Schnelle Evolution: Neue Erkenntnisse zu ihren molekularen Mechanismen



Bio-News vom 14.08.2019

Konstanzer Evolutionsbiologen analysieren die Rolle von microRNAs in der Entstehung neuer Arten.

Die Entstehung neuer Arten ist noch immer nicht vollständig verstanden. Welche evolutionären Prozesse führen dazu, dass sich aus einer Tierart heraus eine neue Spezies bildet? In der Evolutionsbiologie wurde klassischerweise davon ausgegangen, dass die geographische Trennung einer Tierpopulation ein entscheidender Faktor ist (allopatrische Artbildung): Eine Tierart wird in zwei oder mehrere vollständig voneinander abgeschottete Teilpopulationen separiert, so dass es keinen genetischen Austausch zwischen den abgespalteten Gruppen mehr gibt.


Die Midas-Buntbarsche in den Kraterseen Nicaraguas zählen zu den bekanntesten Beispielen für sympatrische Artbildung. Aus einer gemeinsamen Population heraus entwickelten sie sich innerhalb von weniger als 22.000 Jahren zu einer Vielzahl eigenständiger Arten weiter.

Publikation:


Paolo Franchini, Peiwen Xiong, Carmelo Fruciano, Ralf F Schneider, Joost M Woltering, C Darrin Hulsey, Axel Meyer
MicroRNA gene regulation in extremely young and parallel adaptive radiations of crater lake cichlid fish
Molecular Biology and Evolution, msz168

DOI: 10.1093/molbev/msz168



Die Teilpopulationen passen sich an ihren jeweiligen Lebensraum an und entwickeln sich in der Folge zu eigenständigen Arten mit voneinander abweichenden Merkmalen weiter. Der Konstanzer Evolutionsbiologe Prof. Dr. Axel Meyer konnte in den vergangenen Jahren jedoch nachweisen, dass die Entstehung einer neuen Art im gemeinsamen Lebensraum mit ihrer Ursprungspopulation und unter genetischem Austausch mit ihr (sympatrische Artbildung) nicht nur vorkommt, sondern sogar überraschend häufig auftritt.

Seine Arbeitsgruppe erforscht die ökologischen und genetischen Mechanismen, die hinter der sympatrischen Artbildung stehen. In einer aktuellen Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin „Molecular Biology and Evolution“ weisen Axel Meyer und seine Mitarbeiter Dr. Paolo Franchini, Peiwen Xiong, Carmelo Fruciano, Ralf Schneider, Joost Woltering und Darrin Hulsey die maßgebliche Rolle der Ribonukleinsäure microRNA in der sympatrischen Artbildung nach.

Rasante Evolution von Buntbarschen

Die Forscher um Axel Meyer fanden in Midas-Buntbarschen aus den vulkanischen Kraterseen Nicaraguas das perfekte Beispiel für ihre Analysen. Diese Buntbarsche sind bekannt für ihre außergewöhnlich schnelle evolutionäre Anpassung und Artbildung. Die Fische stammen ursprünglich aus einer gemeinsamen Population aus den großen Seen Nicaraguas, passten sich aber nach ihrer Umsiedlung in die vergleichsweise jungen Kraterseen an neue ökologische Nischen an, bildeten neue Merkmale aus (z. B. eine schlankere Körperform oder ein neues Gebiss) und entwickelten sich innerhalb von weniger als 22.000 Jahren zu einer Vielzahl eigenständiger Arten weiter.

Eine Besonderheit ist, dass sich diese Midas-Buntbarsche teils wiederholt in derselben Population zu unterschiedlichen Arten weiterentwickelten, indem sie sich im gemeinsamen Lebensraum auf unterschiedliche ökologische Nischen spezialisierten. Die Midas-Buntbarsche Nicaraguas zählen zu den bekanntesten Beispielen für sympatrische Artbildung.

microRNA

Die Konstanzer Biologen führten Genanalysen an fünf Arten der Midas-Buntbarsche aus den Kraterseen Apoyo und Xiloá durch. Sie untersuchten dabei speziell die Aufgabe der sogenannten microRNA – einer Ribonukleinsäure, die eine steuernde Wirkung im Prozess der Genexpression innehat und selbst nicht in ein Protein übersetzt wird. Die Forscher stellten eine erhöhte Aktivität von microRNA einen Tag nach dem Schlüpfen von Jungfischen fest – in einer Phase, in der sich die Körperformen der Fische heranbilden.

Sie analysierten das Zusammenspiel zwischen microRNA und der Genexpression und identifizierten konkrete Paare aus microRNA und Genen, die aufeinander einwirken. Die microRNA unterdrückt dabei die Ausprägung der jeweiligen Gene und hat somit eine steuernde Wirkung: Je stärker eine bestimmte microRNA aktiv ist, desto nachdrücklicher wird das zugehörige Gen unterdrückt oder „abgeschaltet“. „Unsere Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass die extrem schnell erfolgende Regulation von microRNA zur rasanten sympatrischen Artbildung der Midas-Buntbarsche beiträgt“, schildert Paolo Franchini.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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