Lysosom

Übergeordnet
Organell
Untergeordnet
Lysosomenmembran
Lysosom-Glycocalyx
Lumen
Proteinkomplexe
Gene Ontology
QuickGO
Organisation einer typischen eukaryotischen Tierzelle

Lysosomen sind Zellorganellen in tierischen Zellen. Es handelt sich dabei um von einer einfachen Biomembran umschlossene Vesikel mit saurem pH-Wert. Sie enthalten Verdauungsenzyme und werden teilweise im Golgi-Apparat gebildet. Die Funktion der Lysosomen besteht darin, Biopolymere in ihre Monomere zu zersetzen.[1] In Pflanzenzellen wird diese Funktion von den Vakuolen erfüllt.[2][3]

Aufbau

Lysosomen haben einen Durchmesser von 0,1–1,1 μm. Sie enthalten zur intrazellulären Verdauung von Material viele verschiedene hydrolysierende Enzyme wie Proteasen, Nukleasen und Lipasen. Diese Enzyme dienen der Hydrolyse von Proteinen, Polysacchariden, Nucleinsäuren und Lipiden, also aller wichtigen Gruppen von Makromolekülen. Diese erreichen nur eine hohe Aktivität in einer sauren Umgebung mit einem pH von 4,5–5. Dies dient dem Schutz der Zelle bei einem Aufbruch eines Lysosoms. In einem solchen Fall wären die Enzyme im pH-neutralen Milieu des Cytosols inaktiv. Dies ist ein Beispiel für die Wichtigkeit der Kompartimentierung innerhalb der Zelle. Der niedrige pH-Wert innerhalb der Lysosomen wird durch die Lysosomenmembran aufrecht gehalten. Lysosomen sind von einer Membran mit spezifischer Proteinausstattung umgeben. Eine V-Typ-ATPase transportiert pro ATP-Molekül zwei Protonen (H+) in die Lysosomen. Die Membranproteine sind auf der Innenseite zum Schutz vor der Selbstverdauung stark glykosyliert.

Entstehung

Die hydrolytischen Enzyme und die Lysosomenmembran werden vom rauen (granulären) endoplasmatischen Retikulum gebildet und zum Golgi-Apparat transportiert. Die lysosomalen Enzyme erfahren im trans-Golgi-Apparat eine Sortierung und werden gezielt in Vesikel verpackt und zu den späten Endosomen transportiert. Im Fall der Hydrolasen ist ein spezifisches Signal bekannt: Mannose-6-phosphat-Gruppen (M6P) an ausschließlich Stickstoff-gekoppelten Oligosacchariden. Diese Modifikation findet im cis-Golgi-Apparat statt und wird von zwei Enzymen katalysiert: Eine Phosphotransferase erkennt, dass es sich um ein lysosomales Enzym handelt und heftet N-Acetylglucosamin-1-phosphat an ein oder zwei Mannosereste; das zweite Enzym schneidet den N-Acetylglucosamin-Rest ab, womit die Markierung durchgeführt ist.

Im trans-Golgi-Apparat werden die M6P-Reste von membranintegralen M6P-Rezeptoren erkannt. Im späten Endosom trennen sich die M6P-Rezeptoren bei pH 6 wieder von ihren Liganden und werden rezyklisiert.

Es gibt auch einen M6P unabhängigen Transportweg in die Lysosomen, z. B. bei den Membranproteinen der Lysosomen. Der Mechanismus ist nicht bekannt.

Aufgaben

Lysosomen verdauen zellfremdes (Heterophagie) aber auch zelleigenes (Autophagie) Material. Dies geschieht auch beim programmierten Zelltod.

Verdauung zellfremden Materials

Lysosomen wirken auf mehrere Weisen an der Verdauung auf Zellebene mit. Durch Endozytose entstandene Endosomen verschmelzen mit primären Lysosomen zu sekundären Lysosomen. Bei Protisten wird dies Nahrungsvakuole genannt. In einigen Zelltypen werden Bruchstücke des im Lysosom verdauten zellfremden Materials in Form sogenannter Antigenfragmente durch MHC-II-Rezeptoren an der Zelloberfläche präsentiert. Dieser Vorgang spielt eine wichtige Rolle im Immunsystem. Als Beispiel für menschliche Zellen, die hierzu fähig sind, sind die Makrophagen zu nennen.

Verdauung zelleigenen Materials

Die Lysosomen verwerten nicht nur zellfremdes, sondern auch zelleigenes Material. Dies nennt man Autophagie. Hierbei werden Organellen oder Teile des Zytosols durch die Lysosomenenzyme zerlegt und wiederverwertet. Auf diese Weise erneuert sich die Zelle mit Hilfe der Lysosomen selbst. In einer menschlichen Leberzelle werden pro Woche die Hälfte aller Makromoleküle auf diese Weise zerlegt.

Programmierter Zelltod

Auch der programmierte Zelltod (Apoptose) durch eigene Lysosomenenzyme ist eine wichtige Aufgabe der Lysosomen. Durch Apoptose werden beispielsweise der Schwanz der Kaulquappe bei Amphibien oder die Schwimmhäute zwischen den Fingern des menschlichen Embryos abgebaut.

Erkrankungen mit lysosomaler Beteiligung

Ein Defekt in der Phosphotransferase führt zu einer so genannten lysosomalen Speicherkrankheit. Da keine Markierung mit Mannose-6-Phosphat stattfinden kann, werden die lysosomalen Enzyme nicht sortiert und gelangen unkontrolliert über die Plasmamembran in die extrazelluläre Matrix (I-Zellkrankheit, autosomal rezessiv vererbt). Andere lysosomale Speicherkrankheiten werden durch Defekte lysosomaler Hydrolasen ausgelöst. Dadurch kommt es zur Vermehrung von nicht-abgebautem Material in den Lysosomen (z. B. Morbus Hunter). Meistens sind schwere Krankheitserscheinungen die Folge.

Lysosomale Kumulation von Pharmaka

Schwache Basen mit lipophilen Eigenschaften neigen zur Akkumulation in sauren intrazellulären Kompartimenten wie den Lysosomen. Während die Plasma- und Lysosomenmembranen für die neutralen, ungeladenen Formen solcher Moleküle durchlässig sind, passieren die geladenen, protonierten Formen schwacher Basen die Membranen nicht und kumulieren in Lysosomen. Im Vergleich zum extrazellulären Bereich kann sich dadurch im Lysosom eine 100 bis 1000fach höhere Konzentration der schwachen Basen aufbauen. Dieser Mechanismus wird "Lysosomotropie"[4] oder auch "acid trapping" genannt. Über ein zellbasiertes mathematisches Modell lässt sich die Kumulation lysosomotroper Substanzen berechnen.[5]

Viele klinisch eingesetzte Medikamente sind schwache Basen und kumulieren in Lysosomen. Darüber lassen sich verschiedene pharmakologische Eigenschaften solcher Medikamente erklären. So liegt die Gewebekonzentration lysosomotroper Medikamente deutlich über der Plasmakonzentration; und die Halbwertszeit im Gewebe ist höher als im Plasma; als Beispiele seien hier Haloperidol,[6] Levomepromazin[7] oder Amantadin[8] genannt. Zu den hohen Gewebekonzentrationen und langen Gewebehalbwertszeiten trägt neben der lysosomalen Akkumulation auch die Lipophilie der Substanzen und deren Absorption in fetthaltigen Gewebestrukturen bei. Wichtige lysosomale Enzyme, wie die saure Sphingomyelinase, können durch lysosomal akkumulierte Medikamente gehemmt werden.[9][10] Solche Substanzen werden FIASMAs genannt. Dieses Akronym leitet sich von der englischen Bezeichnung Functional Inhibitor of Acid SphingoMyelinAse ab;[11] zu dieser Substanzgruppe gehören z.B. Fluoxetin, Sertralin oder Amitriptylin.

Literatur

  • Bruce Alberts u. a.: Molecular Biology of the Cell. 4. Auflage. Garland Science, New York 2002, ISBN 0-8153-4072-9.
  • Neil A. Campbell, Jane B. Reece: Biologie. 6. Auflage. Spektrum, Heidelberg 2003, ISBN 3-8274-1352-4.

Einzelnachweise

  1. W.K.Purves, et al.: Biologie, 7. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, 2006, ISBN 3-8274-1630-2, S. 89
  2. De DN, CSIRO (Australia): Plant cell vacuoles: an introduction CSIRO Publishing, 2000. ISBN 0-643-06254-8. S. 259
  3. UniProt-Suchergebnis: Lysosomale Proteine nach Taxon aufgeschlüsselt
  4. C. de Duve, T. de Barsy, B. Poole, A. Trouet, P. Tulkens, F. van Hoof. Lysosomotropic agents. Biochem. Pharmacol. 23:2495-2531, 1974. PMID 4606365
  5. S. Trapp, G. Rosania, R. W. Horobin, J. Kornhuber. Quantitative modeling of selective lysosomal targeting for drug design. Eur.Biophys.J. 37 (8):1317-1328, 2008. PMID 18504571
  6. J. Kornhuber, A. Schultz, J. Wiltfang, I. Meineke, C. H. Gleiter, R. Zöchling, K. W. Boissl, F. Leblhuber, P. Riederer. Persistence of haloperidol in human brain tissue. Am.J.Psychiatry 156:885-890, 1999. PMID 10360127
  7. J. Kornhuber, H. Weigmann, J. Röhrich, J. Wiltfang, S. Bleich, I. Meineke, R. Zöchling, S. Hartter, P. Riederer, C. Hiemke. Region specific distribution of levomepromazine in the human brain. J.Neural Transm. 113:387-397, 2006. PMID 15997416
  8. J. Kornhuber, G. Quack, W. Danysz, K. Jellinger, W. Danielczyk, W. Gsell, P. Riederer. Therapeutic brain concentration of the NMDA receptor antagonist amantadine. Neuropharmacology 34:713-721, 1995. PMID 8532138
  9. J. Kornhuber, P. Tripal, M. Reichel, L. Terfloth, S. Bleich, J. Wiltfang, E. Gulbins. Identification of new functional inhibitors of acid sphingomyelinase using a structure-property-activity relation model. J.Med.Chem. 51:219-237, 2008. PMID 18027916
  10. J. Kornhuber, M. Muehlbacher, S. Trapp, S. Pechmann, A. Friedl, M. Reichel, C. Mühle, L. Terfloth, T. W. Groemer, G. M. Spitzer, K. R. Liedl, E. Gulbins, P. Tripal. Identification of novel functional inhibitors of acid sphingomyelinase. PLoS ONE 6 (8):e23852, 2011. PMID 21909365
  11. J. Kornhuber, P. Tripal, M. Reichel, C. Mühle, C. Rhein, M. Muehlbacher, T. W. Groemer, E. Gulbins. Functional inhibitors of acid sphingomyelinase (FIASMAs): a novel pharmacological group of drugs with broad clinical applications. Cell.Physiol.Biochem. 26:9-20, 2010. PMID 20502000

Weblinks

Wiktionary: Lysosom – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

News mit dem Thema Lysosom

Die News der letzten Tage

20.09.2023
Biodiversität | Citizen Science | Ethologie | Vogelkunde
Das Erfolgsgeheimnis steckt im Verhalten
Während viele Arten gerade zahlenmäßig und hinsichtlich ihres Verbreitungsgebiets drastisch zurückgehen, scheinen andere gut zu gedeihen.
19.09.2023
Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft
Vitamine vom Dach
Obst und Gemüse wird heute über Tausende von Kilometern nach Deutschland transportiert.
19.09.2023
Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft
Optimierte Kakaobestäubung für höhere Erträge
Wie lässt sich der Anbau von Kakao durch die richtige Bestäubungstechnik verbessern?
18.09.2023
Mikrobiologie
Stinkender Schleim: Wohlfühlort für Würmer und Mikroben
Kieler Forschungsteam untersucht am Beispiel von Fadenwürmern in einem naturnahen Kompost-Experiment, welchen Beitrag Wirtslebewesen und Mikroorganismen zur gemeinsamen Anpassung an einen neuen Lebensraum leisten.
18.09.2023
Anthropologie | Evolution | Neurobiologie
Evolution der sprach-relevanten Hirnstrukturen aufgedeckt
Sprache ist ein Aspekt, der uns zu Menschen macht.
18.09.2023
Mikrobiologie | Taxonomie
Darmmikrobe produziert stinkendes Giftgas, schützt aber vor Krankheitserregern
Taurin abbauende Bakterien beeinflussen das Darmmikrobiom, so ein internationales Team von Wissenschafter*innen unter der Leitung des Mikrobiologen Alexander Loy von der Universität Wien.
17.09.2023
Insektenkunde | Ökologie
Dieselabgase schädigen Insekten: erstmals Auswirkungen auf Hummeln erforscht
Der Rückgang der Insekten bedroht weltweit viele Ökosysteme - Während die Auswirkungen von Pestiziden gut erforscht sind, fehlte es bisher an Erkenntnissen über die Folgen anderer anthropogener Schadstoffe.
17.09.2023
Mikrobiologie | Toxikologie
Wie man Giftschlangen auf den Zahn fühlt
Nicht nur in den Tropen führen Schlangenbisse zu gefährlichen Vergiftungen – auch Bisse europäischer Giftschlangen können ernste körperliche Beschwerden hervorrufen.
16.09.2023
Evolution | Paläontologie
Langzeitseen als Motor für die Evolution von Süßwasserschnecken
In Millionen Jahre existierenden Langzeitseen entwickelten Süßwasserschnecken im Laufe der Erdgeschichte eine besonders große Vielfalt an Arten.
13.09.2023
Biodiversität | Ökologie
Neue Bienenart aus dem Osten in Regensburg aufgetaucht
Neben der allseits bekannten Honigbiene sind aus Deutschland nach neuestem Stand 604 Wildbienenarten bekannt.
12.09.2023
Biochemie | Entwicklungsbiologie | Physiologie
Neues zur Bildung von Wurzelhaaren
Wurzelhaare sind ein wichtiger Bestandteil der Wurzeloberfläche, über die Pflanzen Nährstoffe aufnehmen: Bekannt ist, dass es bei einem leichten Stickstoffmangel zu einer Verlängerung der Haupt- und Seitenwurzeln kommt.
11.09.2023
Fischkunde | Physiologie
Große Fische werden kleiner und kleine Fische immer zahlreicher
Organismen werden im Laufe der Zeit weltweit immer kleiner – das liegt zum einen am Austausch der Arten untereinander und zum anderen an Veränderungen innerhalb der Arten selbst.
08.09.2023
Klimawandel | Paläontologie
Als üppige Laubwälder die Arktis bedeckten
Forschungsteam der Universität Tübingen untersucht das Pflanzenwachstum im nördlichen Polargebiet vor rund 50 Millionen Jahren – Paläoklima mit Parallelen zur aktuellen globalen Erwärmung.
07.09.2023
Fischkunde | Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft | Meeresbiologie
Fast zwei Drittel aller Korallenriffe werden überfischt
Ein internationales Team von Forschenden hat mit einem umfangreichen Datensatz aus über 2000 Korallenriff-Standorten ermittelt, wie es um die Fischbestände und Vielfalt der Fischarten in den Riffen der Weltmeere bestellt ist.
06.09.2023
Land-, Forst-, Fisch- und Viehwirtschaft | Ökologie
Ackerbau-Studie zu Zwischenfrucht-Mischungen mit unerwartetem Ergebnis
Nach der Ernte im Herbst werden meist sogenannte Zwischenfrüchte angebaut, denn diese verhindern die Erosion und die Auswaschung von Nährstoffen.