Biodiversitäts-Kollaps im östlichen Mittelmeer



Bio-News vom 06.01.2021

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Paolo G. Albano vom Institut für Paläontologie der Universität Wien hat den dramatischen Zusammenbruch der Biodiversität im östlichen Mittelmeerraum mit bis zu 95 Prozent der heimischen Arten beziffert. Die meisten heimischen Arten sterben regional aus, während sich eingeführte tropische Arten rasch vermehren.

Die Küstengewässer Israels gehören zu den wärmsten im Mittelmeer. Die meisten marinen Arten waren hier historisch gesehen an ihrer Toleranzgrenze in Bezug auf hohe Wassertemperaturen. Diese Grenze wurde durch den Anstieg der Meerestemperatur in den letzten Jahrzehnten klar überschritten, wie eine aktuelle internationale Studie unter der Leitung von Paolo Albano vom Institut für Paläontologie aufzeigt: Die Temperatur übersteigt infolge des Klimawandels das, was die mediterranen Arten aushalten können – die heimische Biodiversität stirbt dort, regional gesehen, daher großteils aus.


Mollusken einer Probe aus dem Süden Israels: Die rot markierten Arten stammen aus dem Roten Meer, die blauen aus dem Mittelmeer. Im östlichen Mittelmeer haben tropische Arten die Führung übernommen.

Publikation:


Albano P.G., Steger J., Bošnjak M., Dunne B., Guifarro Z., Turapova E., Hua Q., Kaufman D.S., Rilov G., Zuschin M.
Native biodiversity collapse in the Eastern Mediterranean
Proceedings of the Royal Society B, 2021

DOI: 10.1098/rspb.2020.2469



Das Team um Paolo Albano konnte das regionale Aussterben für marine Mollusken beziffern, also jene Gruppe der Wirbellosen, die u.a. Schnecken und Muscheln umfasst. Dafür wurde entlang der israelischen Küste die historische Artenvielfalt anhand der leeren Schalen auf dem Meeresboden rekonstruiert und mit dem derzeitigen Vorkommen verglichen. So konnten die Forscherinnen und Forscher einen dramatischen Rückgang der Arten nachweisen.


Muschelbank

Rückgang der Biodiversität in jüngster Zeit

Am stärksten betroffen sind demnach die seichten Lebensräume in Tauchtiefen: Hier konnte das Team von bis zu 95 Prozent jener Arten, deren Schalen in den Sedimenten vorhanden waren, keine lebenden Individuen mehr finden. Die Studie deutet darauf hin, dass der größte Teil dieses Verlustes in jüngster Zeit, möglicherweise erst in den letzten Jahrzehnten, stattgefunden hat.

Auch von den Arten, die lebend gefunden wurden, konnten die meisten nicht genug wachsen, um sich fortzupflanzen – "ein klares Zeichen dafür, dass sich der Zusammenbruch der Artenvielfalt weiter fortsetzen wird" – so Paolo Albano. Im Gegensatz dazu gedeihen die tropischen Arten, die über den Suezkanal einwandern, prächtig: Das warme Wasser, das sie im östlichen Mittelmeer vorfinden, ist für ihre Ansiedlung sehr gut geeignet, und tatsächlich kommen sie in großen Populationen und mit voll fortpflanzungsfähigen Individuen vor.

Die Zukunftsaussichten für das Mittelmeer sind der Studie zufolge schlecht: Selbst wenn die Kohlendioxid-Emissionen heute gestoppt würden, würde sich das Meer noch lange weiter erwärmen. Dafür sorgt die Trägheit des Systems, quasi der lange Bremsweg der Erderwärmung.

Demnach ist es also sehr wahrscheinlich, dass sich der Biodiversitätskollaps weiter nach Westen ausbreiten und verstärken wird; außerdem könnte derselbe Prozess in anderen, noch nicht untersuchten Gebieten des östlichen Mittelmeers auch bereits ablaufen. Lediglich im Gezeitenbereich, wo Organismen in gewissem Maße an Temperaturextreme vorangepasst sind, und in tieferen und damit kühleren Meeresregionen, dürften die einheimischen Arten noch überleben – zumindest für einige Zeit.

Sofortiges Handeln nötig

"Doch die Zukunft ist düster, wenn wir nicht sofort handeln, um unsere Kohlenstoff-Emissionen zu reduzieren und die Lebensräume im Meer vor anderen Belastungen zu schützen, die zum Verlust der Artenvielfalt beitragen", warnt Paolo Albano. "Die bereits eingetretenen Veränderungen in den wärmsten Gebieten des Mittelmeers sind möglicherweise nicht umkehrbar, aber wir könnten große Teile des restlichen Meeresbeckens retten!"

Methodisch war die Studie auch aufgrund ihres interdisziplinären Charakters interessant: "Diese Ergebnisse sind durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit sehr unterschiedlichem Hintergrund entstanden", erklärt Martin Zuschin, Leiter des Instituts für Paläontologie an der Universität Wien und Ko-Autor der Studie. "Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Ökolog*innen und Paläontologinnen und Paläontolologen liefert einzigartige neue Einsichten darüber, wie der Mensch die Biodiversität beeinflusst."


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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