Ungeschlechtliche Vermehrung


Unter ungeschlechtlicher oder asexueller Vermehrung versteht man die Reproduktion von Lebewesen unter Erhöhung der Individuenzahl, bei der die Nachkommen ausschließlich die Gene eines Elternteils enthalten und zwar – abgesehen von Mutationen – in identischer Kopie. Synonyme sind: Agamogonie (altgriechisch γἅμος gamos Heirat, Ehe und γονἡ gone Erzeugung, Geburt) und Monogonie (altgriechisch μόνος allein, einzig und γονἡ gone Erzeugung, Geburt). Die Ausdrücke ungeschlechtliche oder asexuelle Fortpflanzung lassen offen, ob bei der Fortpflanzung die Anzahl der Individuen wächst.

Mechanismen

Entscheidendes Merkmal der ungeschlechtlichen Vermehrung ist, dass die Nachkommen ohne Rekombination und nicht aus Geschlechtszellen – also nicht direkt aus einer Meiose oder Befruchtung – entstehen. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung dagegen erhalten die Nachkommen nach einer Meiose oder einer Befruchtung (wo Rekombinationen stattfinden) Gene beider Elternteile – bei der Parthenogenese (eingeschlechtliche Fortpflanzung) oder Selbstbefruchtung (Autogamie) nur von einem Elter – aber dennoch rekombiniert.

Nicht zur ungeschlechtlichen Vermehrung gehören die Selbstbefruchtung bei manchen Zwittern, insbesondere Pflanzen. Die Parthenogenese gehört je nach Subtyp entweder zur ungeschlechtlichen Vermehrung (siehe auch Apomixis) oder zur sexuellen Fortpflanzung (apomiktische Parthenogenese).

Der Hauptvorteil der ungeschlechtlichen Vermehrung gegenüber der geschlechtlichen Fortpflanzung besteht darin, dass die Nachkommen weitestgehend genetisch identisch sind (keine Rekombination). Vorteilhafte Genkombinationen, oder Genkombinationen bei denen keine geregelte Meiose möglich ist (siehe Polyploidie) können so erhalten werden. Im Vergleich zur geschlechtlichen Fortpflanzung mithilfe eines Sexualpartners, entfällt bei der ungeschlechtlichen Vermehrung, genau wie bei der Autogamie, die mitunter zeitintensive und ressourcenverbrauchende Suche nach Sexualpartnern.

Der Nachteil der ungeschlechtlichen Vermehrung gegenüber der geschlechtlichen Fortpflanzung besteht im Fehlen der Rekombination, also im fehlenden Austausch von Erbmaterial. Dies verhindert eine Neuentstehung von möglicherweise vorteilhaften Genkombinationen. Nur sehr wenige Eukaryoten verzichten darum ganz auf geschlechtliche Fortpflanzung. Die Prokaryoten, die sich nur ungeschlechtlich vermehren können, haben das Problem der Rekombination anderweitig gelöst (Horizontaler Gentransfer).

Beispiele

Ungeschlechtliche Vermehrung ist bei Lebewesen aus verschiedenen systematischen Einheiten zu finden.

  • Quer- oder Längsteilung der Zellen bei Einzellern, einzelligen Algen, Archaeen und Bakterien
  • Zytogonie, Abschnürung von Tochterzellen von einer Mutterzelle bei Protozoen
  • Sprossung und Abschnürung bei Hefen
  • Schizogonie, Zerfall einer Zelle in viele Zellen bei einigen Protozoen
  • Teilen von Pilzfäden (=Hyphen) – so findet die Ansteckung mit Fußpilzen in Schwimmbädern statt
  • Schimmelpilze bilden durch Mitose Sporen, die als Enden von Pilzhyphen erkennbar sind (Konidien)
  • Ausläufer oder Brutknospen bei Pflanzen.
  • Bei höheren Pflanzen kann man Ableger durch mehrtägiges Feuchthalten von Blättern, bzw. Stielen und Ästen züchten (so genannte Stecklinge)
  • Pflanzen mit Auslegern, wie die Erdbeere, kriechender Hahnenfuß u.a., bilden Tochterpflanzen in einiger Entfernung.
  • Kartoffeln bilden unterirdische Sprossknollen, Dahlien und Scharbockskraut bilden Wurzelknollen. Aus den Knollen wächst dann in der folgenden Blühperiode eine neue Pflanze.
  • Wenige Ringelwurmarten werfen Körpersegmente ab, aus denen neue Würmer wachsen.
  • Die Polyembryonie kann zur Entstehung von eineiigen Zwillingen nach der geschlechtlichen Fortpflanzung führen.
  • Die Erzeugung induzierter pluripotenter Stammzellen und der somatische Zellkerntransfer sind künstliche Methoden zur ungeschlechtlichen Erzeugung von Embryonen. Dagegen erfordert die künstliche Befruchtung noch eine Meiose in den Gameten beider Spender und besitzt somit noch wesentliche Merkmale der geschlechtlichen Vermehrung.

Evolution

Die ersten entstandenen Lebewesen pflanzten sich ungeschlechtlich fort. Erst im späten Proterozoikum (vor etwa 700–800 Millionen Jahren) trat geschlechtliche Fortpflanzung auf. Mit dieser Entwicklung ging das Entstehen vieler neuer Lebensformen einher. Man vermutet daher, dass die Vielfalt der Lebewesen auf der Erde erst durch die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung möglich wurde.

Literatur

  • Friedrich W. Stöcker, Gerhard Dietrich (Hrsg.): Brockhaus abc Biologie. 7. Auflage. Brockhaus, Leipzig, 1986, ISBN 3-325-00071-1.

Siehe auch

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