Große Menschenaffen



Zur Familie der großen Menschenaffen (Hominidae) gehören neben einer Reihe von ausgestorbenen Gattungen die heute lebenden Gattungen Schimpanse (Pan), Gorilla (Gorilla), Orang-Utan (Pongo) und Mensch (Homo) [1].

Verbreitung

Aussehen

Große Menschenaffen (Hominidae) sind schwanzlose Primaten, deren Körpergewicht von 30 Kilogramm (Bonobos) bis 140 - 180 kg (männliche Gorillas) reicht. Bei allen großen Menschenaffen sind die Männchen im Schnitt größer und kräftiger als die Weibchen. Der Grad dieses sexuellen Dimorphismus variiert unter den Arten sehr stark. Mit Ausnahme des Menschen (Homo sapiens) bewegen sich alle Arten meist vierbeinig fort, benutzen aber ihre Hände zum Einsammeln von Nahrung oder zur Materialbeschaffung, beispielsweise für den Nestbau oder in einigen Fällen auch zum Gebrauch von Werkzeugen [23].

Steckbrief

Ernährung

Die meisten großen Menschenaffen (Hominidae) sind Allesfresser, jedoch bevorzugen alle Arten - mit Ausnahme des Menschen - Früchte als Nahrung. Dies gilt besonders für Schimpansen (Pan) und Orang-Utans (Pongo), die fast ausschließlich von Früchten leben. Gorillas (Gorilla) bevorzugen zu bestimmten Jahreszeiten (oder in bestimmten Regionen) eher junge Triebe, Blätter oder Bambus und haben extreme Anpassungen entwickelt, um das Kauen und Verdauen dieser wenig gehaltvollen Kost zu ermöglichen. Aber auch Gorillas bevorzugen Früchte, wenn sie verfügbar sind. Sie legen oft weite Strecken zurück, um sie zu finden.

Im Gegensatz zu den anderen großen Menschenaffen ernähren sich Menschen zu einem großen Teil aus hoch veredelten, ballaststoffarmen Lebensmitteln mit einem ungewöhnlich hohen Anteil an Körnern und Fleisch, sowie von einer Vielzahl anderer, selbst hergestellter Lebensmittel.

Zähne

Die Zähne der großen Menschenaffen (Hominidae) ähneln denen der Gibbons (Hylobatidae), wobei sie bei Gorillas besonders groß sind. Die Zahnformel lautet $\tfrac {2.1.2.3} {2.1.2.3}$. Zähne und Kiefer der Menschen sind relativ zur Körpergröße deutlich kleiner als die von anderen Affen. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass Menschen kleine Zähne und Kiefer als Anpassung an gekochtes Essen entwickelt haben - eine Art der Nahrungszubereitung, die über eine Million Jahre alt ist [24][25].

Fortpflanzung

Die Tragzeit bei großen Menschenaffen dauert 8 - 9 Monate, nach der in der Regel ein einzelnes Junges zur Welt kommt, Zwillinge sind selten. Die Nachkommen sind bei der Geburt vollständig von der Mutter abhängig. Verglichen mit den meisten anderen Säugetieren haben große Menschenaffen eine sehr lange Jugend, auch die Säuglingsphase dauert mehrere Jahre. Dies hat zur Folge, dass die Weibchen der großen Menschenaffen (Hominidae) in der Regel nur alle paar Jahre Nachwuchs zur Welt bringen. Die Geschlechtsreife wird bei den meisten Arten erst nach 8 - 13 Jahren ereicht, bei Menschen manchmal noch später. Große Menschenaffen haben keine bestimmte Fortpflanzungssaison [23].

Gruppen

Gorillas (Gorilla) und Schimpansen (Pan) leben in Familiengruppen von etwa fünf bis zehn Individuen, obwohl schon viel größere Verbände beobachtet wurden. Schimpansengruppen teilen sich bei Nahrungsknappheit in kleinere Untergruppen auf. Wenn sich Untergruppen bilden, die nur aus Weibchen bestehen und sich bei der Nahrungssuche in verschiedene Richungen bewegen, stehen sie nicht mehr unter der Kontrolle des oder der dominanten Männchen. In dieser Situation paaren sich die Weibchen oft mit untergeordneten Männchen, ob freiwillig oder nicht.

Im Gegensatz zu den Schimpansen bleiben Gruppen von Gorillas ständig zusammen, unabhängig von der Verfügbarkeit von Früchten. Wenn diese nur schwer zu finden sind, greifen sie auf Blätter und Triebe als Nahrungsmittel zurück. Da Gorillagruppen zusammen bleiben, ist das Männchen in der Lage, die Weibchen in seiner Gruppe zu monopolisieren. Auf diese Tatsache ist z.B. der höhere Grad von Sexualdimorphismus der Gorillas gegenüber den Schimpansen zurückzuführen. Sowohl bei Schimpansen als auch bei Gorillas gehören den einzelnen Gruppen mindestens ein dominantes Männchen an. Geschlechtsreife Weibchen verlassen ihre Geburtsgruppe. Orang-Utans leben in der Regel einzelgängerisch.

Wegen der engen genetischen Verwandtschaft zwischen Menschen und anderen Menschenaffen bestehen bestimmte Tierschutzorganisationen (wie das Great Ape Project) darauf, ihnen grundlegende Menschenrechte zu gewähren. In der Europäischen Gemeinschaft besteht ein Verbot der Forschung mit Menschenaffen, um sie vor jeder Art von Laborversuchen zu schützen. (Audiofile: Keine Tierversuche mit Menschenaffen © WDR)

Am 25. Juni 2008 beschloß das spanische Parlament ein neues Gesetz, wonach die Haltung von Menschenaffen in Zirkussen und ihre Verwendung in TV-Werbespots oder Filmen verboten ist [26].

Evolution

Eine Reihe ausgestorbener Gattungen wird mit dem Menschen in der Unterfamilie Homininae, andere, einschließlich der Orang-Utans, in der Unterfamilie Ponginae zusammengefasst. Der letzte gemeinsame Vorfahre der großen Menschenaffen (Hominidae) lebte vor rund 14 Millionen Jahren [2], als sich die Vorfahren der Orang-Utans von den Vorfahren der anderen drei Gattungen abspalteten [3]. Die Linien der Kleinen Menschenaffen (Hylobatidae) und der großen Menschenaffen (Hominidae) trennten sich bereits vor etwa 15 - 20 Millionen Jahren [3][4].

Am 19. Juli 2001 wurde ein 7 Millionen Jahre alte Fossil mit dem wissenschaftlichen Namen Sahelanthropus tchadensis (Spitzname Toumaï) im Tschad entdeckt. Es handelt sich bei diesem Fossil möglicherweise um das bislang älteste Mitglied der Familie Homininae, zu der auch der Mensch zählt. Neben seinem Alter hat Toumaï im Gegensatz zu den drei bis vier Millionen Jahre jüngeren grazilen Australopithecinen (wie etwa der weibliche Australopithecus afarensis, genannt "Lucy") ein relativ flaches Gesicht ohne vorstehende Schnauze [5]. Es gibt einige Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Bedeutung von Sahelanthropus tchadensis. Professor Daniel E. Lieberman ist der Meinung, dass diese bisher unbekannte Art ein direkter Vorfahre des modernen Menschen ist (oder zumindest eng mit einem direkten Vorfahren verwandt ist). Andere, wie Professor Bernard Wood argumentieren, dass ein einelnes Fossil nicht ausreicht, um eine solche Hypothese aufzstellen - dies sei eine unzuverlässige Methode zur Bestimmung evolutionärer Beziehungen [6].

Forscher wie David Reich und Eric Lander et al. glauben, dass die letzten gemeinsamen Vorfahren der Schimpansen- und Menschenlinie ihre Gene durch Hybridisierung ausgetauscht haben, bevor sie sich im Laufe der Zeit schließlich endgültig trennten [7]. Es wird allgemein angenommen, dass die Pan/Homo - Trennung vor 6 bis 8 Millionen Jahren stattfand [8][9][10], die molekulare Uhr (eine Methode zur Berechnung der Geschwindigkeit, mit der Gene mutieren) deutet sogar auf eine Teilung der beiden Linien erst vor 4,6 bis 6,2 Millionen Jahren hin [11]. Frühere Studien konzentrierten sich auf die durchschnittlichen genetischen Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse. Eine neue Studie vergleicht nun das Alter der wichtigsten Gensequenzen der modernen Menschen und Schimpansen. Einige Sequenzen sind jünger als andere, was darauf hinweist, dass sich Schimpansen und Menschen allmählich über einen Zeitraum von 4 Millionen Jahren getrennt haben. Das jüngste menschliche Chromosom ist das X-Chromosom, das über 1,2 Millionen Jahre jünger ist als die 22 Autosomen [7]. Vom X-Chromosom ist bekannt, dass es anfällig für selektiven Druck ist [12]. Sein Alter lässt darauf schließen, dass nach einer ersten Trennung der beiden Arten eine allmähliche Divergenz und Vermischung folgte, was zu den jüngeren Gene führte, und es dann schließlich zur endgültigen Trennung kam.

Eine Minderheit schlägt eine alternative Sicht vor, wonach sich Menschen, Gorillas und Schimpansen vielleicht schon vor etwa 13 Millionen Jahren von einem gemeinsamen Vorfahren mit den Orang-Utans trennten, wobei Schimpansen enger mit Gorillas verwandt sind. Diese Alternative stützt sich auf Merkmale, die nur Menschen und Orang-Utans gemeinsam haben, wie z.B. Zahnstruktur, Zahnschmelzdicke, Struktur des Schulterblattes, Dicke des hinteren Gaumens, ein einzelner Canalis incisivus , eine hohe Estriolproduktion sowie Bart und Schnurrbart. Es gibt mindestens 28 solcher einzigartiger Merkmalsähnlichkeiten, die sich nur Mensch und Orang-Utan teilen, im Vergleich zu nur einer einzigen (einzigartigen) Merkmalsähnlichkeit, die sich Mensch und Schimpanse teilen.

Allerdings wird weithin angenommen, dass diese physischen Eigenschaften irreführend sind, denn eine alternative Möglichkeit wäre nämlich, dass Orang-Utans seit der Trennung von den gemeinsamen Vorfahren mehr genetische Veränderungen erfahren haben als Menschen und afrikanischen Menschenaffen. Wenn dem so ist, dann muß die scheinbare genetische Ähnlichkeit zwischen Mensch und Schimpanse ebenfalls nicht zwangsläufig auf eine enge evolutionäre Beziehung hindeuten [13][14]. Diese Theorie wurde als Erklärung vorgeschlagen, warum die frühen Homininen (wie etwa die Australopithecinen) den Orang-Utans nicht nur ähnlicher sehen als es beide afrikanischen Menschenaffen tun, sondern auch, warum sie eindeutige Merkmale mit Orang-Utans und ihren engen fossilen Verwandten teilen, wie etwa den verdickten hinteren Gaumen und den vorderen Knochenfortsatz des Jochbeins [15].

Taxonomie

Die Klassifizierung der großen Menschenaffen wurde in den letzten Jahrzehnten mehrmals geändert. Ursprünglich war Hominidae die Bezeichnung für den Menschen und seine ausgestorbenen Verwandten, die anderen Menschenaffen wurden einer eigenen Familie Pongidae zugeordnet. Allerdings macht diese Definition die Familie Pongidae paraphyletisch, da wenigstens ein Menschenaffe enger mit Menschen verwandt zu sein scheint als die anderen Menschenaffen. Die meisten Taxonomen unterstützen heute monophyletische Gruppen, daher mußte die Familie Pongidae auf nur eine Gruppe der großen Menschenaffen beschränkt werden. So betrachten viele Biologen die Familie Pongidae heute als Unterfamilie der Hominidae und bezeichnen sie entsprechend der taxonomischen Regeln als Ponginae. Zur Unterfamilie Ponginae zählt man heute den Orang-Utan und seine ausgestorbenen Verwandten, wie etwa den Gigantopithecus. Die oben aufgezeigte Taxonomie folgt der monophyletischen Gruppierung entsprechend den beiden Theorien über die Beziehungen von Menschen und Menschenaffen.

Menschen bilden mit ihren engsten Verwandten die Unterfamilie Homininae. Manche Forscher gehen sogar so weit, Schimpansen[16] und Gorillas[17][18] in in Gattung Mensch (Homo) aufzunehmen, aber im Allgemeinen beschreibt man die verwandschaftlichen Beziehungen so, wie hier dargestellt.

Alternativ könnte man einzig den Menschen und seine fossilen Vorfahren (die näher mit ihm verwandt sind als die lebenden Menschenaffen) der Familie Hominidae zuordnen, ohne notwendigerweise Unterfamilien oder Stammeskategorien ins Leben zu rufen. Sollte sich herausstellen, dass Orang-Utans die nächsten lebenden Verwandten des Menschen sind, gäbe es eine Schwestergruppenbeziehung zwischen Hominidae und Pongidae und die afrikanischen Menschenaffen müßten nach morphologischen Gesichtspunkten einer separaten Familie (Panidae) zugeordnet werden [14][19].

Viele ausgestorbene Hominiden sind erforscht worden, um die Beziehung zwischen modernen Menschen und den anderen heute lebenden großen Menschenaffen zu klären. Einige ausgestorbene Gattungen der Familie Hominidae (in der heute gültigen Definition, die Gorillas und Schimpansen einschließt) heißen Sahelanthropus, Orrorin, Ardipithecus, Kenyanthropus, Gigantopithecus, Australopithecus und Paranthropus. Im Orang-Utan-Modell des menschlichen Ursprungs würden zu den Hominidae nur noch die Australopithecinen und möglicherweise Orrorin und Kenyanthropus gehören, nicht aber Ardipithecus und Sahelanthropus, denen einzigartige Merkmale fehlen, um sie unbedingt als Hominiden (Hominidae) zu klassifizieren [20].

Die genauen Kriterien für die Zugehörigkeit zur Unterfamilie Homininae sind unklar, jedoch umfassen sie in der Regel jene Spezies, deren Genom zu mehr als 97% mit dem Genom des modernen Menschen identisch ist und die eine gewisse Fähigkeit für Sprache oder einfache Kultur aufweisen. Ein umstrittenes Kriterium, um den erwachsenen Menschen von den anderen Hominiden zu unterscheiden, ist die theory of mind („Theorie des Geistes”), zu der die Fähigkeit gehört, Bewusstseinsvorgänge in anderen Individuen zu erkennen und diese mit der eigenen Person in Verbindung zu bringen, oder ein anderes Individuum bewußt zu täuschen. Menschen erlangen diese Fähigkeit mit etwa viereinhalb Jahren, während es weder bewiesen noch widerlegt ist, dass auch Gorillas und Schimpansen eine „Theorie des Geistes” entwickeln [21] ebenso wie einige Neuweltaffen (Platyrrhini), wie zum Beispiel die Kapuzineraffen (Cebus).

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Systematik


Literatur

[1] Groves, 2005; [2] Hill, A. and Ward, S., 1988; [3] Dawkins, 2004; [4] Timetree.org; [5] Brunet et al. 2002; [6] Whitfield, 2002; [7] Patterson et al., 2006; [8] Kelley, 1994; [9] Purvis, 1995; [10] Goodman et al., 1998; [11] Feng-Chi und Wen-Hsiung, 2004; [12] Schaffner, 2004; [13] Schwartz, 2005; [14] Grehan, 2006; [15] Schwartz, 2004; [16] Pickrell, 2003; [17] Relationship Humans-Gorillas; [18] Watson et al., 2001; [19] Schwartz, 1986; [20] Schwartz, 2004b; [21] Heyes, 1998; [22] Van Schaik et al., 2003; [23] Harcourt et al., 1984; [24] Brace et al, 1971; [25] Wrangham, 2007; [26] Reuters, 2008

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