Stiripentol


Strukturformel
Strukturformel von Stiripentol
(R)-Stiripentol (oben) und (S)-Stiripentol (unten), 1:1-Stereoisomerengemisch
Allgemeines
Freiname Stiripentol
Andere Namen

IUPAC: (RS)-(E)-1-(1,3-Benzodioxol-5-yl)-
4,4-dimethylpent-1-en-3-ol

Summenformel C14H18O3
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 49763-96-4
PubChem 5311454
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

N03AX17

Wirkstoffklasse

Antikonvulsivum

Eigenschaften
Molare Masse 234,29 g·mol−1
Schmelzpunkt

74 °C [1]

Löslichkeit

Leicht löslich in Aceton und Ethanol, mäßig löslich in Chloroform, unlöslich in Wasser [1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Stiripentol (Handelsname europaweit Diacomit®; Hersteller: Biocodex; Vertrieb in Deutschland: Desitin) ist ein Arzneistoff, der in der Behandlung der schweren myoklonischen Epilepsie des Kindesalters (SMEI, Dravet-Syndrom) eingesetzt wird.

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Stiripentol besitzt nur eine sehr eingeschränkte Zulassung. Es kann in Verbindung mit Clobazam und Valproinsäure als Zusatztherapie bei schwer behandelbaren generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Kindern mit schwerer myoklonischer Epilepsie (Dravet-Syndrom) eingesetzt werden, deren Anfälle sich mit Clobazam und Valproat nicht angemessen behandeln lassen.[4]

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Stiripentol hemmt mehrere Enzyme im Leberstoffwechsel, insbesondere CYP450 3A4 und 2C19, die auch am Abbau anderer Antiepileptika beteiligt sind.[4]

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Die folgenden unerwünschten Wirkungen treten sehr häufig auf: Appetitlosigkeit, Ataxie, Benommenheit, Dystonie, Gewichtsabnahme (vor allem in Kombination mit Valproinsäure), Muskelschwäche oder Schlafstörungen.

Häufig treten ablehnendes Verhalten, Aggressivität, Brechreiz, Erbrechen, erhöhte Leberwerte (vor allem in Kombination mit Carbamazepin und Valproinsäure), Erregungszustände, Hyperkinese, Reizbarkeit, reversible Neutropenie, Verhaltensstörungen oder Übelkeit auf.[5]

Pharmakologische Eigenschaften

Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)

Stiripentol wirkt als positiver allosterischer Modulator am GABAA-Rezeptor. An diesem Rezeptor, der aus Untereinheiten zusammengesetzt ist, bindet Stiripentol verstärkt an den Untereinheiten α3 und δ.[6] Es bedarf, im Gegensatz zu den Benzodiazepinen, zu dieser Bindung keiner γ-Untereinheit. Das physiologische Vorkommen von GABAA-Rezeptoren mit α3-Untereinheiten ist entwicklungsabhängig und ist im jungen, noch unausgereiften Gehirn von Säugetieren am höchsten.[7] Der rechtsdrehende Wirkstoff (siehe Infobox, Formel I) zeigt eine ausgeprägtere antikonvulsive Wirksamkeit als seine optische Antipode.

Stiripentol wird weiterhin zugeschrieben, die Konzentration von γ-Aminobuttersäure (GABA) — dem wichtigsten hemmenden Botenstoff im Nervensystem — zu erhöhen. Ursachen dafür könnten eine Hemmung der Wiederaufnahme von GABA in die Synapsen oder eine Hemmung des Abbaus von GABA sein. Eine weiterer Wirkweise könnte eine Verstärkung der Wirkung von GABA mittels eines Barbiturat-ähnlichen Mechanismus sein.[4]

Zusätzlich erhöht Stiripentol die Plasmakonzentration anderer Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Valproinsäure, Phenytoin, Phenobarbital und vieler Benzodiazepine durch Hemmung der am Abbau dieser Antikonvulsiva beteiligten Enzyme.

Im Tiermodell hemmt Stiripentol durch Elektroschocks oder Chemikalien hervorgerufene Krampfanfälle.[4]

Aufnahme und Verteilung im Körper (Pharmakokinetik)

Stiripentol zeigt ein atypisches, nicht-lineares pharmakokinetisches Verhalten. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 4,5–13 Stunden, wobei das rechtsdrehende Eutomer rascher eliminiert wird. Die Enantiomere beeinflussen sich in ihrer Kinetik gegenseitig. Die Plasmaproteinbindung beträgt ca. 99 %.

Metabolismus

Fünf metabolische Pfade wurden identifiziert: (i) Konjugation des Alkohols mit Glucuronsäure, (ii) Spaltung des Methylendioxy-Rings, (iii) O-Methylierung des Catechol-Metaboliten, (iv) Hydroxylierung der t-Butylgruppe, (v) Konversion der allylalkoholischen Seitenkette in eine isomere 3-Pentanon-Struktur. Dreizehn Metaboliten wurden bis heute gefunden.[8]

Sonstige Informationen

Geschichtliches

Stiripentol wurde in der Literatur erstmal 1979 beschrieben.[9] Die Entwicklung wurde unter den Bedingungen der europäischen Regularien für Arzneimittel für seltene Leiden durchgeführt (Status am 4. Dezember 2001 unter Nummer EU/3/01/071 erteilt). Am 4. Januar 2007 erhielt Stiripentol die o. a. EU-Zulassung.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; ISBN 978-0-911910-00-1.
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. 3,0 3,1 3,2 Poisson M, Huguet F, Savattier A et al. A new type of anticonvulsant, stiripentol. Pharmacological profile and neurochemical study. Arzneimittelforschung 1984; 34:199–204, PMID 6326778.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Desitin: Fachinformation Diacomit (Stand 10/2007).
  5. arznei-telegramm. Arzneimitteldatenbank. Stiripentol. Zugegriffen am 16. Dezember 2008.
  6. Fisher JL: The anti-convulsant stiripentol acts directly on the GABA(A) receptor as a positive allosteric modulator. In: Neuropharmacology. 56. Jahrgang, Nr. 1, 2009, S. 190–7, doi:10.1016/j.neuropharm.2008.06.004, PMID 18585399, PMC 2665930 (freier Volltext).
  7. Fisher JL: The effects of stiripentol on GABA(A) receptors. In: Epilepsia. 52 Suppl 2. Jahrgang, 2011, S. 76–8, doi:10.1111/j.1528-1167.2011.03008.x, PMID 21463286.
  8. Trojnar MK, Wojtal K, Trojnar MP, Czuczwar SJ: Stiripentol. A novel antiepileptic drug. In: Pharmacol Rep. 57. Jahrgang, Nr. 2, 2005, S. 154–60, PMID 15886413. Review.
  9. Wegmann R, Ilies A, Aurousseau M, Patte F. Pharmaco-cellular enzymology of the mode of action of Stiripentol during cardiazolic epilepsia. Cell Mol Biol Incl Cyto Enzymol 1979; 24:51–60. PMID 476759

Weblinks