Genetische Vielfalt schützt vor Krankheiten



Bio-News vom 23.05.2018

Nicht der Fitteste überlebt, sondern Vielfalt ist Trumpf: Einem Team von Forschenden des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ist es gelungen, experimentell nachzuweisen, dass genetische Diversität Populationen zu einer besseren Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten verhilft.

Warum sind Tier- und Pflanzenarten auf der ganzen Welt auch innerhalb einer Spezies mit einem uneinheitlichen Erbgut ausgestattet, obwohl sich doch eigentlich der „fitteste“ Genpool durchsetzen müsste? Eine gängige Theorie in der Evolutionsbiologie besagt, dass sie so besser auf Veränderungen in ihrer Umwelt, wie etwa das Auftreten einer Krankheit, reagieren können. Diese Theorie experimentell zu beweisen, ist jedoch nicht ganz einfach: Bei den meisten Tier- und Pflanzenarten lässt sich kaum beobachten, wie evolutionäre Entwicklungen ihren Lauf nehmen – die Generationszyklen sind dafür einfach zu lang.

Evolutionärer Wechsel in Echtzeit

Ein Team um IGB-Forscher und Evolutionsökologe Dr. Ramsy Agha hat nun die Evolution der parasitären Pilzart Rhizophydium megarrhizum untersucht. Dieser Pilz befällt die in vielen Gewässern verbreitete Cyanobakterienart Planktothrix. Das Team setzte den Parasiten Wirtspopulationen mit genetisch identischen Individuen sowie Wirtspopulationen mit genetisch unterschiedlichen Individuen aus. Da sich die Pilze schnell vermehren, etwa einmal täglich, beobachteten die Forscherinnen und Forscher die Versuchsanordnungen über einen Zeitraum von insgesamt 200 Tagen. „Wir wollten den evolutionären Wechsel quasi in Echtzeit und unter kontrollierten Bedingungen beobachten, um herauszufinden, ob und wie rasch sich die Parasiten an genetisch gleichartige und diverse Wirte anpassen“, erklärt Ramsy Agha.

Während die Forscherinnen und Forscher die Anpassung von Rhizophydium megarrhizum zuließen, hielten sie die Wirtspopulationen in evolutionärem Stillstand. „Wir konnten zeigen, dass sich die Pilze sehr schnell, also innerhalb von nur drei Monaten, an die Wirte mit genetisch gleichartiger Ausstattung anpassen“, berichtet Agha. Diese Anpassung zeigt sich darin, dass es die Parasiten schneller schafften, sich an die Wirte anzuheften und deren Abwehrmechanismen zu überwinden, und sich so rascher vermehren konnten.


Die Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme zeigt zwei cyanobakterielle Filamente in 6000-facher Vergrößerung. Das untere Filament wurde von mehreren Chytrid-Sporen – die runden Strukturen an der Spitze des Filaments – infiziert. Der Parasit dringt in das Filament ein, nimmt die Nährstoffe aus seinem Inneren auf und nutzt sie für sein Wachstum. So können sich die Sporen zu größeren Strukturen entwickeln. Wenn die sogenannten Sporangien ausgereift sind, setzen sie neue Sporen frei, die andere Wirte infizieren können

Publikation:


Agha R, Gross A, Rohrlack T and Wolinska J
Adaptation of a Chytrid Parasite to Its Cyanobacterial Host Is Hampered by Host Intraspecific Diversity
Front. Microbiol. 9:921

DOI: 10.3389/fmicb.2018.00921



Genetische Diversität bei der Wirtspopulation behindert Anpassung der Parasiten

Wiesen die Cyanobakterien allerdings ein uneinheitliches Erbgut auf, traten diese Effekte nicht ein. Dem Parasiten gelang die Anpassung nicht, der Krankheitszustand blieb stabil. Die genetische Diversität bei Cyanobakterien verlangsamt offensichtlich die Anpassung der Parasiten und erhöht die Widerstandsfähigkeit der Bakterien gegen Krankheiten.

„Unsere Ergebnisse sind auch generell bedeutsam für die Ökosystemforschung, denn sie helfen uns zu erklären, warum eine hohe Diversität in Populationen für deren Erhalt wertvoll sein könnte“, sagt Agha. Als nächstes wollen er und sein Team untersuchen, welche Auswirkungen es hat, wenn sich nicht nur der Parasit, sondern auch die Wirtspopulation an veränderte Bedingungen anpassen darf. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich weitere Erkenntnisse darüber, wie Krankheit – gemeinhin als negatives Phänomen wahrgenommen – ein wichtiger natürlicher Prozess ist, der biologische Vielfalt fördert und erhält.

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