Arzneimittelzulassung


Die Arzneimittelzulassung ist eine behördlich erteilte Genehmigung, die erforderlich ist, um ein industriell hergestelltes, verwendungsfertiges Arzneimittel anbieten, vertreiben oder abgeben zu können. Dabei wird die Zulassung auf ausdrücklich genannte Anwendungen beschränkt, die beispielsweise mit dem Beipackzettel und der Arzneipackung genannt werden müssen. Andere Anwendungen sind formal nicht zulässig, das sind die Off-Label-Anwendungen außerhalb bestehender Zulassung.

Zweck des Verfahrens

Der Zweck eines Zulassungsverfahrens für chemische Substanzen als Arzneimittel ist die Risikovorsorge und Abwehr von Gefährdungen der Gesundheit, die durch unsichere oder wirkungslose Arzneimittel entstehen könnten. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden deshalb vom Arzneimittelhersteller eingereichte Unterlagen zur pharmazeutischen Qualität, therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels durch Arzneimittelbehörden überprüft; die Angaben in den Unterlagen werden durch Inspektionen vor Ort kontrolliert.

Wirkungen der Zulassung

Mit der erteilten Zulassung wird bescheinigt, dass das Arzneimittel verkehrsfähig ist und auf den Markt gebracht werden darf, also beispielsweise in Apotheken angeboten werden kann. Für die Ärzte ist die Zulassung gleichzeitig ein Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit, dass das Arzneimittel in der angegebenen Indikation wirksam ist und somit verordnet werden kann. Die erteilte Zulassung hat aber noch weitere Wirkungen.

In der Regel ist die Arzneimittelzulassung eine Voraussetzung für die sozialrechtliche Versorgungsfähigkeit. In vielen Ländern gibt es aber weitere, von der arzneimittelrechtlichen Zulassung unabhängige, sozialrechtliche Zulassungsverfahren, die eine zusätzliche Voraussetzung für eine Erstattung der Arzneimittelkosten durch die Krankenkassen sind. Diese Regelungen sind von Land zu Land verschieden, sie beinhalten oft auch eine verbindliche Preisfestsetzung und können den Marktzugang um etliche Monate verzögern.

Ferner existieren in manchen Ländern besondere Haftungsregelungen für zugelassene Arzneimittel. In Deutschland gibt es eine besondere Gefährdungshaftung auf der Grundlage von § 84 AMG, nach der das Pharmaunternehmen bei Schädigungen durch Arzneimittel, die bestimmungsgemäß angewendet wurden, Schadensersatz zu leisten hat. Dies gilt sowohl bei Herstellungs- als auch bei Entwicklungsfehlern. Der Geschädigte muss, im Gegensatz zur Haftung nach BGB, die Kausalität zwischen der Anwendung und dem entstandenen Schaden nicht nachweisen. Diese Haftung greift aber nicht beim Off-Label-Use. Österreich hat in seinem Arzneimittelgesetz im Gegensatz zu Deutschland keine besondere Gefährdungshaftung eingeführt.

Eine gültige Zulassung ist in der EU auch für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikates gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 notwendig. Ein solches Zertifikat kann die Laufzeit eines Patentes auf das Arzneimittel um bis zu 5 Jahre verlängern.

Pflicht zum Zulassungsverfahren

In den verschiedenen Rechtsordnungen gibt es unterschiedliche Bestimmungen dazu, welche Arzneimittel der Pflicht des Zulassungsverfahrens unterliegen. In der Europäischen Union ist nach Artikel 2 der Richtlinie 2001/83/EG das Europäische Arzneimittelrecht auf solche Arzneimittel anzuwenden, die in den Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht werden sollen und die entweder gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt. Das deutsche Arzneimittelrecht bestimmt die Zulassungspflicht für Fertigarzneimittel, das österreichische Recht verwendet analog dazu den Begriff Arzneispezialität. Darunter sind im Voraus hergestellte Arzneimittel zu verstehen, die unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Packung abgegeben werden. In der Schweiz gilt die Zulassungspflicht für verwendungsfertige Arzneimittel.

Dabei wird allgemein ein umfassender Arzneimittelbegriff zugrunde gelegt, unter den beispielsweise auch Impfstoffe, viele Blutprodukte und In-vivo-Diagnostika fallen. Dabei gibt es allerdings im Einzelfall Probleme mit der Produktabgrenzung.

Zulassungspflichtige Arzneimittel machen heute den überwiegenden Teil der gebräuchlichen Arzneimittel aus. Es gibt aber eine ganze Reihe von Ausnahmen, die nach wie vor nicht unter die Zulassungspflicht fallen. In der Europäischen Union können homöopathische Arzneimittel und traditionelle pflanzliche Arzneimittel nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren, bei dem lediglich Qualität und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden müssen, in den Verkehr gebracht werden; bei registrierten Homöopathika darf dann keine Indikation angegeben werden, bei traditionell verwendeten pflanzlichen Arzneimitteln muss in der Indikationsformulierung auf die traditionelle Verwendung Bezug genommen werden. Analog dazu sieht die Schweiz für Arzneimittel der Komplementärmedizin ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor. Nicht zulassungspflichtig sind in Apotheken hergestellte Rezeptur- und Defekturarzneimittel sowie Prüfpräparate für klinische Studien. Unter bestimmten Bedingungen können (noch) nicht zugelassene Arzneimittel den Patienten im Rahmen des Compassionate Use zur Verfügung gestellt werden.

Kriterien der Zulassung

Das wichtigste Zulassungskriterium ist die Abwägung des Nutzen-Risiken-Verhältnisses; nur wenn der Nutzen des Arzneimittels die Risiken überwiegt, ist eine Zulassung gerechtfertigt. Wird das Nutzen-Risiken-Verhältnis des Arzneimittels nach erteilter Zulassung ungünstig, muss das Arzneimittel vom Markt genommen werden. Eine Arzneimittelzulassung wird immer nur für ein bestimmtes Anwendungsgebiet, eine bestimmte Indikation erteilt. Die Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels außerhalb der genehmigten Indikation wird als Off-Label-Use bezeichnet.

Voraussetzung zur Zulassung

Die Zulassungsanforderungen für Arzneimittel wurden in Europa, Nordamerika und Japan weitgehend harmonisiert. In der Europäischen Union wurden einheitliche dezentrale und zentralisierte Verfahren zur EU-weiten Zulassung eingeführt.

Die wesentlichen Voraussetzungen zur Zulassung eines Arzneimittels sind eine angemessene pharmazeutische Qualität, therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.

Der Schwerpunkt des Zulassungsverfahrens ist die Sichtung der vom Pharmaunternehmen vorgelegten Unterlagen, die die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit belegen sollen. Dabei wird von der Arzneimittelbehörde auch geprüft, ob die Herstellung, Qualitätskontrolle, nichtklinische und klinische Prüfung nach den vorgeschriebenen Arzneimittelprüfrichtlinien und den empfohlenen internationalen Leitlinien durchgeführt wurden und dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Die Arzneimittelbehörde beschränkt sich aber nicht auf die Prüfung der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen, sondern kontrolliert durch Inspektionen vor Ort, ob die Studien nach den Regeln der Guten Arbeitspraxis (GxP) durchgeführt wurden.

Seit 1990 wurden im Rahmen der International Conference on Harmonisation (ICH) wesentliche Arzneimittelprüfleitlinien zum Nachweis der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit sowie Dokumentenformate für die Zulassungsunterlagen harmonisiert. Die ICH wird von Behörden und Industrievertretern aus Europa, den USA und Japan getragen. Ziel der Harmonisierung war es, dass nichtklinische und klinische Studien aus einer Region in den anderen Regionen anerkannt werden, sodass eine mehrfache Durchführung entfällt. Die einzelnen Behörden sind aber in ihrer Beurteilung der Zulassungsanträge unabhängig, somit kommt es immer wieder vor, dass bestimmte Arzneimittel nicht in allen Regionen zugelassen sind.

Erforderliche Zulassungsunterlagen

Das Pharmaunternehmen muss mit dem Zulassungsantrag ein umfangreiches Dossier zum Arzneimittel in einem definierten Format, dem Common Technical Document-Format (CTD) einreichen. Das CTD-Dossier enthält in fünf Modulen alle Ergebnisse zur Herstellung, Forschung und Entwicklung für das betreffende Arzneimittel. Im Einzelnen enthält das Dossier im CTD Modul 1 regional spezifische Informationen und im CTD Modul 2 eine Überblick und Zusammenfassungen der folgenden Module. CTD Modul 3 enthält einen Qualitätsteil, der beschreibt, wie das Arzneimittel in hinreichender pharmazeutischer Qualität hergestellt werden kann und wie dieses analysiert und nachgewiesen wird, CTD Modul 4 die vorgeschriebenen nichtklinischen pharmakologischen und toxikologischen Studien; CTD Modul 5 umfasst sämtliche Daten aus den klinischen Studien.

Das CTD-Format wurde in der ICH entwickelt. Ziel bei der Einführung des CTD war es, dass in verschiedenen Regionen weitgehend identische Dossiers eingereicht werden können. Inzwischen ist das Format in Europa, Nordamerika und Japan vorgeschrieben. Viele Antragsteller reichen ihre Dossiers inzwischen elektronisch in Form eines eCTD ein.

Pharmazeutische Qualität

Die pharmazeutische Qualität eines Arzneimittels ist die Zusammensetzung des Arzneimittels nach Art und Menge der Bestandteile. Das deutsche Arzneimittelgesetz definiert Qualität als die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird.[1]

Für die Zulassung ist es erforderlich, dass das Arzneimittel eine nach anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweist. Diese Regeln sind unter anderem in Arzneibuch-Monografien niedergelegt. Die vorzulegenden Unterlagen beschränken sich nicht nur auf die Zusammensetzung des Arzneimittels. Das gesamte Herstellungsverfahren und die Kontrollen der Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Fertigprodukte sowie durchgeführte Haltbarkeitsstudien sind ausführlich zu dokumentieren.

Noch vor der Zulassung eines Arzneimittels muss der Hersteller eine Herstellungserlaubnis erlangen. Die Herstellung muss nach den Regeln der Good Manufacturing Practice erfolgen; dies wird durch Behörden vor Ort inspiziert. Bei Bedarf können Proben des Arzneimittels in amtlichen Arzneimitteluntersuchungsstellen auf seine pharmazeutische Qualität geprüft werden.

Zum fortdauernden Nachweis der Arzneimittelsicherheit müssen Pharmaunternehmen zahlreiche rechtliche Anforderungen[2] erfüllen, u. a. muss ein Stufenplanbeauftragter ernannt sein, es muss einen Risiko-Management-Plan geben und auch die jederzeitige Erreichbarkeit verantwortlicher Beauftragter muss sichergestellt sein.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit eines Arzneimittels ist die Summe der erwünschten Wirkungen im vorgesehenen Anwendungsgebiet.[3] Die erwünschten Wirkungen können eine Heilung oder Besserung der Krankheit sein. Zur Zulassung wird eine angemessene Wirksamkeit des Arzneimittels in der angestrebten Indikation gefordert. Darunter ist keine Erfolgsgarantie bei jedem Patienten zu verstehen, sondern eine Wahrscheinlichkeit, dass mit dem Arzneimittel therapeutische Ergebnisse erzielt werden können. Nach einem Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichtes meint der Begriff der therapeutischen Wirksamkeit die „Ursächlichkeit der Anwendung des Arzneimittels für den Heilungserfolg.“[4]

Die Wirksamkeit muss in klinischen Studien, die in der Regel als randomisierte, kontrollierte Studien durchzuführen sind, nachgewiesen werden.[5] Die Studien müssen nach den Regeln der Good Clinical Practice durchgeführt worden sein; die Behörden überprüfen dies durch Inspektionen vor Ort.

Problematisch ist, dass der Wirksamkeitsnachweis oft in Studien an Gruppen von Patienten durchgeführt wird, die beispielsweise in Alter, Geschlechterverteilung und Schwere der Krankheit nicht den Patienten im klinischen Alltag entsprechen. Es stellt sich somit im Einzelfall die Frage der Alltagsrelevanz des Wirksamkeitsnachweises.

Unbedenklichkeit

Unter dem Aspekt der Unbedenklichkeit wird in erster Linie die mögliche Schädlichkeit eines Arzneimittels beurteilt. Der Begriff Unbedenklichkeit ist seit langem im deutschen Arzneimittelrecht gebräuchlich; international wird meist von Sicherheit gesprochen. Bedenklich sind nach dem deutschen Arzneimittelgesetz Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.[6]

Es gibt kein absolutes Maß dafür, welche Nebenwirkungen hinnehmbar sind; die Bedenklichkeit ist nur in Abwägung zur Schwere der zu behandelnden Krankheit zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Unbedenklichkeit eines Arzneimittels ist somit auch die Wirksamkeit heranzuziehen. Unbedenklichkeit bedeutet nicht Unschädlichkeit. Bei Arzneimitteln, die keinerlei Nebenwirkungen zeigen, ist die Vermutung nahe liegend, dass sie auch keine therapeutische Wirksamkeit haben.

Die Unbedenklichkeit des Arzneimittels muss in nichtklinischen und klinischen Studien nachgewiesen werden. Die nichtklinische Prüfung enthält eine umfassende Toxizitätsbestimmung, die in geeigneten in vitro- und Tierversuchen durchzuführen ist. In klinischen Studien werden alle Nebenwirkungen und schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse bei den Teilnehmern sorgfältig dokumentiert und ausgewertet.

Problematisch ist, dass die Nebenwirkungen in klinischen Studien nur an einer vergleichsweise geringen Zahl von Patienten dokumentiert werden können; seltene und sehr seltene Nebenwirkungen sind so prinzipiell nicht feststellbar. Das gleiche gilt aufgrund der begrenzten Laufzeit der Studien für Langzeitfolgen. Es kann sich also zum Zeitpunkt der Zulassung nur um eine vorläufige Beurteilung handeln. Ein vollständiges Sicherheitsprofil kann sich erst bei breiter Anwendung und sorgfältiger Anwendungsüberwachung durch die Pharmakovigilanz ergeben.

Nutzen-Risiko-Verhältnis

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ist das Verhältnis der Wirksamkeit bei der Behandlung einerseits und allen möglichen Risiken im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels andererseits. Dieses Verhältnis ist von zentraler Bedeutung für die Entscheidung über die Zulassung des Arzneimittels.[7] Dabei reicht der Begriff Nutzen-Risiko-Verhältnis weiter als der Begriff der Unbedenklichkeit, da nicht nur die Risiken für den Patienten, sondern auch für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt zu berücksichtigen sind.

Für dieses Verhältnis gibt es keinen allgemein anerkannten Maßstab; dies erfordert immer einen Einzelentscheid. Ähnlich wie bei der Unbedenklichkeit kann die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zum Zeitpunkt der Zulassung nur vorläufig sein. Die mangelnde Generalisierbarkeit des aus den Zulassungsstudien abgeleiteten Nutzen-Risiko-Verhältnisses wurde beispielsweise für nichtsteroidale Antirheumatika exemplarisch gezeigt.[8]

Deshalb soll das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach der Zulassung in der Pharmakovigilanz laufend überprüft werden; wird das Verhältnis ungünstig, ist das Mittel vom Markt zu nehmen. Obwohl der Begriff des Nutzen-Risiko-Verhältnisses in der Arzneimittelbewertung seit vielen Jahren gebräuchlich ist, wurde er erst 2004 mit der Reform des EU-Arzneimittelrechts in verschiedene Artikel der EG-Richtlinien und Verordnungen eingefügt.

Für die arzneimittelrechtliche Zulassung ist der Nachweis einer den Risiken überlegenen Wirksamkeit hinreichend, eine Überlegenheit gegenüber anderen Arzneimitteln wird nicht gefordert. In jüngster Zeit wurden in vielen Ländern weitere Beurteilungsverfahren zur Nutzenbewertung oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln eingeführt, beispielsweise in Deutschland durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder im Vereinigten Königreich durch das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE). Diese Beurteilungsverfahren sind nicht Teil der Arzneimittelzulassung. Sie dienen der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln durch gesetzliche Krankenkassen.

Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels

Im Verlauf des Zulassungsverfahrens werden die wesentlichen, durch Studienergebnisse belegten und zwischen Antragsteller und Zulassungsbehörde im Wortlaut vereinbarten Informationen zum Arzneimittel in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zusammengefasst. Dieses wichtige Dokument enthält alle wesentlichen Informationen wie Indikation, Kontraindikation, Dosierung, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen einschließlich der Bewertung und Abwägung. Diese Zusammenfassung kann auch nach der Zulassung nur mit Genehmigung der Behörde geändert werden.

Zulassungsverfahren

Zulassungsverfahren werden durch nationale Regelungen und durch internationale Übereinkommen geregelt. Darüber hinaus wird der eine Zulassung begründende medizinische Hintergrund durch die Entwicklungen von der Konsens-basierten Medizin zur Evidenz-basierten Medizin fortlaufend weiter entwickelt.

Europäische Union

Im Zuge der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes wurden 1995 vereinheitlichte Verfahren zur EU-Zulassung eingeführt, so dass nicht mehr in jedem EU-Land unterschiedliche bürokratische Hürden überwunden werden müssen. Dazu wurde der Rechtsrahmen mit der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel sowie der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel in der jeweils aktuellen Fassung EU-weit harmonisiert. Es wurden verschiedene Verfahren der EU-Zulassung entwickelt, die teils auf der Koordinierung dezentraler Institutionen, teils auf Zentralisierung beruhen. Die nationalen Behörden üben aber nach wie vor in jedem Fall Schlüsselfunktionen aus.

Zentralisiertes Verfahren

Das wichtigste Verfahren für innovative Arzneimittel ist das Zentralisierte Verfahren[9] auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Dieses Verfahren ist für eine Reihe von Arzneimitteln zwingend vorgeschrieben. Dazu gehören Arzneimittel für neuartige Therapien und monoklonale Antikörper sowie Humanarzneimittel mit neuen Wirkstoffen zur Behandlung von Aids, Diabetes mellitus, Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen und anderen Immunschwächen und Viruserkrankungen. Auch Orphan-Arzneimittel zur Behandlung von seltenen Krankheiten sowie Tierarzneimittel zur Leistungssteigerung fallen zwingend unter das Verfahren. Für eine Reihe weiterer Arzneimittel ist der Zugang zu diesem Verfahren fakultativ möglich.

Im zentralisierten Verfahren sind die wissenschaftliche Beurteilung und die Zulassungsentscheidung institutionell getrennt. Der Zulassungsantrag muss bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht werden. Das Beurteilungsverfahren für den Zulassungsantrag wird von den wissenschaftlichen Ausschüssen – bei Humanarzneimitteln der Ausschuss für Humanarzneimittel – der Europäischen Arzneimittelagentur durchgeführt; in diese Ausschüsse werden von den Mitgliedsstaaten hochrangige Vertreter der nationalen Arzneimittelbehörden entsandt. Ein aus dem zuständigen wissenschaftlichen Ausschuss der Agentur ausgewählter Berichterstatter und ein Mitberichterstatter erstellen mit Experten aus den nationalen Arzneimittelbehörden einen Beurteilungsbericht für das Arzneimittel, der nach spätestens 210 Tagen vom zuständigen wissenschaftlichen Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur verabschiedet wird. Auf der Grundlage dieses Gutachtens erteilt die Europäische Kommission nach Konsultierung der Mitgliedsstaaten im Ständigen Ausschuss innerhalb von 67 Tagen die Zulassung für die gesamte Europäische Union. Im zentralisierten Verfahren arbeiten somit nationale und europäische Institutionen eng zusammen. Die erteilte EU-Zulassung wird regelmäßig im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) übernommen.

Von 1995 bis September 2007 wurden im zentralisierten Verfahren zirka 400 Humanarzneimittel und 75 Tierarzneimittel zugelassen. Für jedes neu zugelassene Arzneimittel wird ein ausführlicher Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) veröffentlicht.[10]

Dezentrale Verfahren (MRP und DCP)

Bei dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (MRP) und dem ähnlichen Dezentralisierten Verfahren (DCP) wird ein Zulassungsantrag von der Behörde eines Mitgliedstaates (Referenzmitgliedstaat) geprüft und ein Beurteilungsbericht erstellt.[11] In einem koordinierten Prozess erkennen dann die Behörden der anderen betroffenen Mitgliedstaaten diese Beurteilung an. Der Antragsteller kann dabei auswählen, für welche Mitgliedstaaten der EU und des EWR er die Zulassung beantragen will.

Beim Verfahren der gegenseitigen Anerkennung wird erst in einem Land der Wahl eine nationale Zulassung beantragt und erteilt, bevor dann in den anderen Staaten identische Anträge eingereicht werden und das Anerkennungsverfahren in Gang gesetzt wird. Im 2005 eingeführten Dezentralisierten Verfahren darf noch keine nationale Zulassung in der EU vorliegen; hier werden identische Anträge gleichzeitig in allen Staaten eingereicht und ein Staat als Referenzmitgliedstaat ausgewählt.

Wenn einzelne Mitgliedstaaten die Beurteilung des Referenzmitgliedstaates wegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit ablehnen, müssen alle beteiligten Staaten sich in einer Koordinierungsgruppe bemühen, eine Einigung über die zu treffenden Maßnahmen zu erzielen. Können sich die Behörden in der Koordinierungsgruppe nicht einigen, dann kommt es zu einem Schiedsverfahren im wissenschaftlichen Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur. Auf der Grundlage der Beurteilung durch den wissenschaftlichen Ausschuss fällt die Europäische Kommission im Schiedsverfahren nach Konsultierung der Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss eine endgültige Entscheidung.

Die Zulassung wird in den nicht zentralisierten Verfahren in jedem Fall von den nationalen Behörden erteilt.

Jährlich werden mehrere hundert nicht zentralisierte Verfahren durchgeführt; darunter sind ein großer Teil Generika.[12]

Nationale Verfahren

Bis 1995 waren nationale Verfahren die einzige Möglichkeit, ein Arzneimittel in der EU zuzulassen. Diese nationalen Verfahren haben durch die europäischen Verfahren viel an Bedeutung verloren. Es sind aber viele Arzneimittel auf dem Markt, die über solche Verfahren zugelassen wurden. Heute ist eine rein nationale Zulassung nur in einem Mitgliedsland möglich; nationale Zulassungsanträge in mehr als einem Mitgliedsland sind nicht mehr zulässig. Üblicherweise ist heute solch eine nationale Zulassung der Einstieg in das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. In Deutschland sind das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für „normale“ Arzneimittel, das Paul-Ehrlich-Institut für Blutprodukte und Impfstoffe, das Friedrich-Löffler-Institut für immunologischen Tierarzneimitteln gegen exotische Tierseuchen sowie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für Tierarzneimittel zuständig. In Österreich werden Arzneimittel durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit Bereich Medizinmarktaufsicht (vormals AGES PharmMed) zugelassen und überwacht.

Schweiz

Da die Schweiz weder Mitglied der Europäischen Union noch des Europäischen Wirtschaftsraumes ist, führt die Schweiz sämtliche Arzneimittelzulassungen autonom durch; es können aber grundsätzlich Zulassungen aus Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle berücksichtigt werden. Die Rechtsgrundlage ist das Heilmittelgesetz, das neben Arzneimitteln auch Medizinprodukte regelt. Details zur Zulassung finden sich in der Arzneimittel-Zulassungsverordnung. Die für die Zulassung und Arzneimittelüberwachung zuständige Einrichtung ist die Swissmedic. Die interne Bearbeitungsfrist für Zulassungsgesuche liegt bei 200 Tagen, für Gesuche im beschleunigten Verfahren bei 130 Tagen. Für bestimmte Arzneimittel, darunter solche mit bekannten Wirkstoffen, Arzneimitteln der Komplementärmedizin, Spitalpräparate und Arzneimittel gegen seltene oder lebensbedrohende Krankheiten gibt es ein vereinfachtes Zulassungsverfahren.

USA

In den USA ist die Arzneimittelzulassung ein Prozess, der deutlich früher einsetzt als in Europa.[13] Im Prinzip beginnt das Verfahren in den USA bereits mit dem Antrag auf Genehmigung der ersten klinischen Studie (Investigative New Drug application, IND). Dort werden im Gegensatz zum Genehmigungsverfahren für klinische Studien in Europa nicht nur Zusammenfassungen sondern vollständige Studienberichte eingereicht, die dann im Verlauf der klinischen Entwicklung in einer rollierenden Einreichung laufend ergänzt werden können (rolling submission). Dann liegen beim eigentlichen Zulassungsantrag, der New Drug Application, NDA, viele Unterlagen bereits bewertet vor. Sobald die NDA von der Food and Drug Administration als vollständig und den formalen Anforderungen entsprechend akzeptiert ist, wird der Antrag innerhalb einer festgesetzten Frist von der FDA geprüft. Nach Anhörung einer Expertenkommission und des Pharmaunternehmens entscheidet die FDA, ob das Arzneimittel zugelassen wird, ob der Antrag zulässig ist (approvable), was bedeutet, dass die FDA sich bereiterklärt, das Arzneimittel unter bestimmten, vom Antragsteller zu erfüllenden Bedingungen zuzulassen, oder ob der Antrag abgelehnt wird (not approvable).

Internationale Anerkennung von Zulassungsentscheidungen

Auch wenn viele Kriterien der Arzneimittelzulassung in vielen Ländern harmonisiert wurden und von den Pharmaunternehmen oft praktisch identische Unterlagen eingereicht werden, kommen die Behörden im Einzelfall doch zu gegensätzlichen Entscheidungen. Das liegt daran, dass die Behörden bei der Zulassung einen großen Beurteilungsspielraum haben und wesentliche Aussagen zum Arzneimittel von Wahrscheinlichkeitsangaben getragen werden.

In der Europäischen Union hat es drei Jahrzehnte gedauert, bis sich zwischen den nationalen Behörden genügend gegenseitiges Verständnis entwickelt hatte, um den Erfolg der EU-Zulassungsverfahren zu ermöglichen.

Von diesem Punkt sind die europäischen Behörden einerseits und die FDA andererseits weit entfernt. Beispielsweise wurde 2006 in der Europäischen Union ein Rimonabant-haltiges Arzneimittel zugelassen, während die FDA 2007 einen Zulassungsantrag für dasselbe Arzneimittel wegen Sicherheitsbedenken abwies. Umgekehrt wurde das Krebsarzneimittel Mylotarg mit dem monoklonalen Antikörper Gemtuzumab-Ozogamicin schon 2000 in den USA zugelassen, während der Zulassungsantrag in der EU 2008 abgelehnt wurde.

Verschiedene Bestrebungen, Arzneimittelzulassungen international gegenseitig anzuerkennen, führten dementsprechend bisher nur zu Teilerfolgen. Mutual Recognition Agreements zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen zur Good Manufacturing Practice wurden zwischen der Europäischen Union, Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, der Schweiz und den USA geschlossen. Das Abkommen mit den USA wurde bisher nicht umgesetzt, das mit Japan nur teilweise.[14]

Besondere Verfahren und Kategorien

Beschleunigte Zulassung

Die Arzneimittelentwicklung und Zulassung sind ein langwieriger, mehrjähriger Prozess. Um den Zugang zu innovativen, möglicherweise lebensrettenden Arzneimitteln nicht unnötig zu verzögern, wurden in der Europäischen Union und den USA besondere Verfahren eingeführt, die in Ausnahmefällen die Zulassung beschleunigen sollen.

Das beschleunigte Beurteilungsverfahren im zentralisierten Verfahren der EU und das Priority Review-Verfahren bei der FDA haben deutlich verkürzte Bearbeitungszeiten gegenüber den regulären Verfahren. Dies kann die Zulassung um mehrere Monate beschleunigen; in der EU reduziert sich die Bearbeitungszeit im wissenschaftlichen Ausschuss von 210 auf 150 Tage. Die Behörden prüfen im Einzelfall, ob ein Antrag in diesem Verfahren bearbeitet wird. In den USA werden jährlich zirka 10 bis 15 Arzneimittel im Priority Review bearbeitet und zugelassen,[15] in der EU wurde mit Eculizumab im Sommer 2007 das erste Arzneimittel im beschleunigten Verfahren zugelassen.

Die bedingte Zulassung im zentralisierten Verfahren der EU auf der Grundlage der Verordnung 507/2006/EG ermöglicht es im Einzelfall, insbesondere bei lebensbedrohenden Krankheiten, ein Arzneimittel noch vor Abschluss der vollständigen klinischen Prüfung auf den Markt zu bringen. Das Pharmaunternehmen verpflichtet sich in dem Fall, von der Behörde festgelegte Bedingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu erfüllen, beispielsweise vollständige Phase-III-Daten nachzuliefern; die so zugelassenen Arzneimittel werden von der Behörde jährlich neu beurteilt, bis eine reguläre Zulassung erteilt wird. Auch dieses Verfahren ist nur nach einer Einzelfallprüfung möglich. Das erste Arzneimittel mit einer bedingten Zulassung in der EU war im Sommer 2006 Sutent (Wirkstoff: Sunitinib).

Das Accelerated approval in den USA hat Gemeinsamkeiten mit der bedingten Zulassung in der EU; auch hier wird eine vorläufige Zulassung erteilt, mit der Auflage, klinische Studien durchzuführen und abzuschließen, in denen ein Patientennutzen mit klinisch relevanten Endpunkten belegt wird. Das Accelerated approval stützt sich bei der Entscheidung im Wesentlichen auf Surrogatmarker. Problematisch ist, dass in den USA Unternehmen den Auflagen, klinische Studien nach der Zulassung abzuschließen, oft nicht nachkommen.[16]

Orphan-Arzneimittel

Orphan-Arzneimittel sind Arzneimittel, die zur Behandlung, Prävention oder Diagnose einer seltenen Krankheit eingesetzt werden. Seltene Krankheiten in diesem Sinne betreffen in der EU weniger als 5 von 10.000 Personen. In der EU müssen Orphan-Arzneimittel im zentralisierten Verfahren zugelassen werden; der Status Orphan-Arzneimittel wird von der Europäischen Kommission nach einer Empfehlung des Ausschusses für Orphan-Arzneimittel (COMP) der Europäischen Arzneimittelagentur vergeben. Dies ist bis September 2007 für 500 Arzneimittel geschehen; von diesen sind bisher 36 zugelassen worden. Pharmaunternehmen erhalten für Orphan-Arzneimittel von der Europäischen Arzneimittelagentur Unterstützung bei der Planung der erforderlichen Studien, ferner Vergünstigungen bei den Zulassungs- und Inspektionsgebühren und eine zehnjährige Marktexklusivität.[17]

Generika

Generika sind sich im Wesentlichen gleichende Arzneimittel, die denselben Arzneistoff in derselben Dosis und Arzneiform enthalten wie ein nicht mehr patentgeschütztes Referenzarzneimittel. Für diese Arzneimittel gelten vereinfachte Bedingungen zur Zulassung. Dazu muss die Herstellung und pharmazeutische Qualität dokumentiert sowie die Bioverfügbarkeit und Bioäquivalenz zu dem Originalarzneimittel belegt werden. Für die restlichen nichtklinischen und klinischen Daten kann der Antragsteller auf die Daten zum Referenzarzneimittel verweisen. Dies ist in der EU allerdings unabhängig vom Patentschutz erst acht Jahre nach Zulassung des Referenzarzneimittels möglich, die Zulassung selbst wird erst zehn Jahre nach Erteilung der Erstgenehmigung erteilt. Für Biosimilars gelten besondere Bedingungen.

Verfahren nach erteilter Zulassung

Die Erteilung einer Zulassung ist zwar ein entscheidender Schritt, damit sind aber die regulatorischen Aktivitäten keineswegs beendet. Die Zulassungsunterlagen müssen kontinuierlich aktualisiert werden, und die Anwendung eines Arzneimittels muss ständig überwacht werden. Bei neuen Arzneimitteln wird die Zulassung nur für eine beschränkte Zeitspanne von üblicherweise fünf Jahren erteilt. Vor Ablauf dieser Frist muss die Zulassung erneuert werden, in der Regel gilt sie dann unbegrenzt.

Änderungsanzeigen

Das pharmazeutische Unternehmen hat gegenüber den zuständigen Behörden eine Anzeigepflicht für sämtliche Änderungen, die die erteilte Zulassung betreffen. Je nach Trageweite der Änderungen müssen diese teils von der Behörde genehmigt werden. Einfache, nur anzeigepflichtige Änderungen sind beispielsweise administrative Änderungen beim Hersteller oder kleinere Änderungen im Herstellungsprozess. Zustimmungspflichtig sind beispielsweise Änderungen der Dosis, der Arzneiform oder der Applikationsform. Auch jede Änderung an der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels bedarf einer Genehmigung.

Wenn die Zulassung eines Arzneimittels auf eine weitere Indikation ausgeweitet werden soll, erfordert dies einen eigenen, vollständigen Zulassungsantrag.

Pharmakovigilanz

Das pharmazeutische Unternehmen ist verpflichtet, auch nach erteilter Zulassung Erkenntnisse zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu sammeln und auszuwerten. Der Aufsichtsbehörde ist darüber in vorgegebenen Abständen Bericht zu erstatten, bei schweren, unerwarteten Fällen von Nebenwirkungen auch innerhalb kurzer Fristen. Die fortlaufende Überwachung ist deshalb so wichtig, weil es in klinischen Studien mit nur wenigen Tausend Patienten nicht möglich ist, seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen zu erkennen. Auch sehr spät auftretende Nebenwirkungen lassen sich in den Zulassungsstudien nur schwer erfassen.

Neue Erkenntnisse können zur Einschränkung der Zulassung führen, beispielsweise durch eine Änderung der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels. Ergeben sich während der Anwendung eines Arzneimittels Erkenntnisse zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, die das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig werden lassen, kann eine Zulassung auch vollständig widerrufen werden. Von den zwischen 1975 und 1999 in den USA zugelassenen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen wurden 2,9 % wegen Mängeln vom Markt genommen.[18] Im Vereinigten Königreich waren es im Zeitraum von 1972 bis 1994 3,8 %.[19] Der weit überwiegende Grund für die Marktrücknahme sind dabei nicht vertretbare Nebenwirkungen. In manchen Fällen, wie beispielsweise bei Clobutinol, erfolgte eine Widerrufung der Zulassung aufgrund von Sicherheitsbedenken erst nach jahrzehntelanger Verwendung des Arzneimittels.

Angesichts der trotz erheblichen Forschungsaufwandes zum Zeitpunkt der Zulassung nur begrenzt aussagekräftigen Informationen zur Arzneimittelsicherheit wird von manchen Wissenschaftlern vorgeschlagen, das Zulassungssystem umzugestalten. Eine Kombination aus häufiger zu erteilenden bedingten Zulassungen und verbesserter unabhängiger Arzneimittelüberwachung nach der Zulassung soll insgesamt zu einer besseren Arzneimittelsicherheit führen.[16]

Auch im Bereich der Pharmakovigilanz prüfen die Arzneimittelbehörden durch Inspektionen bei den Pharmaunternehmen, ob die vorgeschriebenen Überwachungsmaßnahmen korrekt umgesetzt werden.

Geschichte der Arzneimittelzulassung

Zulassungsverfahren wurden weltweit eingeführt, nachdem die Arzneimittelzubereitung in Apotheken durch industrielle Fertigung weitgehend verdrängt wurde und verschiedene Arzneimittelskandale das Vertrauen in die Arzneimittelsicherheit erschüttert hatten.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die industrielle Fertigung von Arzneimitteln die Apothekenzubereitung weitgehend verdrängt. Dennoch hatten nur wenige Länder schon in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Marktzulassungsverfahren für Arzneimittel, darunter Frankreich, Schweden, Norwegen und vor allem die USA.[20] In den USA wurde eine Zulassung von neuen Arzneimitteln bereits durch den Federal Food, Drug and Cosmetic Act von 1938 zur Pflicht; dieses Gesetz wurde nach der Sulfanilamid-Katastrophe vom Kongress verabschiedet. Allerdings beschränkten sich die Zulassungskriterien damals auf die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit; ein Arzneimittel galt damals als zugelassen, wenn die zuständige Behörde, die Food and Drug Administration (FDA) nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprach.

Das Wirksamkeitskriterium und die heutige Zulassungsprozedur wurden in den USA erst 1962 durch das Kefauver-Harris Drug Amendment eingeführt, das zeitgleich mit der Aufdeckung des Contergan-Skandals beraten wurde. Die damaligen Ereignisse haben den Gesetzgebungsprozess nachhaltig beeinflusst; aus dem ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren im Kongress gegen zu hohe Arzneimittelpreise und unlautere Arzneimittelwerbung wurde so ein Gesetz zum Verbraucherschutz. Die damals in den USA entwickelten restriktiven Zulassungskriterien wurden in den folgenden Jahren von vielen anderen Ländern übernommen. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurden in den USA anlässlich des dringenden Bedarfs an Arzneimitteln zur Behandlung von Aids beschleunigte Zulassungsverfahren eingeführt.

Ebenfalls als Konsequenz des Contergan-Skandals wurde in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten verabschiedet. Diese sah erstmals eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln vor und forderte einen Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit. Die folgende Richtlinie 75/319/EWG von 1975 war deutlich detaillierter in den Zulassungsanforderungen. Außerdem wurde mit der Richtlinie ein neues europäisches Expertengremium gegründet, der Ausschuss für Arzneispezialitäten (engl. Committee for Proprietory Medicinal Products, CPMP), einem Vorläufer des heutigen Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP). 1987 wurde mit der Richtlinie 87/22/EWG das Konzertierungsverfahren für innovative Arzneimittel definiert, einem Vorläufer des heutigen zentralisierten Verfahrens, das 1993 mit der Richtlinie 2309/93/EWG definiert und ab 1995 umgesetzt wurde. Erst mit den 1995 in Kraft getretenen Reformen fanden die Gemeinschaftsverfahren breite Anwendung. Im Review der europäischen Arzneimittelgesetzgebung von 2001 bis 2004 wurde dann der heutige Rahmen geschaffen.[21]

In der Bundesrepublik Deutschland war die Umsetzung der ersten EWG-Richtlinie von 1965 in nationales Recht ein langwieriger Prozess, der erst mit dem Inkrafttreten des zweiten Arzneimittelgesetzes von 1976 seinen Abschluss fand. Erst 1975 wurde im damaligen Bundesgesundheitsamt ein Institut für Arzneimittel für die Arzneimittelzulassung gegründet, nach Auflösung des Bundesgesundheitsamtes 1994 in der Folge des Blut-Aids-Skandales wurde daraus das heutige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Anwendung der neuen Rechtsinstrumente auf alte Arzneimittel im Nachzulassungsverfahren dauerte in Deutschland noch bis Ende 2005.[22]

Literatur

  • Martin Lorenz: Das gemeinschaftliche Arzneimittelzulassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Reform 2004/2005. Baden-Baden: Nomos-Verlags-Gesellschaft, 2006, ISBN 3-8329-1912-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. § 4 Abs. 15 AMG.
  2. Elizabeth Storz: Arzneimittelsicherheit, GIT Labor-Fachzeitschrift, August 2008, 712–714.
  3. Karl Feiden und Hermann Pabel: Wörterbuch der Pharmazie. Bd. 3., Arzneimittel- und Apothekenrecht. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1985 ISBN 3-8047-0670-3.
  4. BVerwGE Bd. 84, S. 215–224, Urteil vom 14. Oktober 1993 Az. 3 C 21.91.
  5. Richtlinie 2001/83/EG, Anhang I Teil I Absatz 5.2.5.1.
  6. § 5 AMG.
  7. Dieter Hart: Die Nutzen/Risiko-Abwägung im Arzneimittelrecht. Ein Element des Health Technology Assessment. In: Bundesgesundheitsblatt Bd. 48, 204-14 ( (2005), PMID 15726462.
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  9. Eudralex Vol. 2: Kapitel 4 - Centralised Procedure (englisch).
  10. Europäische Öffentliche Beurteilungsberichte (EPAR).
  11. Eudralex Vol. 2: Kapitel 2 - Mutual Recognition (englisch).
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