Unberechenbare Korallenriffe des Anthropozäns



Bio-News vom 02.11.2020

Korallenriffe, die vom Menschen beeinflusst sind, reagieren unvorhersehbar auf Umweltstress. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten umfassende Datensätze aus über 60 Riffstandorten im Südpazifik. Für den Erhalt und das Management von Korallenriffen sind die Ergebnisse ihrer neuen Studie von grundlegender Bedeutung.

Physikalische Stressfaktoren, die mit dem Klimawandel einhergehen, wie häufige und starke Stürme oder die Erwärmung der Ozeane, können Korallenriffen extrem zusetzen und sie gravierend verändern. Anhand modellbasierter Berechnungen sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler voraus, wie sich die Riffe nach derartigen Ereignissen entwickeln werden. Empfehlungen für das Management von Riffen basieren auf solchen Erkenntnissen.

Menschliche Einflüsse können Korallenriffe stark beeinträchtigen, doch wie sie die Reaktion der Riffe auf Umweltstress beeinflussen, wurde bisher kaum untersucht. Studien zu den Auswirkungen von Stressfaktoren wie Stürme oder Klimaerwärmung wurden in der Vergangenheit meist an naturbelassenen Riffen durchgeführt.


Korallenriff vor Bonetambung, einer bewohnten Insel im indonesischen Spermonde-Archipel.

Publikation:


Ford, A.K., Jouffray, J.-B., Norström, A.V., Moore, B.R., Nugues, M.M., Williams, G.J., Bejarano, S., Magron, F., Wild, C., Ferse, S.C.A.
Local Human Impacts Disrupt Relationships Between Benthic Reef Assemblages and Environmental Predictors
Frontiers in Marine Science 7:794. (794)

DOI: 10.3389/fmars.2020.571115



Mehr als die Hälfte aller Korallenriffe weltweit liegt jedoch in direkter Nähe zu menschlichen Siedlungen. Neue Ergebnisse eines Forscherteams unter der Leitung des Riffökologen Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) zeigen nun, dass Riffe unter menschlichem Einfluss ganz anders als ungestörte Riffe auf Umweltveränderungen reagieren.

Für ihre Studie nutzte das Team einen umfangreichen Satz an ökologischen und sozioökonomischen Daten aus 62 Riffstandorten in 17 Inselstaaten und Territorien des Südpazifiks, wo Küstenbewohner schon seit Jahrhunderten mit und von den Riffen leben. Die Daten teilten sie in drei Kategorien: Artengemeinschaft im Riff, physikalische Einflüsse wie Stürme, Wassertemperatur oder -tiefe und menschliche Faktoren wie Besiedlungsdichte an den Küsten und die Nähe der Riffe zu Märkten.

An den verschiedenen Standorten waren die Riffe den schädigenden Einflüssen von Umwelt und Mensch in unterschiedlichem Ausmaß ausgesetzt. Es zeigte sich: je stärker ein Riff unter menschlichem Einfluss stand, desto weniger lebende Korallen waren vorhanden und desto stärker war es von feinen Turfalgen überwuchert. Die Forscherinnen und Forscher überraschte, dass die Reaktion der Riffe auf physikalische Stressfaktoren unvorhersehbarer wurde, die Stressoren konnten den Zustand der Riffe nur noch zu 10% erklären.

„Menschen verändern Riffe auf lokaler Ebene: sie fangen etwa bestimmte pflanzenfressende Fische weg, die das Algenwachstum in Schach halten, oder setzen die Riffe Abwässern und Einträgen aus der Landwirtschaft aus“, erklärt Riffökologin Amanda Ford vom ZMT, Erstautorin der Studie. Empfindliche Arten verschwinden dadurch, die Artenvielfalt und der Genpool in Riffen nimmt ab und somit auch ihre Anpassungsfähigkeit an Stressfaktoren wie die Erwärmung der Ozeane.

Schätzungsweise eine halbe Milliarde Menschen profitiert von den ökologischen Dienstleistungen der Korallenriffe, sei es durch Fischerei, Tourismus oder Küstenschutz. Diese Riffe und ihre Artenvielfalt zu erhalten, ist für die jeweiligen Länder und Inselstaaten von zentraler Bedeutung. „In Anbetracht des Klimawandels, aber auch ungewöhnlicher Wettermuster und immer häufiger auftretender Stürme brauchen wir zuverlässige Prognosen über die Zukunft dieser wertvollen Ökosysteme“, so Sebastian Ferse. „Die Riffökologie des Anthropozäns muss lokale menschliche Einflüsse stärker einbeziehen als es bisher der Fall war.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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