Krankheitserregern. Spektrum der Wissenschaften Verlagsgesellschaft, Heidelberg 2002, ISBN 3-936278-21-0.
  • Christoph Gradmann: Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie. Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-922-8.
  • Johannes W. Grüntzig, Heinz Mehlhorn: Expeditionen ins Reich der Seuchen. Medizinische Himmelsfahrtskommandos der deutschen Kaiser- und Kolonialzeit. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1622-1
  • Johannes W. Grüntzig, Heinz Mehlhorn: Robert Koch. Seuchenjäger und Nobelpreisträger. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2710-6.
  • Barbara Rusch: Robert Koch. Vom Landarzt zum Pionier der modernen Medizin. Bucher, München, 2010, ISBN 978-3-7658-1823-3.

Weblinks

Commons: Robert Koch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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