Chilenische Waldkatze


Die Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna), auch Kodkod oder Nachtkatze genannt, gehört neben der afrikanischen Schwarzfußkatze (Felis nigripes) und der südasiatischen Rostkatze (Prionailurus rubiginosus) zu den kleinsten Katzen der Welt. Sie hat große ähnlichkeit mit der Kleinfleckkatze (Leopardus geoffroyi), mit der sie ihren Lebensraum teilt, ist aber insgesamt kleiner mit einem kleineren Gesicht und einem dickeren Schwanz.

Einheimische nennen die Chilenische Waldkatze Guigna (sprich „Gwi-na”). In englischsprachigen Ländern wird sie Kodkod genannt, eine Name, der offenbar einen europäischen Ursprung hat, denn von den Einheimischen wird dieser Name nicht verwendet. Kodkod könnte eine spanische übernahme des Namens „colocolo” aus dem Dialekt der Mapuche sein, der eigentlich die Pampaskatze (Leopardus colocolo) benennt.

Aussehen

Die Grundfarbe des Fells der Chilenischen Waldkatze (Leopardus guigna) reicht von hellem grau oder graubraun bis dunkelbraun. Es ist mit kleinen runden, schwarzen Punkten besetzt und ist auf der Körperunterseite heller. Es gibt einige schmale schwarze Ringe am Hals und oben auf dem Kopf. Er ist klein und hat einige undeutliche Linien über den Augen und an den Backen. Die Ohren sind relativ groß und gerundet, auf den Rückseiten schwarz mit einer weißen Stelle in der Mitte. Ihre Beine sind kurz und haben relativ große Pfoten mit großen schwarzen Sohlen. Der Schwanz ist mit ungefähr einem Drittel der Kopf-Rumpflänge relativ kurz, hat zehn bis zwölf auffällige, schwarze Ringe und eine schwarze Spitze. Wie bei der Andenkatze (Leopardus jacobitus) ist der Schwanz der Chilenischen Waldkatze sehr buschig und wird zum Ende hin breiter.

Es gibt zwei auffällig unterschiedliche Formen der Chilenischen Waldkatze (Leopardus guigna). In Zentralchile hat das Fell eine einheitlichere Färbung ohne Punkte auf den Füßen und die Katze ist größer als ihre Verwandten in südlicheren Teilen ihres Verbreitungsgebiets. Die chilenischen Waldkatzen aus dem Süden haben ein helleres Fell und Punkte auf den Pfoten. Reine Schwärzlinge (Melanismus) kommen bei der Art recht häufig vor, vor allem in höheren Berglagen. Auf Chiloé, einer Insel vor der Küste Südchiles, und den Guaitecas-Inseln ist die schwarze Form sogar die Hauptform.

Verbreitung, Ernährung

Die Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna) kommt nur im Südwesten Argentiniens und in Zentral- bis Südchile vor. Als Lebensraum bevorzugt sie feuchte Mischwälder an den Hängen der Anden sowie Regionen in Küstennähe des Pazifiks. Man kann sie in Höhen bis zur Baumgrenze in 1.900 bis 2.500 m antreffen. An veränderte Lebensbedingungen können sich die chilenischen Waldkatzen nur sehr schlecht anpassen, so trifft man sie fast nie in vom Menschen ausgedünnten kultivierten Forsten an. Viele Verstecke wie kleinere Bäume und dichte Sträucher, die in solchen Forsten fehlen, sind für die kleine Chilenische Waldkatze überlebenswichtig. Trotzdem kann sie in räumlich begrenzten, aber intakten Habitaten überleben, wie etwa in der Umgebung von Valparaíso, die bereits seit über 1.000 Jahren dauerhaft von Menschen besiedelt ist und vor etwa 150 Jahren mit Ausnahme weniger Waldinseln vollständig abgeholzt wurde.


Chilenische Waldkatze
Chilenische Waldkatze in Anticura (Parque Nacional Puyehue, X Region, Chile)

Chilenische Waldkatzen (Leopardus guigna) sind nur ausschließlich nachtaktiv, wenn sich in ihrem Heimatrevier Menschen befinden, ansonsten trifft man sie in ungestörten Habitaten sowohl nachts als auch am Tag an. Sie sind größtenteils Bodenbewohner, obwohl sie gute Kletterer sind und Schutz in den Bäumen suchen, wenn Gefahr droht. Die Beutetiere der Chilenischen Waldkatze sind kleine Säugetiere wie Mäuse und Ratten, Vögel, Insekten und Reptilien. Einer Studie zufolge, die in einem ungestörten Habitat durchgeführt wurde, ernährt sich die Chilenische Waldkatze von einer Vielzahl mausgroßer Nagetiere und weniger von größeren Säugetieren. Dies ist ein weiteres Beispiel für die Anpassung von Tieren an bestimmte ökologische Nischen, da diese kleinen Katzen Gebiete bewohnen, wo größere Fleischfresser knapp sind.

In dieser stark fragmentierten Landschaft müssen männliche Chilenische Waldkatzen (Leopardus guigna) immer weiter umherstreifen, um paarungsbereite Weibchen zu finden. Dieses erweiterte Umherwandern bringt sie unweigerlich in Kontakt mit Menschen. Erste Untersuchungen mit Hilfe der Radiotelemetrie ergaben, dass die weiblichen Chilenischen Waldkatzen nur kleine, abgegrenzte Territorien haben und nicht so weit umherziehen wie die Männchen. Für die Weibchen auf Chiloé ermittelte man ein durchnittliches Körpergewicht von 1,7 kg und für die Männchen 2,4 kg.

Großen Erfolg hatten die Wissenschaftler, indem man die einheimische Bevölkerung, und besonders die Jugend, mit in das Forschungsprojekt einband. Manche hatten noch nie eine lebendige Chilenische Waldkatze gesehen, und ihr Respekt wuchs, als sie sahen wie winzig diese Katzen sind und erkannten, dass sie nützliche Vertilger von Mäusen und Ratten sind. Heute sind die Kinder auf Chiloé die entschlossendsten und treuesten Verteidiger der chilenischen Waldkatze.

Ursprünglich glaubten die Einheimischen sogar, dass die Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna) ein Vampir ist, der seinen Beutetieren das Blut aussaugt. Dieser Irrglaube hatte seinen Ursache in den beiden blutigen Flecken, die man manchmal am Hals von gerissenem Geflügel fand. Wissenschaftler sind daher in die Schulen gegangen und haben in Unterrichtsstunden den Schülern das Verhalten der chilenischen Waldkatze näher gebracht und erklärt, dass die vermeintlichen Vampirbisse von den Eckzähnen der Katze stammen. Heute ist dieser Mythos von der Insel weitgehend verschwunden.

Fortpflanzung

Bis heute ist über das Fortpflanzungsverhalten der chilenischen Waldkatze (Leopardus guigna) recht wenig bekannt. Nach einer Tragzeit von vermutlich 72 - 78 Tagen werden ein bis vier Kätzchen geboren. Von nur einem einzigen Weibchen weiß man, dass die Geschlechtsreife im Alter von zwei Jahren erreicht wird. In Gefangenschaft haben Chilenische Waldkatzen ein Alter von 11 Jahren erreicht. Gegenwärtig gibt es in den Zoos keine chilenischen Waldkatzen, nur eine private chilenische Einrichtung versucht diese kleinen Katzen zu züchten und beherbergt mehrere Tiere.

Gefährdung

Die Bestandszahlen der Populationen in der Wildnis sind weitgehend unbekannt. Das relativ kleine geographische Verbreitungsgebiet macht es aber wahrscheinlich, dass die Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna) recht selten ist. Daher scheint die Zerstörung von natürlichem Lebensraum, wie dies mit zunehmendem Tempo in ganz Südamerika geschieht, die größte Bedrohung für diese kleinen Katzen zu sein. Während ihre geringe Größe die Chilenische Waldkatze vor intensiver Bejagung durch Pelztierhändler bewahrt hat, werden sie oftmals Opfer von Fallen, die man für Füchse ausgelegt hat. Manchmal werden sie auch wegen der Bedrohung für Geflügel verfolgt.

In beiden Staaten ihres Verbreitungsgebietes ist die Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna) strengstens geschützt und in Argentinien gibt es mehrere Schutzgebiete, die eigens für sie eingerichtet wurden. Das Washinghtoner Artenschutzabkommen listet die Chilenische Waldkatze auf Anhang II. Wie bei anderen seltenen und kleinen Säugetieren besteht die Gefahr, dass sie für immer verschwindet, bevor man genug über ihr Verhalten und ihre ökologischen Anforderungen in Erfahrung bringen können.

Die Chilenische Waldkatze (Leopardus guigna) ist nach Ansicht mancher Zoologen keine eigenständige Art, sondern eine Unterart der Kleinfleckkatze. Molekularbiologische Studien konnten die nahe Verwandtschaft beider Arten nachweisen, sodass sie auf jeden Fall Schwesterarten darstellen, die nächste verwandte Art ist die Pampaskatze (Leopardus colocolo).

In der Frage der Gattungszugehörigkeit gibt es Unstimmigkeiten. In älteren Werken wurde die Chilenische Waldkatze - wie fast alle Katzen - als Felis guigna in die Gattung Felis eingeordnet, später wurde sie mit den zwei oben erwähnten Arten zur Gattung Oncifelis gestellt. Jüngste Systematiken wie Wilson & Reeder (2005) ordnen diese Gattung schließlich bei den Pardelkatzen (Leopardus) ein, deren bekanntester Vertreter der Ozelot ist.

Es werden zwei Unterarten unterschieden:

Leopardus guigna trigillo (Zentralchile, keine Flecken auf den Füßen)
Leopardus guigna guigna (Südchile, kleiner, heller, Flecken auf den Füßen)


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