Kohlmeise



Kohlmeise

Männchen der Kohlmeise (Parus major)

Systematik
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Singvögel (Passeri)
Familie: Meisen (Paridae)
Gattung: Parus
Art: Kohlmeise
Wissenschaftlicher Name
Parus major
Linnaeus, 1758
Kennzeichnend für das Männchen sind das breite Brustband und der breite schwarze Rand unterhalb der weißen Kopfseiten.
Beim Weibchen der Kohlmeise ist das Brustband schmaler und oft durchbrochen. Das schwarze Band an den Halsseiten ist schmaler oder weist – wie in diesem Fall – eine Lücke auf. Die schwarzen Partien glänzen weniger stark, als beim Männchen.
Datei:Junge Kohlmeise.jpg
Kohlmeise im Jugendkleid, vermutlich ein Männchen
Sonagramm des Gesangs der Kohlmeise
Gesang der Kohlmeise

Die Kohlmeise (Parus major) ist eine Vogelart aus der Familie der Meisen (Paridae). Sie ist die größte und am weitesten verbreitete Meise in Europa.

Beschreibung

Die Kohlmeise zählt mit 13–15 cm[1] Körperlänge zu den größeren Meisenarten und ist die größte Meise in Europa. Die Flügellänge beträgt bei Männchen etwa zwischen 71 und 82 mm, bei Weibchen etwa zwischen 69 und 81 mm. Die Schwanzlänge des Männchens liegt bei 59–66, die des Weibchens bei 55–63 mm. Das Gewicht liegt zwischen 14 und 22 g. Der 11,5–13,5 mm lange Schnabel ist verhältnismäßig kräftig und schwärzlich hornfarben bis schwarz mit etwas helleren Kanten. Die Iris ist lebhaft rötlichbraun bis schwarzbraun. Die Beine und Füße sind blaugrau bis schiefergrau.[2] Die Geschlechter sind sich sehr ähnlich, lassen sich aber unter anderem aufgrund der Ausprägung des schwarzen Brustbands unterscheiden.

Adulte Vögel

Bei adulten Männchen der Nominatform sind der Oberkopf, der obere Nacken, die Halsseiten, die Kehle und ein Band auf der Brustmitte glänzend blauschwarz. Wangen und Ohrdecken sind rein weiß und werden von den schwarzen Partien sauber eingefasst. Die Brust- und Bauchseiten sind schwefel- bis zitronengelb. Das schwarze Band in der Mitte erweitert sich zwischen den Beinen zu einem tiefschwarzen Fleck. Ein weißliches Band im Nacken trennt das Schwarz des Hinterkopfs vom Rücken und läuft nach hinten hin in ein grünliches Gelb aus. Rücken- und Schulterfedern sind sonst olivgrün mit gräulichem Anflug. Unterer Rücken, Bürzel und Oberschwanzdecken sind blaugrau mit grünlicher Tönung auf dem Bürzel. Längere Oberschwanzdecken und Steuerfedern sind dunkel blaugrau. Das mittlere Paar Steuerfedern trägt einen dunklen Schaftstrich, die übrigen schwarze Innenfahnen, das vorletzte zudem eine weiße Spitze und das äußere eine weiße Außenfahne, deren Weißfärbung sich im distalen Teil bis zur Mitte der Innenfahne ausdehnt. Die Schwanzaußenseiten erscheinen daher weiß. Die Oberflügeldecken sind graublau, wobei die Kleinen und Mittleren Armdecken etwas matter gefärbte Zentren, die Innenfahnen der Großen Armdecken und die Handdecken verdeckte schwarzgraue Zentren aufweisen. Die Großen Armdecken zeigen zudem weiße Spitzen, die eine weiße Flügelbinde bilden. Die Federn der Alula sind schwarz mit feinen weißen Säumen. Die Hand- und Armschwingen und die Schirmfedern sind überwiegend schwarzgrau. Die Schirmfedern sind zudem breit und hell grünlich gelb gesäumt mit weißem Spitzensaum. Die Schwingen sind mit Ausnahme der beiden äußeren Handschwingen schmal graublau gesäumt und weiß bespitzt, wobei die Spitzen auf den Handschwingen nur schwach ausgeprägt sind.[2][3]

Das Weibchen ähnelt stark dem Männchen, ist jedoch matter und oberseits dunkler gefärbt. Die Kopfplatte glänzt weniger stark bläulich und der Kehlfleck ist matter. Das schwarze Band, das auf den Halsseiten die Wangen einrahmt ist schmaler und manchmal unterbrochen. Das vertikale Brustband ist schmaler und matter gefärbt. Es wirkt oft an den Rändern unordentlicher und kann zum Bauch hin mit Weiß durchsetzt sein. Der dunkle Bauchfleck ist kleiner und an den Unterschwanzdecken oft mehr Weiß vorhanden. Die graublauen Säume der Armschwingen sind weniger auffällig.[2][3]

Jugendkleid

Das Jugendkleid ähnelt dem adulten Jahreskleid, ist jedoch sehr viel weniger ausgefärbt. Die Kopfseiten, das helle Band im Nacken und die Flügelbinde sind gelblich oder schmutzig weiß getönt. Die Kopfplatte und die Nackenseiten sind dunkel olivbraun bis dunkelgrau und ohne Glanz. Das dunkelgraue Brustband läuft auf der hinteren Brust aus. Das Großgefieder ist anstatt schwärzlich eher dunkelbraun. Die Säume der Oberflügeldecken und der Oberschwanzdecken sind matt olivgrün statt graublau. Die Unterschwanzdecken sind weißlich.[3][2] Der Schnabel ist im Unterschied zu adulten Vögeln eher hornfarben mit gelben Kanten und Schnabelwinkel, die Iris grauer.[2]

Die Geschlechter sind im Jugendkleid nicht leicht zu unterscheiden, die Unterschiede die im Adultkleid vorhanden sind, deuten sich jedoch bereits an. So ist das dunkle Band an den Kopfseiten unterhalb des Wangenfelds beim Weibchen nicht vorhanden, das Band auf der Brustmitte nur sehr schwach oder fehlend. Das Großgefieder wirkt matter oder bräunlicher als beim Männchen. Bestes Unterscheidungsmerkmal sind aber die Säume der Handdecken, die beim Männchen bereits bläulich und deutlich abgesetzt sind, beim Weibchen jedoch diffus bräunlich, grünlich oder blassgrau sind.[4]

Mauser

Die Jugendmauser ist eine Teilmauser, bei der große Teile des Kleingefieders sowie Schirm- und Steuerfedern zu unterschiedlichen Anteilen vermausert werden. Der Umfang der Mauser bei Daumenfittich, Handdecken und Großen Armdecken variiert ebenso wie der von Schirm- und Steuerfedern je nach geografischer Lage, wobei er bei skandinavischen Vögeln sehr gering, bei nordosteuropäischen gering und bei west- und mitteleuropäischen meist vollständig ausfällt. Auch Vögel aus Zweitbruten mausern weniger vollständig. Südliche und westliche Populationen haben die Mauser vor dem Zug abgeschlossen, nordöstliche mausern teils noch auf dem Wegzug.[5]

Die jährliche Vollmauser adulter Vögel beginnt meist kurze Zeit nach der Nestlingsaufzucht, dauert etwa 70–100 Tage und liegt zwischen Mai und Oktober[6], beginnt aber in Mitteleuropa meist im Juni. Der individuelle Mauserbeginn kann sich innerhalb einer Population über zwei Monate erstrecken. Vögel mit Zweitbruten mausern meist später. Bei Weibchen ist der Mauserzeitraum oft kürzer als bei Männchen. In Fennoskandien setzt die Mauser wegen der verkürzten Brutsaison teils schon während der Jungenaufzucht ein und erfolgt wesentlich schneller.[5]

Stimme

Die Kohlmeise verfügt über ein außerordentlich reiches, variables und differenziertes Repertoire an Lautäußerungen, das sehr gut untersucht ist.[7]

Gesang

Der Reviergesang der Männchen ist eine Reihe metallisch reiner, hoher und lauter Motive aus typischerweise zwei, manchmal aber bis vier zu Silben verschiedener Tonhöhe,[7] die beispielsweise als tsi-da … tsi-da … tsi-da (Hörbeispiel) oder zi-da-tit … zi-da-tit … zi-da-tit (Hörbeispiel) wiedergegeben werden kann. Selten sind Mischstrophen aus z. B. abwechselnd zwei- und dreisilbigen Motiven oder unterschiedlichen Rhythmen.[8] Die Motive werden jeweils bis zu zehn mal wiederholt.[9] Mit längeren Pausen dazwischen wird die ganze Reihe mehrfach, bei intensivem Reviergesang im Frühjahr auch dauerhaft und nahezu ununterbrochen vorgetragen.[7] Nach mehreren Wiederholungen folgt oft ein Wechsel in ein anderes Motiv, wobei jedes Männchen ein Repertoire von 3–7, seltener von bis zu 18 verschiedenen Strophentypen hat.[9] Neben der Anzahl der Silben variieren Tempo, Lautstärke, Rhythmus und Betonung, Tonhöhe oder -folge sowie Anzahl und Abstand der Wiederholungen. Weitere Variationen sind für das menschliche Ohr kaum oder nur als „Unreinheiten“ wahrnehmbar, könnten aber die individuellen Haupterkennungsmerkmale sein.[8] Unterzieht man das Sonagramm einer feineren Analyse, lässt sich erkennen, dass eine scheinbar simple Strophe oft recht komplex aufgebaut ist und eigentlich aus bis zu sechs oder seltener bis zu zehn zusammengezogenen Silben bestehen kann.[9]

Der Reviergesang ist in seiner Ausprägung und Wirkung sehr gut untersucht. So können reviersuchende Männchen anhand des Gesangs die Populationsdichte eines Gebietes und auch – aufgrund von Strophenlänge und Umfang des Repertoires – die Kompetenz eines Rivalen bei der Revierverteidigung abschätzen. Männchen mit großem Gesangsrepertoire sind durchschnittlich dominanter und erfolgreicher. Revierinhaber reagieren kaum auf Gesang, der dem eigenen ähnlich ist, eher geringfügig auf den Gesang ihrer Nachbarn, wohl aber auf den fremder Eindringlinge. Weibchen suchen sich meist Männchen, deren Gesang dem des Vaters am wenigsten ähnelt.[10]

Rufe

Einer der häufigsten Rufe, der meist vom Männchen und vor allem außerhalb der Brutzeit zu hören ist, ist ein metallisches pink, das für sich allein kaum vom ähnlichen Ruf des Buchfinken zu unterscheiden ist. Es wird aber oft mehrfach wiederholt oder beispielsweise als zi-pink-pink-pink (Hörbeispiel) mit anderen typischen Lauten verbunden und ist dann einfacher der Kohlmeise zuzuordnen. Dieser Ruf kann als Alarm-, Warn- oder Lockruf vorgebracht werden. Auch im Revierverhalten scheint er eine bedeutende Rolle als Ersatz des Reviergesangs außerhalb der Brutzeit zu spielen.[9][11]

Ein Ruf der Verärgerung oder Erregung bei herannahenden Bodenfeinden ist ein unmelodischer Laut, der zwischen einem schnarrenden trrrr oder einem gereihten dädädä liegen kann (Hörbeispiel). Er wird oft mit dem metallischen pink kombiniert.[11]

Brutverbreitung der Kohlmeise. Nicht verzeichnet sind hier die Brutgebiete der „Turkestanmeise“, dreier Unterarten, die nach neueren Erkenntnissen zur Kohlmeise gerechnet werden. Sie brüten in den Gebirgen und Oasen Mittelasiens südwärts bis in den Norden Afghanistans
Kohlmeise beim Sonnenbaden. Gut erkennbar sind die keilförmig weißen Schwanzaußenseiten, ein Merkmal das geografisch deutlich variiert.

Verbreitung

Das transpalärktische Verbreitungsgebiet der Kohlmeise reicht über große Teile der gemäßigten Zone und Teile der Subtropen Eurasiens – von Portugal und den Britischen Inseln im Westen bis zum Dschagdy- und Burejagebirge im Osten Asiens. Es umfasst ganz Europa mit Ausnahme von Island, Orkney und Shetland, dem äußersten Norden und einigen Hochgebirgen Fennoskandiens sowie dem Norden Russlands. Die Nordgrenze der Verbreitung folgt im Westen Russlands noch dem Nordrand der mittleren Taiga, fällt aber nach Osten hin relativ kontinuierlich nach Süden ab, so dass sie im Bereich des Stanowoigebirges entlang des Nordrands der südlichen Taiga verläuft. In Nordwestafrika reicht das Areal durch die Atlasregion, im Mittelmeer schließt das Vorkommen südwärts noch die Balearen, Sardinien, Sizilien, Kreta und Zypern ein. Im Bereich der östlichen Mittelmeerküste reicht die Verbreitung im Süden bis an den Sinai und nach Jordanien. In Asien verläuft die Südgrenze etwa durch den Süden Anatoliens, durch Aserbaidschan, zur südlichen Küste des Kaspischen Meeres und durch das Elburs-Gebirge, ein Ausläufer erstreckt sich über das Zagrosgebirge.[12] Unter Auslassung der mittelasiatischen Trockengebiete reicht das Areal über die Oasen, Wälder und Gebirge Mittelasiens bis in den Norden Afghanistans und zum Tian Shan.[13] Die dort lebenden Populationen wurden lange als eigene Art (Turkestanmeise, siehe unten) abgegliedert. Weiter östlich reicht die südliche Verbreitungsgrenze durch den Altai und südlich vom Changai- und Chentii- bis zum Großen Hinggan-Gebirge sowie von dort bis in die Region von Chabarowsk.[12]

Systematik und Geografische Variation

Bislang wurden der Kohlmeise meist 33 Unterarten zugerechnet, die in drei Subspeziesgruppen unterteilt wurden.[14] Drei weitere Unterarten wurden als eigene Art namens Turkestanmeise (Parus bokharensis) oder auch als vierte Subspeziesgruppe behandelt.[15] Untersuchungen der mitochondrialen DNA zufolge bildet die bokharensis-Gruppe (bokharensis, ferghanensis und turkestanicus) jedoch zusammen mit der major-Gruppe ein Monophylum, das sich von den beiden anderen Subspeziesgruppen deutlich abhebt. Dies wird auch durch Merkmale des Gesangs gestützt.[16] Heute werden die beiden ostpaläarktisch und indomalaiisch verbreiteten Gruppen daher als eigene Arten Parus minor und Parus cinereus anerkannt, die zusammen mit Parus major (inklusive bokharensis) eine Superspezies bilden.[17]

Bei den geografisch variierenden Merkmalen der Kohlmeise handelt es sich um die Pigmentierung der gelben Gefiederpartien und der Oberseite, die Ausdehnung der weißen Keile an Schwanzaußenseiten sowie Schnabel- und Körpergröße. Bei der letzteren ist eine leichte Größenabnahme von Nord nach Süd festzustellen, die aber bezüglich der durchschnittlichen Flügellänge nur einen maximalen Unterschied von 7 mm ausmacht und von alters- und geschlechtsbedingter Variation überlagert wird.[14] In Europa und Nordafrika nimmt von Nord nach Süd auch die Ausdehnung der weißen Schwanzaußenseiten ab, die bei tunesischen Vögeln auf ein Minimum reduziert sind. Von Kleinasien nimmt die Größe derselben dann ostwärts bis in den Südiran wieder zu, vom Nordwesten bis in den Nordosten des Irans jedoch wieder ab.[18]

Bezüglich der Intensität der Gelbfärbung sind – mit Ausnahme der nordafrikanischen Unterart excelsus, die lebhafter gefärbt ist – die südeuropäischen Unterarten blasser als die Nominatform und die sehr ähnliche Unterart newtoni. Zudem ist eine klinale (allmähliche) Abnahme der Intensität ostwärts über die Länder des nahen Ostens zu verzeichnen.[18]

Bei der bokharensis-Unterartengruppe Zentralasiens fehlt eine Pigmentierung mit gelben Lipochromen ganz – die Vögel sind unterseits nahezu weiß bis hellgrau. Der weiße Keilfleck der Schwanzaußenseiten dehnt sich mindestens über die beiden äußeren Steuerfederpaare aus. Der Schwanz ist proportional etwa um ein Viertel länger, als bei den Formen der major-Gruppe und gestuft, der Handflügel stumpf. Die Vögel dieser Gruppe werden von West nach West größer, die Schnäbel kräftiger.[19][20]

major-Gruppe

  • P. m. aphrodite Madarász, 1901 – südliches Italien und südliches Griechenland, Ägäis und Zypern
  • P. m. blanfordi Pražák, 1894 – südöstliches Aserbaidschan sowie nördliche Mitte und Südwesten des Irans
  • P. m. corsus O. Kleinschmidt, 1903 – Portugal, Südspanien und Korsika
  • P. m. ecki von Jordans, 1970 – Sardinien
  • P. m. excelsus Buvry, 1857 – von Marokko ostwärts bis in den Norden Tunesiens
  • P. m. kapustini Portenko, 1954 – südöstliches Kasachstan, äußerster Nordwesten Chinas und nordwestliche Mongolei, ostwärts bis nach Transbaikalien, zur Amurregion und zum Ochotskischen Meer
  • P. m. karelini Zarudny, 1910 – südöstliches Aserbaidschan und nördlicher Iran
  • P. m. major Linnaeus, 1758 – von Skandinavien südwärts bis zur nördlichen und mittleren Iberischen Halbinsel, Mittelitalien und Balkan, Kleinasien, Kaukasus, größter Teil Aserbaidschans sowie südliches Mittel- und Westsibirien
  • P. m. mallorcae von Jordans, 1913 – Balearen
  • P. m. newtoni Pražák, 1894 – Britische Inseln, Niederlande, Belgien und nordwestliches Frankreich
  • P. m. niethammeri von Jordans, 1970 – Kreta
  • P. m. terraesanctae Hartert, 1910 – Libanon, Syrien, Israel, Jordanien und nordöstliches Ägypten

bokharensis-Gruppe (Turkestanmeise)

  • P. m. bokharensis Lichtenstein, 1823 – südliche Mitte Kasachstans, Usbekistan, Turkmenistan und äußerster Nordosten des Irans, ostwärts bis in den Norden Afghanistans
  • P. m. ferghanensis Buturlin, 1912 – Gebirge Tadschikistans und Kirgisistans, ostwärts bis in den westlichen Tian Shan
  • P. m. turkestanicus Zarudny & Loudon, 1905 – vom südöstlichen Kasachstan ostwärts bis in den äußersten Nordwesten Chinas, möglicherweise südwestliche Mongolei

Wanderungen

Die meisten europäischen Kohlmeisen verbleiben im Winter in ihren Brutgebieten und entfernen sich selten weit von ihrem Territorium. In manchen Jahren kann es im Winterhalbjahr zu Invasionen nord- und osteuropäischer Vögel kommen.

Die Kohlmeise ist ein Teilzieher, dessen Zugverhalten insgesamt recht unüberschaubar ist und lokal, regional, großräumig und von Jahr zu Jahr stark variiert.[21] Die meisten Populationen südlicher und gemäßigter Breiten sind zum größten Teil Standvögel, die sich zudem nur selten weit von ihren Brutrevieren entfernen. So lagen etwa 80 % der Wiederfunde britischer Ringvögel innerhalb eines Radius von 10 km.[22] In Europa harren sogar nördlich des Polarkreises noch viele Kohlmeisen in den Brutgebieten aus. Oft sind Überwinterer dann an menschliche Siedlungen gebunden, jedoch scheint ohnehin das Zugverhalten vielerorts stark durch Winterfütterungen und andere anthropogene Nahrungsquellen beeinflusst zu sein. Im europäischen Teil Russlands und in Weißrußland deckt sich die Winterverbreitung mit der Verteilung größerer Siedlungen.[21]

Neben Brutvögeln höherer Lagen ziehen vor allem Teile nördlicher und östlicher Populationen regelmäßig, um extremer Kälte, heftigen Schneefällen oder der verkürzten Tageslichtspanne zu entkommen. Die Populationen des Urals ziehen beispielsweise vermutlich alljährlich und an den Küsten des Schwarzen und des Kaspischen Meeres sind offenbar regelmäßig Wintergäste festzustellen. Meist werden die Wanderbewegungen kaum wahrgenommen, da nur ein Teil der Population wandert[21], in manchen Jahren kann es jedoch bei nordosteuropäischen und sibirischen Populationen zu ausgeprägten Evasionen kommen, die offenbar zum Teil mit Fehlmastjahren der Bucheckern korrelieren. Die Zugrichtung liegt dabei meist zwischen West und Südwest, die meisten der Invasionsvögel sind einjährige Vögel mit einem hohen Anteil an Weibchen. Einige verbleiben als Brutvögel in den Winterquartieren, es scheinen aber auch viele in die angestammten Brutgebiete zurückzukehren.[22]

Lebensraum

Die Kohlmeise brütet primär in Laub- und Mischwäldern, deren Baumbestand mit 60 oder mehr Jahren alt genug ist, um ein genügendes Angebot an Nisthöhlen zu gewährleisten, wobei sie auffallend häufiger in morschen Baumstubben, als in Spechthöhlen nistet. In jüngeren Waldbeständen kommt sie nur vereinzelt vor,[23] in geschlossenen Waldgebieten besiedelt sie nur die Randbereiche,[24] Tallagen werden Bergwäldern vorgezogen. Die bevorzugte Waldzusammensetzung kann regional variieren, so finden sich in westlichen Mitteleuropa die höchsten Bestandsdichten in Eichenwäldern, weiter östlich hingegen in Nadelmischwäldern. Relativ niedrige Bestandsdichten werden in reinen Buchenwäldern erreicht; Kiefern- und Fichtenforsten sind im Allgemeinen nur sehr dünn besiedelt.[23] In Sibirien zieht die Art Birken-, Weiden- und Mischwälder den reinen Nadelwäldern aus Fichten und Tannen vor. In Zentralasien besiedelt sie vor allem flussnahe Wälder.[24]

Aufgrund ihrer großen Anpassungsfähigkeit ist die Kohlmeise aber auch in zahlreichen anderen Habitaten mit altem Baumbestand oder künstlichen Nisthöhlen zu finden. Sie besiedelt neben Feldgehölzen, Baumgruppen, Hecken mit eingestreuten Bäumen, Parks, Friedhöfen, Olivenhainen und Obstgärten auch Gärten oder Grünflächen mit Einzelbäumen inmitten von Städten. In höheren Berglagen, in ausgeräumten Kulturlandschaften oder Trockengebieten ist sie in besonderer Weise an menschliche Siedlungen gebunden.[23][24]

Die Höhenverbreitung variiert je nach geografischer Lage. So kommt die Art in Schottland nur bis 500 m, im Alpenraum meist bis 1400, seltener aber bis 1950 m, im Mittelmeerraum bis etwa 1800 m und in den Gebirgen Asiens teils bis in 3000 m Höhe vor. Bisweilen kann man sie auch noch oberhalb der Baumgrenze finden.[24]

Außerhalb der Brutzeit tritt die Kohlmeise in allen erdenklichen Habitaten auf und wurde beispielsweise auch in baumlosen Steppengebieten festgestellt.[24]

Ernährung

Kohlmeise bei der Fütterung

Die Kohlmeise ist ein Generalist und ernährt sich hauptsächlich von Insekten und Spinnentieren, im Herbst und Winter aber auch von Samen, Beeren, Knospen und Nüssen. Der Nahrungserwerb erfolgt eher in den unteren Ästen, in der Nähe des Baumstamms und gelegentlich auf dem Boden. Im Winter sind Kohlmeisen gerne an Futterstellen, wo sie am liebsten ungeröstete, ungesalzene Erdnüsse oder auch Sonnenblumenkerne fressen. In Ungarn und Polen sind Kohlmeisen beobachtet worden, die bei Nahrungsmangel im Winter Zwergfledermäuse aus ihren Höhlen holen, töten und fressen.[25]

Verhalten

Die Kohlmeise hat einen zweigipfeligen täglichen Aktivitätsrhythmus mit einem frühmorgendlichen und einem kurzen, aber markanten abendlichen Aktivitätsgipfel, wobei letzterer nur außerhalb der Brutsaison zu beobachten ist. Sie bewegt sich wie alle Meisen hauptsächlich hüpfend, auch beim Klettern an der Rinde, und hängt weniger oft als andere Meisenarten kopfüber an Zweigen.

Ein erworbenes Territorium wird gegenüber Artgenossen ganzjährig und lebenslang verteidigt. Die Kohlmeise geht in der Regel eine monogame Saisonehe ein: Die Partner verpaaren sich zu Saisonbeginn und bleiben dann für die Brutsaison zusammen.

Das Durchschnittsalter brütender Vögel betrug in einer Studie etwa 1,7 Jahre. Mehrere freilebende Individuen erreichten 10 und 11 Jahre. Der älteste beringte Vogel, der bisher gefunden wurde, war mindestens 15 Jahre alt.

Fortpflanzung

Das Nest aus Moos, Flechten, Halmen und Würzelchen wird in Baum- oder Mauerhöhlen, Nistkästen oder auch in vergleichbaren Hohlräumen der Kulturlandschaft meistens in der Höhe von drei bis fünf Metern angelegt. Ein Nistkasten für Kohlmeisen sollte ein 32 bis 34 Millimeter großes Eingangsloch haben.

Das Weibchen brütet zweimal im Jahr zwischen März und Juni. Bei Zerstörung oder Aufgabe des Nestes kann es auch noch eine Ersatzbrut geben. Die Größe der Eier beträgt etwa 18 mal 13 Millimeter. Sie sind weiß mit roten Flecken, spindelförmig mit glatter, schwach glänzender Oberfläche. Das Gelege besteht meist aus sieben bis zwölf Eiern, selten weniger. Es sind aber auch Bruten mit nur vier Eiern bekannt. Die Brutdauer von der ersten Eiablage bis zum Schlüpfen des letzten Nestlings beträgt zwischen 12 und 15 Tagen. Während der Brutdauer wird das Weibchen vom Männchen gefüttert. In der Nestlingszeit, die 16 bis 21 Tage dauert, werden die Jungen von beiden Eltern gefüttert.

Für die Kohlmeise ist der Zusammenhang zwischen Reproduktionserfolg und Partnertreue gut belegt. In einer auf Gotland durchgeführten Studie wurden über einen Zeitraum von vier Jahren regelmäßig die Eier von bestimmten Paaren entfernt und anderen Nestern beigelegt, um festzustellen, welchen Einfluss dies auf das Paarungsverhalten hat. Paare, deren Eier entfernt wurden, trennten sich dabei deutlich häufiger als solche, denen die Eier zusätzlich ins Nest gelegt wurden.[26]

Bestand

In Deutschland wird die Kohlmeise mit 4,6 bis 5,7 Millionen Brutpaaren im Jahr 2008 als vierthäufigste Brutvogelart angesehen.[27]

Literatur

  • Urs N. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer: Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 13/I, Passeriformes (4. Teil): Muscicapidae – Paridae, AULA-Verlag, Wiebelsheim 1993/2001, ISBN 3-923527-00-4, S. 678–808
  • S. Harrap, D. Quinn: Chickadees, Tits, Nuthatches and Treecreepers, Princeton University Press, Princeton/New Jersey 1995. ISBN 0-691-01083-8

Einzelnachweise

  1. L. Svensson, P. J. Grant, K. Mularney, D. Zetterström: Der neue Kosmos-Vogelführer, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07720-9, S. 316
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Harrap/Quinn (1995), S. 361, siehe Literatur
  3. 3,0 3,1 3,2 Glutz von Blotzheim, S. 685, siehe Literatur
  4. Harrap/Quinn (1995), S.354, siehe Literatur
  5. 5,0 5,1 Glutz von Blotzheim, S. 693f, siehe Literatur
  6. Harrap/Quinn (1995), S. 361, siehe Literatur
  7. 7,0 7,1 7,2 E. Tretzel in Glutz von Blotzheim, S. 696f
  8. 8,0 8,1 E. Tretzel in Glutz von Blotzheim, S. 698
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 Harrap/Quinn (1995), S. 354f
  10. E. Tretzel in Glutz von Blotzheim, S. 700f
  11. 11,0 11,1 E. Tretzel in Glutz von Blotzheim, S. 701f
  12. 12,0 12,1 Glutz von Blotzheim, S. 678, 680 (Karte) und 714f
  13. Harrap/Quinn (1995), S. 88 und 367f, siehe Literatur
  14. 14,0 14,1 Harrap/Qinn (1995), S. 361f, siehe Literatur
  15. Jürgen Haffer, Urs Glutz in Glutz von Blotzheim, S. 678f, siehe Literatur
  16. Martin Päckert, Jochen Martens: Taxonomic pitfalls in tits – comments on the Paridae chapter of the Handbook of the Birds of the World, Ibis 150, 2008, S. 829–831 (PDF, abgerufen am 3. Dezember 2012)
  17. IOC World Bird List, Version 3.2, abgerufen am 3. Dezember 2012
  18. 18,0 18,1 Jürgen Haffer, Urs Glutz in Glutz von Blotzheim, S. 681f, siehe Literatur
  19. Harrap/Quinn (1995), S. 90–91 und 367–371, siehe Literatur
  20. Jürgen Haffer, Urs Glutz in Glutz von Blotzheim, S. 682, siehe Literatur
  21. 21,0 21,1 21,2 H. Hudde in Glutz von Blotzheim, S. 720f, siehe Literatur
  22. 22,0 22,1 Harrap/Quinn (1995), siehe Literatur
  23. 23,0 23,1 23,2 Glutz von Blotzheim, S. 737f, siehe Literatur
  24. 24,0 24,1 24,2 24,3 24,4 Harrap/Quinn (1995), S. 357, siehe Literatur
  25. Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft
  26. Joan Roughgarden: Evolution's Rainbow: Diversity, Gender, and Sexuality in Nature and People. University of California Press, Berkeley 2004, ISBN 0-520-24073-1, S. 55
  27. C. Sudfeldt, R. Dröschmeister, C. Grüneberg, S. Jaehne, A. Mitschke, J. Wahl: Vögel in Deutschland 2008. Herausgegeben von DDA, BfN und LAG VSW, Münster 2008, Seite 7.

Galerie

Weblinks

Wiktionary: Kohlmeise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Kohlmeise – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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