Neue Software erlaubt die schnelle und unkomplizierte Analyse von Umweltmikroben



Bio-News vom 06.11.2020

Eine nutzerfreundliche Methode, die es erlaubt, aus den Rohdaten von Metagenomen die SSU rRNA zu rekonstruieren und analysieren. Entwickelt von Forschenden des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie.

Mit welchem Organismus sie es zu tun haben, bestimmen Mikrobiologen oft mithilfe der kleinen Untereinheit der ribosomalen RNA, der sogenannten SSU rRNA. Dieses Marker-Gen erlaubt es, fast jedes Lebewesen, also nicht nur Bakterien, sondern beispielsweise auch Tiere, zu identifizieren und ihnen damit ihren Platz im Stammbaum des Lebens zuzuweisen. Kennt man die Position im Stammbaum, kann man spezifische Sonden entwickeln, um mit diesen die gefundenen Organismen sichtbar zu machen – eine Methode namens FISH (Fluoreszenz in situ Hybridisierung).


Die beiden Hauptautoren teilen eine Leidenschaft für Bioinformatik und symbiotische Lebewesen im Meeressand. Hier suchen unter dem Mikroskop nach kleinen Würmern, auf der Carrie Bow Cay Field Station in Belize.

Publikation:


Gruber-Vodicka HR, Seah BKB, Pruesse E.
phyloFlash: rapid small-subunit rRNA profiling and targeted assembly from metagenomes
mSystems 5:e00920-20

DOI: 10.1128/mSystems.00920-20



FISH nutzt man beispielsweise, um Zellen zu sortieren oder die Morphologie oder Lage von Organismen zueinander mikroskopisch zu erfassen. Insgesamt wird diese essentielle Methode der molekularen Ökologie – die von der DNA zum SSU rRNA-Gen zum Stammbaum und schließlich zum Bild führt – „full-cycle rRNA-Ansatz“ genannt. Um die SSU rRNA erfassbar zu machen, wurde sie traditionell mittels Polymerase-Kettenreaktionen (PCR) vervielfacht. Heute wird die PCR zusehends von der sogenannten Metagenomik, die die Gesamtheit aller Gene in einem Lebensraum erfasst, abgelöst.

Rasante methodische Fortschritte erlauben mittlerweile die schnelle und effiziente Produktion großer metagenomischer Datenmengen. Hierbei erfolgt die Analyse über deutlich kürzere DNA-Sequenzabschnitte, viel kürzer als das SSU rRNA-Gen, die anschließend aufwändig zusammengesetzt (assembliert) und dann in sogenannte MAGs („Metagenom-assemblierte Genome“) eingeteilt werden. Die kurzen Genschnipsel liefern keine vollständige SSU rRNA, und selbst in vielen Assemblierungen und den resultierenden MAGs finden wir dieses so wichtige Marker-Gen nicht. Dadurch ist es nur schwer möglich, die in den Metagenomen gefundenen Organismen molekular zu identifizieren, mit bestehenden Datenbanken zu vergleichen oder sie gar sie mit FISH spezifisch zu visualisieren.

phyloFlash schafft Abhilfe

Forschende am Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie stellen nun eine Methode vor, die diese Lücke schließt und es erlaubt, aus den Rohdaten von Metagenomen die SSU rRNA zu rekonstruieren und analysieren. „Die Software namens phyloFlash, die über GitHub frei verfügbar ist, verbindet den full-cycle rRNA Ansatz zur Identifizierung und Visualisierung nicht-kultivierter Mikroorganismen mit den metagenomischen Analysen; beides Techniken die am Bremer Max-Planck-Institut gut etabliert sind“, erklärt Harald Gruber-Vodicka, der die Methode federführend entwickelt hat. „phyloFlash umfasst alle erforderlichen Schritte, von der Vorbereitung der nötigen Genom-Datenbank (in diesem Fall SILVA), der Datenextraktion und taxonomischen Klassifizierung über die Assemblierung bis zur Verbindung der SSU rRNA-Sequenzen mit MAGs.“ Zudem ist die Software sehr nutzerfreundlich und sowohl Installation als auch Anwendung sind weitgehend automatisiert.

Besonders geeignet für einfache Gemeinschaften

Gruber-Vodicka und sein Kollege Brandon Seah – beide sind Erstautoren der Veröffentlichung in der Fachzeitschrift mSystems, in der phyloFlash nun vorgestellt wird – kommen eigentlich aus der Symbioseforschung. Die Gemeinschaften, mit denen sie es dort zu tun haben, sind vergleichsweise einfach: Üblicherweise ist es ein Wirtsorganismus, der mit einem oder mehreren mikrobiellen Symbionten zusammenwohnt. Solche Gemeinschaften eigenen sich besonders gut für die Analyse mit phyloFlash. „Wir forschen beispielsweise viel an der Tiefseemuschel Bathymodiolus, die gleich mehrere bakterielle Untermieter beherbergt“, so Gruber-Vodicka. „Anhand dieser bekannten Gemeinschaft konnten wir gut prüfen, ob und wie verlässlich phyloFlash funktioniert.“ Und tatsächlich identifizierte die neue Software zuverlässig sowohl die Muschel als auch ihre verschiedenen Symbionten. Niko Leisch, ebenfalls Symbioseforscher am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, testete phyloFlash an kleinen marinen Fadenwürmern. Bei Analysen verschiedener dieser unscheinbaren Würmer zeigte sich, dass einige der untersuchten Arten mit bisher unbekannten Symbionten assoziiert zu sein scheinen. „Diese spannenden Einblicke unterstreichen das große Potenzial unserer einfachen und schnellen Methode“, betont Gruber-Vodicka.

OpenSource und universell einsetzbar

phyloFlash ist eine OpenSource-Software. Durch ausführliche Dokumentation und eine sehr aktive Gemeinschaft ist ihre kontinuierliche Prüfung und Weiterentwicklung sichergestellt. „phyloFlash ist sicher nicht nur für Mikrobiologen interessant“, betont Gruber-Vodicka. „Schon jetzt greifen zahlreiche Forschende aus vielfältigen Fachgebieten auf unsere Software zu. Hilfreich dafür war sicherlich die einfache Installation, die die Schwelle zur Benutzung sehr niedrig macht.“ Dieser einfache Zugang und der interaktive Charakter ist auch Brandon Seah, der mittlerweile am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie tätig ist, besonders wichtig: „Das Befriedigendste für mich an diesem Projekt ist es zu sehen, wie andere Menschen unsere Software für ihre eigene Forschung nutzen“, sagt Seah. „Von Anfang an haben wir als Reaktion auf das Feedback unserer Nutzer Funktionen hinzugefügt und die Software weiterentwickelt. Diese Nutzer sind nicht nur Kolleginnen und Kollegen am Ende des Flurs, sondern auch Menschen von der anderen Seite der Welt, die es ausprobiert haben und online mit uns in Kontakt getreten sind. Das unterstreicht, wie Open Source produktiver und vorteilhafter sowohl für die Softwareentwicklung als auch für die Wissenschaft ist.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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