Gräser können sich ohne Evolution anpassen



Bio-News vom 19.02.2019

Um sich an die Umwelt anzupassen, übernehmen Gräser bestimmte Gene von verwandten Arten – und dies auf direktem Weg von Pflanze zu Pflanze, ohne Evolution über mehrere Generationen. Dies zeigt eine neue Studie unter Mitarbeit von Forschenden der Universität Bern.

«Survival of the Fittest»: Gemäss der Darwin’schen Evolutionstheorie überleben in der Natur die am besten an die Umwelt angepassten Individuen. Diese Anpassungen werden über die Mutation von Genen bei der sexuellen Fortpflanzung erreicht und geschehen somit «vertikal» – also von Generation zu Generation. Es gibt aber auch einen anderen, einen «horizontalen» Weg.

In einer neuen Studie hat ein internationales Team unter Mitarbeit von Forschenden des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern das Genom des Wildgrases Alloteropsis semialata sequenziert und festgestellt: Das Genmaterial enthält fast 60 Gene, welche die Pflanze über den sogenannten horizontalen Gentransfer erworben hat. Diese Gene wurden ohne Fortpflanzung direkt von Gras zu Gras übertragen und stammen von mindestens neun verschiedenen anderen Grasarten. Die Studie wurde im Journal Proceedings of the National Academy of Sciences publiziert.


Alloteropsis semialata in einer bewaldeten Savanne in Sambia. Die Studie zeigte, dass zwei Genfragmente von T. Triandra (Bild 2) in das Genom von A. semialata-Populationen integriert wuden.

Publikation:


Luke T. Dunning, Jill K. Olofsson, Christian Parisod, Rimjhim Roy Choudhury, Jose J. Moreno-Villena, Yang Yang, Jacqueline Dionora, W. Paul Quick, Minkyu Park, Jeffrey L. Bennetzen, Guillaume Besnard, Patrik Nosil, Colin P. Osborne, and Pascal-Antoine Christin
Lateral transfers of large DNA fragments spread functional genes among grasses
PNAS

DOI: 10.1073/pnas.1810031116



Bei Bakterien weit verbreitet

Der horizontale Gentransfer ist ein bereits bekannter Mechanismus. In der Natur konnte dieser Vorgang bisher vor allem bei Bakterien nachgewiesen werden, die das Erbgut in einer mobilen Form zwischen den Individuen weitergeben können. Bei Pflanzen wurde der horizontale Gentransfer hingegen erst sehr selten nachgewiesen. «Die Ergebnisse zeigen, dass sich einige Pflanzen mit Hilfe der Gene von mehr oder weniger nahe verwandten Arten relativ schnell an Umweltveränderungen anpassen können», sagt Christian Parisod, Studien-Mitautor und Professor am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern. Unter den übertragenen Genen fanden die Forschenden unter anderem Codes für Enzyme zur Photosynthese, für Krankheitsresistenz-Proteine oder Bodenanpassungs-Proteine.

Ähnlichkeit in der DNA

Zu den Ergebnissen kamen die Forschenden, indem sie auf Chromosomenebene das Genom von Alloteropsis semilata analysierten und es mit den Gen-Daten von 146 anderen Grasarten verglichen. Dabei identifizierten sie DNA-Sequenzen in Alloteropsis semilata, die denjenigen von anderen Arten stark glichen. «Laut unseren Resultaten kann das nur bedeuten, dass sie durch horizontalen Gentransfer erworben wurden», erklärt Parisod. Die Forschenden haben zudem verschiedene Proben des Grases aus tropischen und subtropischen Regionen in Asien, Afrika und Australien gesammelt und damit festgestellt, wann und wo die Transfers stattfanden.

Natürliche Gentechnik

Der nächste grosse Schritt auf diesem Forschungsgebiet wird es sein, den biologischen Mechanismus hinter dem horizontalen Gentransfer zwischen Pflanzen zu verstehen. Denn im Gegensatz zum Gen-Austausch zwischen Bakterien ist der Vorgang beim Transfer zwischen Pflanzen noch nicht erklärt. Einen wichtigen Zusammenhang zeigen die Ergebnisse aber bereits jetzt auf: «Menschen verändern mit Gentechnik gezielt die DNA von Pflanzen. Bisher wussten wir jedoch nicht, dass dies Gräser auf natürliche Weise ebenfalls tun», erklärt Christian Parisod. «Die Forschung dazu wird uns in Zukunft dabei helfen, zu verstehen, wie Gene aus gentechnisch veränderten Pflanzen in Wildarten oder andere nicht gentechnisch veränderte Pflanzen übertragen werden. So können Lösungen erarbeitet werden, um die unkontrollierte Übertragung von gentechnisch verändertem Erbgut besser einzudämmen.»


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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