Sitagliptin


Strukturformel
100%
Allgemeines
Freiname Sitagliptin
Andere Namen

(R)-3-Amino-1-[3-(trifluormethyl)- 5,6,7,8-tetrahydro[1,2,4]triazol[4,3-a]pyrazin-7-yl]- 4-(2,4,5-trifluorphenyl)butan-1-on

Summenformel C16H15F6N5O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 486460-32-6
PubChem 4369359
DrugBank DB01261
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

A10BH01

Wirkstoffklasse

Antidiabetika, Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase 4

Wirkmechanismus

Kompetitive Hemmung der Dipeptidylpeptidase 4

Eigenschaften
Molare Masse 407,31 g·mol−1
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Sitagliptin ist ein oral wirksamer Arzneistoff zur Behandlung der nicht-insulinpflichtigen Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ 2).

Sitagliptin ist der erste zugelassene Vertreter der neuartigen Wirkstoffgruppe der Inhibitoren der Dipeptidylpeptidase 4, die neben den Inkretinmimetika auf der Wirkung des Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) beruhen. Sitagliptin wurde von MSD Sharp & Dohme entwickelt.

Wissenschaftliche Grundlagen

Wirkmechanismus

Die Wirkung von Sitagliptin beruht auf der Hemmung des Enzyms Dipeptidylpeptidase 4, das für den Abbau des Hormons Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) verantwortlich ist. Da das von den L-Zellen der Darmschleimhaut gebildete GLP-1 die Freisetzung des blutzuckersenkenden Hormons Insulin anregt und die Sekretion des Insulin-Gegenspielers Glucagon reduziert, führt eine Hemmung der Dipeptidylpeptidase 4 durch Sitagliptin zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels bei diabetischen Patienten. Die Wirkung des GLP-1 im Rahmen der Insulinantwort wird als Inkretin-Effekt bezeichnet.

Pharmakokinetik

Die maximale Plasmakonzentration nach Aufnahme von 100 Milligramm Sitagliptin wird nach ein bis vier Stunden erreicht. Die Plasmahalbwertzeit liegt bei rund zwölf Stunden. Für die absolute Bioverfügbarkeit nach oraler Aufnahme wurde ein Wert von 87 Prozent bestimmt. Die Bindung an Plasmaproteine ist mit rund 38 Prozent gering, das Gesamtverteilungsvolumen beträgt 198 Liter. Der mit 79 Prozent größte Teil der Substanz wird unverändert mit dem Urin ausgeschieden, nur ein kleiner Teil wird über Metabolisierungsreaktionen chemisch verändert. Hauptverantwortlich für die Metabolisierung sind die Cytochrom-P450-Enzyme CYP3A4 und CYP2C8.

Chemie

Der IUPAC-Name von Sitagliptin lautet (R)-7-[3-Amino-1-oxo- 4-(2,4,5-trifluorophenyl)butyl]- 5,6,7,8-tetrahydro-3- (trifluoromethyl)- 1,2,4-triazolo[4,3-a]pyrazin. Der Feststoff liegt als Phosphat in Monohydratform vor und ist ein weißes, kristallines und nicht hygroskopisches Pulver. Die Summenformel der Verbindung ist C16H15F6N5O · H3PO4 · H2O, die molare Masse beträgt 523,32 g/mol. Sitagliptin ist löslich in Wasser, gering löslich in Methanol, sehr gering löslich in Ethanol, Aceton und Acetonitril und unlöslich in Isopropanol.

Der Green Presidential Award 2010 des US Präsidenten wurde den Firmen Merck und Codex für die verbesserte grüne Synthese von Sitagliptin zugesprochen [2] Sitagliptin weist in der Synthese eine schwierige stereoselektive Transaminierung eines Enamin auf. In der chemischen Synthese muss ein Kristallisationsschritt und eine bei 250 psi (~17 Bar) notwendige Hydrierung bei Einsatz eines Rhodiumkatalysators durchgeführt werden. In der enzymatisch katalysierten Reaktion wird diese Enaminreduktion durch eine Transaminierung eines Keton gelöst, das einfacher zugänglich ist. Durch Proteinmodelling wurde eine optimierte Transaminase entwickelt, die um Faktor 25.000 effizienter als der Wildtyp war und stereoselektiv das R-Enantiomer des Sitagliptin biotransformierte. So konnte die Produktivität um 56 %, die Ausbeute um mehr als 10 % gesteigert und die Abfallmenge um 20 % reduziert werden.

Therapeutische Anwendung

Sitagliptin wird zur Behandlung des nicht-insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt und im Regelfall einmal täglich in einer Einzeldosis von 100 Milligramm eingenommen. Es dient nicht vorrangig zur kurzfristigen Behandlung von Hyperglykämien oder zum gezielten Einsatz vor Mahlzeiten, sondern zur Verbesserung der körpereigenen Insulinantwort bei einer längerfristigen Behandlung.

Zulassungsstatus

Sitagliptin wurde im Oktober 2006 von der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) sowohl für eine Monotherapie als auch für die Anwendung in Kombination mit Metformin oder Glitazon zugelassen. Im März 2007 erteilte die Europäische Kommission die Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union (EU), wo Sitagliptin für die Anwendung in Kombination mit Metformin oder einem Thiazolidin (Insulin-Sensitizer) zugelassen ist. Als bisher einziger DPP-4-Hemmer ist Sitagliptin auch in Monotherapie (bei Metformin-Unverträglichkeit), in Dreierkombination mit Metformin und Thiazolidin oder Sulfonylharnstoff sowie kombiniert mit Insulin (mit und ohne Metformin) zugelassen.[3][4][5]

Sitagliptin ist das erste zugelassene orale Antidiabetikum, das über die Hemmung der Dipeptidylpeptidase 4 wirkt, und stellt damit die Leitsubstanz einer neuen Klasse von Wirkstoffen dar, die als Dipeptidyl-Peptidase-Hemmer oder DPP-4-Inhibitoren bezeichnet werden. Weitere Substanzen aus dieser Gruppe sind Vildagliptin, Saxagliptin und Alogliptin. DPP-4-Inhibitoren sind die zweite Wirkstoffgruppe neben den Inkretinmimetika, die auf dem Inkretin-Effekt beruhen.

Therapeutischer Nutzen

Sitagliptin zur Therapie des Typ 2-Diabetes kommt als Alternative zur Insulintherapie in Betracht, wenn andere orale Antidiabetika in Mono- oder Kombinationstherapie versagen. Eine antidiabetische Sitagliptin-Monotherapie, primär bei einem neuentdeckten Diabetes oder sekundär bei Versagen anderer oraler Antidiabetika, ist zwar in den USA, nicht aber in Europa zugelassen.

In klinischen Studien zeigte sich, dass der Effekt von GLP-1 vom Blutzuckerspiegel abhängig ist. Da die Wirkung von Sitagliptin über das GLP-1 erfolgt, besteht bei einer Behandlung mit Sitagliptin im Gegensatz zu einigen bisher zugelassenen oral einzunehmenden antidiabetischen Medikamenten praktisch kein Risiko einer Unterzuckerung bei einer Überdosierung. Gegenüber dem Inkretin-Mimetikum Exenatid hat Sitagliptin für die Patienten den Vorteil, dass es nicht gespritzt werden muss, sondern in Tablettenform eingenommen werden kann.

Die für Exenatid beobachtete Senkung des Körpergewichts konnte für Sitagliptin nicht gezeigt werden. Andererseits kommt es bei einer Behandlung mit Sitagliptin auch nicht zu einer Gewichtszunahme, einer häufigen Begleiterscheinung mancher anderer oraler Antidiabetika. Darüber hinaus haben einige Studien Hinweise erbracht, dass die Dipeptidyl-Peptidase-Hemmer wie die Inkretin-Mimetika positive Effekte auf die insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse haben und diese möglicherweise vor einem Funktionsverlust schützen beziehungsweise diesen hinauszögern. Die tatsächliche klinische Relevanz dieser Beobachtung ist jedoch unklar.

Studien mit harten klinischen Endpunkten, die eine langfristig schützende Wirkung des Medikaments belegen, liegen derzeit nicht vor.

Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Interaktionen

Kontraindikationen sind Niereninsuffizienz, Schwangerschaft und Stillzeit. An Nebenwirkungen traten Kopfschmerzen, Erkältungen und Infektionen der oberen Atemwege bei den mit Sitagliptin behandelten Patienten etwas häufiger als unter Placebo auf. Für das Herzglykosid Digoxin zeigte sich ein leichter Anstieg des Plasmaspiegels bei gleichzeitiger Gabe mit Sitagliptin, für den allerdings im Normalfall keine Anpassung der Dosierung beider Medikamente empfohlen wird. Es sind Einzelfälle von akuter Pankreatitis beschrieben.[6]

Handelsnamen

Monopräparate

Januvia (D, A, CH), Tesavel (A), Xelevia (D, A, CH)

Kombinationspräparate
  • mit Metformin: Efficib (A), Janumet (D, A, CH), Velmetia (D, A, CH),

Weblinks

Literatur

  • D.J. Drucker & M.A. Nauck (2006): The incretin system: glucagon-like peptide-1 receptor agonists and dipeptidyl peptidase-4 inhibitors in type 2 diabetes. In: Lancet. Bd. 368, S. 1696–1705. PMID 17098089 doi:10.1016/S0140-6736(06)69705-5

Einzelnachweise

  1. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  2. EPA Information vom 10. August 2011 (engl.).
  3. Fachinformation Januvia, Version November 2010.
  4. Fachinformation Galvus, Version Juni 2010.
  5. Fachinformation Onglyza, Version Februar 2011.
  6. FDA Safety Information vom 28. September 2009 (engl.).

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