Systematik (Biologie)


Systematik (von altgriechisch συστηματικός {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) ‚geordnet‘) oder Biosystematik ist ein Fachgebiet der Biologie. Die klassische Systematik beschäftigt sich hauptsächlich mit der Bestimmung und Benennung der Lebewesen (Taxonomie). Die moderne Systematik (Stuessy 1990)[1] umfasst zudem die Rekonstruktion der Stammesgeschichte der Organismen (Phylogenie) sowie die Erforschung der Prozesse, die zu der Vielfalt an Organismen führen (Evolutionsbiologie) und wird daher auch als natürliche Systematik bezeichnet.

Geschichte

Aristoteles

Aristoteles ordnete die ihm bekannten Lebewesen in einer Stufenleiter (Scala Naturae) nach dem Grad ihrer „Perfektion“, also von primitiven zu höher entwickelten. Er führte für einzelne Gruppen Bezeichnungen ein, die heute noch Verwendung finden (Coleoptera, Diptera). In der Antike wurde beispielsweise die Wuchsform (Kraut, Staude, Strauch, Baum) oder Lebensweise (Nutztier, Wildtier, Wassertier) als Einteilungskriterium benutzt.

Carl von Linné

Carl von Linné verwendete in seinen Werken Species Plantarum (ab 1753) und Systema Naturae (ab 1758) eine binäre Nomenklatur zur Benennung der Arten. Hauptzweck dieser Nomenklatur ist die eindeutige Benennung der Arten unabhängig von ihrer Beschreibung.

Linnés Systematik der Pflanzen

Linné benutzte den Blütenaufbau, um die Pflanzen zu klassifizieren. Er teilte die Pflanzen in 24 Klassen ein – prinzipiell nach Anzahl und Gestalt der Stamina. Linnés System entsprach den Erfordernissen seiner Zeit, in welcher Naturforschenden immense neue Erfahrungsräume eröffnet wurden. Entdeckungs- und Handelsreisen konfrontierten die europäischen Biologen mit einer gewaltigen Anzahl an neuen Arten, welche beschrieben und klassifiziert werden wollten. Linnés System wurde nach 1850 nicht mehr benutzt, weil es kein natürliches System darstellte. Mit dem Erscheinen von Darwins Origin of Species wurde Linnés Sexualsystem völlig obsolet, da man von nun an die Lebewesen nach ihrer phylogenetischen Stellung (einem natürlichen System) ordnen wollte. Linnés Klassifizierung der tieferen taxonomischen Ränge (Art, Gattung) haben häufig bis heute ihre Gültigkeit. Dies rührt daher, dass Linnés Kriterium des Blütenbaus stark mit dem Prozess der Artbildung (bei Blütenpflanzen) zusammenhängt - Veränderungen der Blütenmorphologie, des Bestäubungsmechanismus etc. führen oft unmittelbar zu neuen Arten.

Linnés Systematik der Tiere

Ganz anders ist es mit seinem System für Tiere. Grundkonzept ist dabei die typologische Definition der Art, das heißt die Reduzierung der Merkmalsfülle auf einige wenige Schlüsselmerkmale und die Abstrahierung von den Variationsmöglichkeiten innerhalb einer Art auf einen Typus („idealistische Morphologie“). Seine Gruppierung spiegelte für die niedrigen Taxa wie Art und Gattung durchaus ein natürliches System wider. Doch hatte auch Linné bereits erkannt, dass seine Einteilung für höhere Taxa aufgrund der recht willkürlichen Kriterien ein künstliches System blieb. Denn bei alledem ging Linné von der Unveränderlichkeit der Arten aus und beabsichtigte nicht, ein phylogenetisches System zu schaffen. Dieses bot dann später erst Begründung und Maßstab für die Natürlichkeit des Systems.

Evolutionstheorie

Seit dem Aufkommen der Evolutionstheorie ist man nun bestrebt, dieses teilweise künstliche System in ein natürliches System umzubauen, das die Abstammungsverhältnisse (Phylogenetik) besser widerspiegelt. Dabei spielte zunächst die Homologisierung von Organen eine große Rolle. Seit den 1970er Jahren untersucht man den Aufbau der Proteine, um daraus Hinweise auf den Verwandtschaftsgrad abzuleiten. Dazu werden nicht nur morphologische und anatomische, sondern auch biochemische (Chemosystematik), physiologische, cytologische und ethologische Merkmale herangezogen. Vor allem wird die genetische Ähnlichkeit benutzt, um Verwandtschaftsbeziehungen direkt am Erbgut festzustellen.

Die Rolle der Systematik für das Verständnis der Geschichte der Organismen beschreibt bereits Charles Darwin in seinem Buch Entstehung der Arten: „Wenn wir von dieser Idee ausgehen, dass das natürliche System, soweit es durchgeführt werden kann, genealogisch angeordnet ist … so verstehen wir die Regeln, die wir bei der Klassifikation befolgen müssen.“

Taxonomie-Konzepte

Peter Ax setzt Taxonomie und Systematik gleich, Ernst Mayr unterscheidet die Systematik als Wissenschaft von der Vielgestaltigkeit der Organismen von der Taxonomie als Lehre von der Klassifikation der Organismen.

Entsprechend den unterschiedlichen theoretischen Ansätzen gibt es verschiedene Richtungen in der Systematik:

Klassische evolutionäre Klassifikation

Ernst Mayr legt seiner Systematik das biologische Artkonzept zu Grunde. Bei der Einordnung der Organismen wird sowohl das Ausmaß der Divergenz als auch die Verzweigungsreihenfolge berücksichtigt.

Beispiel: Zwar wird die Verzweigungsreihenfolge des phylogenetischen Systems anerkannt (Krokodile und Vögel (Aves) haben einen jüngeren gemeinsamen Vorfahren als die Vögel mit den übrigen Reptilien), der Erwerb des Vogelfluges wird aber als bedeutende Neuerung angesehen, die zu einer adaptiven Radiation führte. Entsprechend wird der Klasse Reptilia die Ordnung Crocodilia zugeordnet und der Klasse der Vögel (Aves) gegenübergestellt, wodurch sich paraphyletische Taxa ergeben.

Numerische Taxonomie (Phänetik)

In der numerischen Taxonomie wird auf phylogenetische Annahmen verzichtet. Die Einordnung der Arten in das System erfolgt nur auf Grund messbarer Unterschiede und Ähnlichkeiten anatomischer Merkmale. Ursprüngliche und abgeleitete Merkmale werden nicht voneinander unterschieden.

Die Phänetik ist in weiten Teilen durch die Kladistik abgelöst worden. Trotzdem verwenden einige Biologen weiterhin phänetische Methoden wie Neighbour-Joining-Algorithmen, um eine genügende phylogenetische Annäherung zu erhalten, wenn die kladistischen Methoden rechnerisch zu aufwändig sind.

Konsequent phylogenetische Systematik

Nach Willi Hennig werden die Taxa nur von Arten gebildet, die eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft, ein Monophylum, bilden. Die kleinste Einheit der phylogenetischen Systematik ist das Taxon Art. Als Monophylum wird die oberhalb der Artenebene gelegene Einheit der organismischen Natur bezeichnet, die aus allen Nachkommen einer (Stamm-)Art und der Stammart selbst besteht. Der typologische und biologische Begriff der Art wird als unzureichend abgelehnt.

An die Stelle des typologischen Artkonzeptes tritt das phylogenetische Artkonzept. In diesem Konzept werden Arten zusammengefasst, die durch Synapomorphien charakterisiert sind und von Arten mit Autapomorphien unterschieden werden. Eine Autapomorphie ist eine evolutionäre Neuheit eines Taxons, das dieses anderen Taxa gegenüber abgrenzt und somit dessen evolutionäre Einmaligkeit begründet. Eine Synapomorphie stellt ein Merkmal dar, welches nur den direkt aus der Stammart entstandenen Arten gemein ist. Ein bei zwei Taxa auftretendes Merkmal, das in einer früheren Stammart der gemeinsamen Stammlinie evolviert wurde und im Außengruppenvergleich auch bei anderen Taxa zu finden ist, wird Plesiomorphie genannt. Eine Art hört dann auf zu existieren, wenn sie durch Speziation (Artaufbildung) in zwei neue Arten übergeht. Als natürliches System ergibt sich ein dichotomes Kladogramm (Näheres siehe Kladistik).

Beispiel:

Phylogenetisches System der Sauropsida (Version 1)

Künftige Taxonomie aufgrund von DNA-Basensequenzen

Künftig sollen die Unterschiede der einzelnen Arten aufgrund genetischer Vergleiche systematisch für alle bekannten Spezies erarbeitet werden (siehe DNA-Barcoding). Man verspricht sich davon ein besseres Verständnis der Evolution.

Der Erfolg und Zweck einer rein genetischen Bearbeitung der Artenvielfalt ist jedoch umstritten. Die verschiedenen Artkonzepte sind nicht universell anwendbar, da es sich bei den Artkonzepten um Konstrukte mit empirischen Grundlagen handelt. Eine scharfe Trennung zwischen Arten durch genetische Methoden wird im Rahmen der bisher angewandten Artkonzepte vermutlich scheitern, da eine einheitliche Methode nicht über alle Taxa hinweg anwendbar ist. Ob sich ein rein genetisches Artkonzept durchsetzen wird, durch das man Arten nach absolut messbaren genetischen Unterschieden kategorisieren kann, ist genauso fraglich.

Beispiel Mensch: klassische evolutionäre Klassifikation

Als detailliertes Beispiel die Klassifikation des Menschen. Der Übersicht halber werden z. B. Überfamilie/Familie/Unterfamilie zu "Familie" gruppiert. Dies verdeutlicht die grobe Einteilung Reich > Stamm > Klasse > Ordnung > Familie > Gattung.

Zu beachten ist, dass nicht für alle Arten dieselbe feine Einteilung benötigt wird. Bei Säugetieren wird z. B. der Überstamm nicht verwendet. (→ Systematik der Vielzelligen Tiere.)

Taxonomie und Systematik in Forschung und Wissenschaft

Taxonomie und Systematik sind Felder der klassischen, organismischen Biologie. In Deutschland geht der Anteil der taxonomischen Ausbildung an den Universitäten zurück und damit auch der Anteil guter Taxonomen innerhalb der Biologen und Ökologen.[2] Die Bedeutung guter taxonomischer Aufarbeitung in Sammlungen und im Feld wurde bei der Umsetzung der Konvention zur Biologischen Vielfalt CBD bewusst: Um Arten, Populationen und Lebensräume zu schützen, müssen die Akteure die Tier- und Pflanzenarten sicher bestimmen können.

Siehe auch

Literatur

  • Tod F. Stuessy: Plant taxonomy - the systematic evaluation of comparative data. Columbia Univ. Press, New York 1990, ISBN 0-231-06784-4
  • Guillaume Lecointre, H. Le Guyader: Biosystematik. Springer, Berlin 2006, ISBN 3-540-24037-3
  • Alexander Rian: Lateinische Namen: Unverstanden - Unverzichtbar, Sinn und Zweck der wissenschaftlichen Namensgebung. Reptilica Jahreskatalog. Zirndorf 2006. (Auf einfache und verständliche Weise werden die Grundlagen der Systematik der Herpetologie vermittelt)
  • Bernhard Wiesemüller, Hartmut Rothe: Phylogenetische Systematik. Springer Verlag, 2003; ISBN 3-540-43643-X. Plesmiomorphie und Apomorphie; Google Books

Einzelnachweise

  1. Tod F. Stuessy: Plant taxonomy – the systematic evaluation of comparative data. Columbia University Press, New York, 1990, ISBN 0-231-06784-4.
  2. http://www.youtube.com/watch?v=QWExOYClbvA

Weblinks