Flussdelfine



Flussdelfine

Amazonasdelfin (Inia geoffrensis)

Systematik
Klasse: Säugetiere (Mammalia)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Wale (Cetacea)
Unterordnung: Zahnwale (Odontoceti)
Familie: Flussdelfine
Wissenschaftlicher Name
Iniidae
Gray, 1846

Die Flussdelfine (Iniidae) sind eine Säugetierfamilie aus der Ordnung der Wale (Cetacea). In der hier verwendeten Systematik werden drei Arten zu dieser Gruppe gezählt:

Die traditionell ebenfalls zu den Flussdelfinen gestellten Gangesdelfine sind hingegen nur entfernt mit dieser Gruppe verwandt. Auch einige im Süßwasser lebende Vertreter der (Eigentlichen) Delfine wie der Sotalia, der Kamerunflussdelfin und der Irawadidelfin zählen nicht dazu.

Merkmale

Flussdelfine sind kleine Wale mit maximal 3 Metern Länge und 160 Kilogramm, der La-Plata-Delfin gilt sogar als einer der kleinsten Wale überhaupt. Ihr Körper ist relativ plump gebaut, die Finne ist sehr niedrig. Im Gegensatz dazu ist die Fluke groß und die Flipper sind breit. Die Halswirbel sind nicht miteinander verschmolzen, wodurch der Kopf sehr beweglich ist. Die Melone ist stark gewölbt, die Schnauze ist langgestreckt. Die Kiefer sind pinzettenartig und können insgesamt über 200 Zähne enthalten. Die Augen sind stark verkleinert, jedoch funktionstüchtig.

Gangesdelfine unterscheiden sich unter anderem von den Flussdelfinen im Bau des Schädels (Gangesdelfine besitzen einen einzigartigen Oberkieferkamm, der sich von der Schädelbasis bis fast zum Blasloch erstreckt) und darin, dass sie einen Blinddarm aufweisen.

Verbreitung und Lebensraum

Nur zwei der drei Arten sind Süßwasserbewohner. Der Amazonasdelfin bewohnt Süßgewässer im nördlichen Südamerika und der Chinesische Flussdelfin in Ostasien. Der La-Plata-Delfin lebt hingegen vorrangig an der südamerikanischen Atlantikküste und schwimmt nicht in Flüsse hinein.

Lebensweise

Flussdelfine sind an ein Leben in trüben, engen Gewässern angepasst. Die großen Fluken und Flipper erhöhen die Manövrierfähigkeit. Ihr Echoortungssystem ist ausgezeichnet entwickelt, der Gesichtssinn hingegen schwächer. Die lange Schnauze dient dazu, im Schlamm zu wühlen und Fische und andere Beutetiere zu fangen. Im Gegensatz zu den eigentlichen Delfinen leben die Flussdelfine eher einzelgängerisch.

Flussdelfine und Menschen

Der Chinesische Flussdelfin ist möglicherweise bereits ausgestorben.

Durch die Wasserverschmutzung, die Bejagung, die unbeabsichtigte Tötung in Fischnetzen und den Bau von Staudämmen und anderen Regulierungsmaßnahmen sind die süßwasserbewohnenden Wale oft stärker bedroht als ihre meeresbewohnenden Verwandten. Der Chinesische Flussdelfin ist möglicherweise bereits ausgestorben, der Amazonasdelfin gilt laut IUCN als gefährdet und vom La-Plata-Delfin gibt es keine genauen Angaben, vermutlich ist aber auch diese Art bedroht.

Systematik

Die systematische Stellung der süßwasserbewohnenden Delfine gilt als einer der großen Diskussionspunkte in der Systematik der Wale. Ob die zahlreichen morphologischen Übereinstimmungen der süßwasserbewohnenden Tiere auf Konvergenz oder auf eine gemeinsame Abstammung zurückzuführen sind, ist nicht restlos geklärt. Dementsprechend wurden die vier betroffenen Taxa, der Amazonasdelfin, der La-Plata-Delfin, der Chinesische Flussdelfin und die Gangesdelfine manchmal zu einer Familie (Platanistidae) oder zumindest Überfamilie (Platanistoidea) zusammengefasst, manchmal aber auch als Ergebnisse reiner Konvergenz in vier unabhängigen Familien klassifiziert.

Molekulargenetische Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Gangesdelfine eine eigene Entwicklungslinie darstellen, die nicht näher mit den übrigen Vertretern gemeinsam ist. Hamilton et al. (2001) klassifizierten auch den Chinesischen Flussdelfin in einer eigenen Gruppe und fassten nur Amazonas- und La-Plata-Delfin zusammen.[1] Eine Analyse der Retroposons durch Nikaido et al. (2001) kam hingegen zu dem Ergebnis, dass der Chinesische, der Amazonas- und der La-Plata-Delfin eine monophyletische Gruppe darstellen [2], was beispielsweise auch durch Untersuchungen an Cytochromen bestätigt wurde. [3].

Wilson & Reeder (2005) übernahmen diese Sichtweise und klassifizierten den Amazonas-, den Chinesischen und den La-Plata-Delfin in einer gemeinsamen Familie, den Iniidae. Ein mögliches Kladogramm der Zahnwale sieht folgendermaßen aus: [3]

 Zahnwale (Odontoceti)  
  N.N.  

 Schnabelwale (Ziphiidae)


  N.N.  

 Gangesdelfine (Platanistidae)


  N.N.  

 Flussdelfine (Iniidae)


   

 Delfinartige (Delphinoidea)





   

 Pottwale (Physeteridae)



Innerhalb der Flussdelfine bilden der Amazonas- und der La-Plata-Delfin eine gemeinsame Klade, deren Schwestergruppe der Chinesische Flussdelfin ist.

Literatur

  • D. E. Wilson und D. M. Reeder: Mammal Species of the World. Johns Hopkins University Press 2005 ISBN 0-8018-8221-4
  • Milan Klima: Cetacea, Wale. In: Wilfried Westheide und Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart Jena & New York 2003, ISBN 3-8274-0900-4, S. 630-644.
  • Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press, 1999 ISBN 0-8018-5789-9

Weblinks

Commons: Iniidae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Healey Hamilton et al: Evolution of river dolphins. in: Proc. R. Soc. Lond. B (2001) 268, S. 549-558 PDF
  2. Masato Nikaido: Retroposon analysis of major cetacean lineages: The monophyly of toothed whales and the paraphyly of river dolphins. In: in Proceedings of the National Academy of Sciences 98, 2001; S. 7384-7389. Abstract
  3. 3,0 3,1 Laura May-Collado und Ingi Agnarsson: Cytochrome b and Bayesian inference of whale phylogeny. In: Molecular Phylogenetics and Evolution 38 (2006), S. 344-354. PDF

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