Pfeiffer-Drüsenfieber


Klassifikation nach ICD-10
B27.- Infektiöse Mononukleose
B27.0 Mononukleose durch Gamma-Herpesviren
B27.1 Mononukleose durch Zytomegalieviren
B27.8 Sonstige infektiöse Mononukleose
B27.9 Infektiöse Mononukleose, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Pfeiffer-Drüsenfieber, auch Pfeiffersches Drüsenfieber, Mononukleose, Infektiöse Mononukleose, Mononucleosis infectiosa, Monozytenangina, Morbus Pfeiffer oder auch Kusskrankheit genannt, ist eine sehr häufige und normalerweise harmlose Viruserkrankung, die durch das Epstein-Barr-Virus hervorgerufen wird. Schätzungsweise 95 Prozent aller Europäer infizieren sich bis zum 30. Lebensjahr mit dem Virus, das durch Antikörper im Blut nachgewiesen werden kann. Bei den meisten Menschen, vor allem bei Kindern unter zehn Jahren, verläuft die Erkrankung ohne Symptome; bei Erwachsenen treten meist grippeähnliche Krankheitsanzeichen und nur selten Komplikationen auf.

Vor allem bei den wenigen Jugendlichen, die Symptome aufweisen, können zusätzlich Lymphknoten anschwellen und eine Halsentzündung beziehungsweise Mandelentzündung entstehen. Weiterhin können auch eine Milzvergrößerung, Bauch-, Muskel- oder Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Depression, Stimmungsschwankungen, allgemeine Schwäche, Ausschlag, Schwindel oder Orientierungsstörungen, Schüttelfrost, trockener Husten, Übelkeit und Nachtschweiß auftreten.

Die Viren befallen die Lymphknoten und die Organe des Lymphatischen Rachenringes, aber auch Leber, Milz und Herz. In der Regel tritt die Krankheit im Leben eines Menschen nur einmal auf, aber so wie bei anderen Herpesviren verbleibt das Epstein-Barr-Virus lebenslang im Körper und kann schubweise wieder aktiviert werden (oft fälschlicherweise als Reinfektion bezeichnet).

Langgezogene Krankheitsverläufe, die sich in abgeschwächter Form mitunter über Monate und Jahre erstrecken, sind selten und nicht zu verwechseln mit postinfektiöser generalisierter Schwäche und Müdigkeit mit einer Dauer bis zu einem Jahr, wie sie auch nach anderen Virusinfektionen auftreten können.

Der Krankheitsname geht auf den Kinderarzt Emil Pfeiffer (1846–1921) zurück. Er selbst bezeichnete die Erkrankung zunächst als Idiopathische Adenitis.[1]

Erreger

Virionen des Epstein-Barr-Virus

Der Krankheitsverursacher ist das Epstein-Barr-Virus (EBV), ein behülltes, doppelsträngiges DNA-Virus (dsDNA). Dieses Virus ist ein Gamma-Herpes-Virus und gehört zur Familie Herpesviridae.

Das EBV hat wie auch andere Vertreter dieser Virusfamilie zwei Entwicklungsphasen: Die erste lytische Phase dient der Produktion und Freisetzung der Viren sowie deren Ausbreitung. In der anschließenden latenten Phase erreicht das Virus einen Ruhezustand, in dem es sich der immunologischen Kontrolle weitgehend entzieht. Auf diese Weise entsteht im infizierten Wirt ein Reservoir, das nach einer Reaktivierung eine Produktion und Freisetzung von infektiösen Viruspartikeln wieder aufnehmen kann.[2]

Übertragung

Der Erreger wird vor allem über den Speichel übertragen. Als weitere Übertragungswege werden Tröpfcheninfektion und Kontaktinfektion oder Schmierinfektion vermutet, obwohl Studien an Studenten und Militärangehörigen nachgewiesen haben, dass Zimmerkameraden keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.[3][4][5][6] Besonders unter jugendlichen Pärchen erfolgt die Übertragung sehr oft von Mund zu Mund, weshalb die Krankheit im Volksmund oft auch als Kusskrankheit, Studentenkrankheit oder Studentenfieber, engl. kissing disease bezeichnet wird.

Der Erreger infiziert anfänglich die Epithelzellen von Nase, Mund und Rachen sowie eine Gruppe der weißen Blutkörperchen, die B-Lymphozyten, in diesem Bereich. Bei etwa 95 Prozent aller deutschen Erwachsenen sind EBV-Antikörper nachweisbar, sie haben sich also im Verlauf ihres Lebens mit dem EB-Virus infiziert.

Nach einer Infektion verbleibt der Erreger – wie alle Herpes-Viren – lebenslang im menschlichen Körper und persistiert latent in Gedächtnis-B-Lymphozyten. Um einer Gegenreaktion des Immunsystems zu entkommen, werden in dieser latenten Infektionsphase nur zehn der fast 100 viralen Gene exprimiert, was dem Virus eine vom Immunsystem weitgehend unerkannte Resistenz ermöglicht.[2]

Auch noch einige Wochen nach Beendigung der Krankheitssymptome ist das Virus über den Speichel an nichtimmune Personen übertragbar. Außerdem kommt es nach der Ausheilung der Erkrankung immer wieder zu Reaktivierungen der persistierenden Viruserkrankung. Von diesen bemerkt der Betroffene in der Regel nichts, er scheidet dann aber wieder Viren im Speichel aus. Solche Reaktivierungen sind auch im Blut nachweisbar (u. a. durch Anstieg der IgG-Antikörper gegen das Virus-Capsid-Antigen VCA und durch EBV-PCR).

Diagnose

Blutausstrich mit reaktiven Lymphozyten

Das Pfeiffersche Drüsenfieber wird häufig nicht diagnostiziert. Bei extremer Müdigkeit und Schwächegefühl ist deshalb immer auch an eine kürzliche Epstein-Barr-Infektion zu denken.

Eine eindeutige Diagnose erfolgt durch den Nachweis von Epstein-Barr-Virus-Antikörpern und häufig auch einer auffälligen Erhöhung der Leukozytenzahl (Leukozytose) zwischen 10.000 und 25.000 pro mm³ mit 60 bis 80 Prozent lymphoiden (mononukleären) Zellen, davon ein Teil atypische Lymphozyten. Die Leberwerte sind in vielen Fällen erhöht. Serologisch sind richtungsweisend:

  • Nachweis heterophiler Antikörper in der Paul-Bunnell-Reaktion oder daraus abgeleiteten Tests
  • IgM-Antikörper gegen Early Antigen (EA) und/oder
  • IgM-Antikörper gegen Viral Capsid Antigen (VCA) bei negativem EBNA-1-IgG-Test (Epstein-Barr Nuclear Antigen-1-IgG-Test).

Hohe Konzentrationen von EBNA-1-IgG (positiver EBNA-1-IgG-Test) schließen dagegen eine frische Infektion praktisch aus, da diese Antikörper erst im Laufe von mehreren Wochen bis Monaten nach Auftreten der Symptome vom Immunsystem produziert werden.

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch ist eine Infektion mit dem Cytomegalievirus (CMV) oder mit dem HI-Virus abzuklären. Zu Beginn der Erkrankung steht häufig eine Rachenentzündung im Vordergrund, die von einer eitrigen Angina, z. B. durch Streptokokken der Gruppe A, abgegrenzt werden muss. Bei den häufig vorkommenden Lymphknotenschwellungen muss neben anderen Infektionskrankheiten (z. B. Toxoplasmose, Katzenkratzkrankheit, Tuberkulose) auch an eine Autoimmunerkrankung und an eine bösartige Erkrankung wie beispielsweise malignes Lymphom gedacht werden.

Krankheitsverlauf und Symptome

Lymphknotenschwellung und Hautausschlag bei Infektiöser Mononukleose

Die Epstein-Barr-Infektion ist zwar häufig sehr kräftezehrend, verläuft aber in der Regel ohne Komplikationen. Latente, wiederkehrende oder chronische Verläufe sind selten. Allerdings gilt die Infektion auch in diesen Fällen als ungefährlich.

Die Rolle des Immunsystems

Gerade bei Infektionen mit Krankheitserregern, die schon an den Menschen als ihren Reservoirwirt stark angepasst sind – wie es bei den Epstein-Barr-Viren der Fall ist – spielt auch der Zustand des Immunsystems des betroffenen Organismus eine wichtige Rolle.

Ob nach einer solchen Infektion tatsächlich eine Erkrankung auftritt, hängt von der Menge und Virulenz der Erreger und vom Zustand des Immunsystems der betroffenen Person ab. Die Beobachtung, dass beim Pfeifferschen Drüsenfieber keineswegs alle Kontaktpersonen ebenfalls erkranken, hat verschiedene Ursachen. So kann bereits eine Immunität bestehen, die Virendosis oder -virulenz für einen Krankheitsausbruch zu gering sein oder das Immunsystem in der Lage sein, trotz Infektion Krankheitssymptome zu verhindern (inapparente Infektion beziehungsweise stille Feiung). Besonders bei einem intakten und abwehrstarken Immunsystem und geringer Erregerdosis kann die Erkrankung entweder überhaupt nicht ausbrechen oder einen weniger schweren Verlauf nehmen.

Gewöhnlicher Verlauf

Die Inkubationszeit beträgt bei Kindern sieben bis 30 Tage. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist sie mit vier bis sieben Wochen schon deutlich länger.

Monozytenangina

Nach einer Primärinfektion beginnt die Krankheit häufig mit grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber (38–39 °C), Gliederschmerzen, Leibschmerzen und starker Müdigkeit. Zusätzlich schwellen die Lymphknoten der Erkrankten an Hals, Nacken, selten auch unter den Achseln und an den Leisten an (Lymphadenopathie). Bei vielen der Betroffenen bildet sich außerdem eine Halsentzündung beziehungsweise Mandelentzündung (Angina tonsillaris), bei der ein eher schmutziggrauer statt weißer Belag auf den Mandeln entsteht, der nicht auf die Umgebung der Mandeln (Tonsillen) übergreift. Ziemlich auffällig ist daher bei vielen Patienten ein fauliger Mundgeruch (Foetor ex ore), Heiserkeit oder Sprechstörungen können hinzukommen, häufig auch Nachtschweißigkeit als Symptom einer Infektionskrankheit. Weiterhin können auch eine Milz- oder manchmal auch Lebervergrößerung, Bauch-, Muskel- oder Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Depression, Stimmungsschwankungen, allgemeine Schwäche, Ausschlag, Schwindel oder Orientierungsstörungen, Schüttelfrost, trockener Husten und Übelkeit auftreten. Die Krankheit dauert in der Regel nur wenige Wochen, kann sich jedoch auch über ein bis zwei Monate erstrecken. Nach Abklingen der akuten Symptome stellt sich in der Regel ein lebenslanger Trägerstatus ein, so dass es auch noch nach Jahren, z. B. bei Immunsuppression, zu Rezidiven kommen kann.

Ungewöhnlicher Verlauf

Asymptomatische Verläufe sind besonders bei kleinen Kindern möglich.

Außerdem kann diese Erkrankung auch chronisch verlaufen. Die Betroffenen leiden dann monate- oder jahrelang unter Fieber, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, depressiven Verstimmungen, Gefühlen von Antriebsschwäche und chronischen Lymphknotenschwellungen, insgesamt also einem starken Krankheitsgefühl ähnlich dem beim Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS).

Selten kann es wie bei vielen anderen Viruserkrankungen wie beispielsweise bei Influenza zu einer über Monate bis zu einem bis zwei Jahren anhaltenden Schwäche und Müdigkeit kommen, die allerdings nicht durch das Virus selbst hervorgerufen wird. Die eigentliche Infektion ist auch hier innerhalb weniger Wochen abgeklungen, jedoch erfolgt in diesen Fällen anschließend eine Überreaktion des Immunsystems. Bis dieses sich nach der erfolgreichen Abwehr des Virus wieder normalisiert hat, können geschwollene und/oder schmerzende Lymphknoten, Halsschmerzen, Schwäche, Müdigkeit bis zu mehreren Monaten anhalten.

Zudem ist bei einer Schwächung des Immunsystems ein erneutes Aktivwerden (Reaktivierung) des Epstein-Barr-Virus – wie bei allen Herpes-Viren – immer wieder möglich, wobei allerdings dann in diesen Fällen die Erkrankung in abgeschwächter Form verläuft.

Komplikationen

Seltene Komplikationen sind Gehirnentzündung (Enzephalitis), infektiöse Blutarmut (autoimmunhämolytische Anämie), Blutplättchenarmut (Thrombozytopenie), starke Verminderung der Granulozyten (Agranulozytose), Leberschwellung (Hepatomegalie) oder Milzschwellung (Splenomegalie), Lungenentzündung, Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Nierenentzündung (Nephritis) und Gelbsucht (Ikterus). Beim Auftreten dieser Symptome kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden.

Solange eine Milzschwellung besteht, sollten wegen der Gefahr eines Milzrisses körperliche Anstrengungen vermieden werden.

Wie bei allen Infektionskrankheiten kann bei Kindern mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten diese Erkrankung einen besonders schweren oder sogar letalen Verlauf nehmen.

Es wird vermutet, dass das Epstein-Barr-Virus bei der Entstehung des Chronischen Erschöpfungssyndroms (CFS), seltenen Tumoren des Rachenraumes, seltenen Lymphomen (Burkitt-Lymphom) sowie Multipler Sklerose eine Rolle spielen könnte. Bewiesen oder eindeutig belegt ist dies jedoch bis heute nicht.

Es gibt viele Gerüchte über das Pfeiffersche Drüsenfieber, die wenigsten entsprechen jedoch der Wahrheit. So erzeugt diese Erkrankung zum Beispiel keine Impotenz.

Therapie

Ein spezielles Präparat gegen das Pfeiffersche Drüsenfieber gibt es bisher nicht. Bei Fieber ist es zum Flüssigkeitsausgleich notwendig, viel zu trinken und wenn angebracht auch fiebersenkende Medikamente zu nehmen. Außerdem sollte sich der Patient unbedingt genügend ausruhen.

In ca. 10 Prozent der Fälle kommt es außerdem zu einem bakteriellen Infekt, der gegebenenfalls mit Antibiotika behandelt werden muss. Nicht nur aus diesem Grund sollte man bei dieser Erkrankung unbedingt einen Arzt konsultieren. Allerdings muss der Arzt darauf achten, dass bestimmte Antibiotika bei einer akuten EBV-Infektion schwere Hautausschläge mit Juckreizen am ganzen Körper verursachen können. Mehrere Quellen weisen ausdrücklich darauf hin, dass insbesondere die Breitbandantibiotika Ampicillin und Amoxicillin nicht für eine Therapie benutzt werden sollten, da dies in bis zu 90 Prozent der Fälle zur Bildung des Hautausschlags (so genanntes Ampicillinexanthem) und Juckreizes führt. Dieser Ausschlag kann auch noch nach Einnahme des Antibiotikums eintreten und benötigt in der Regel etwa drei Tage, um sich vollständig über den Körper zu verteilen. Danach klingt er sehr langsam wieder ab, bis er nach etwa zwei Wochen vollständig verschwindet. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Allergie, so dass bei späteren Antibiotikatherapien weiterhin Penicillin und seine Derivate (u. a. Ampicillin) verwendet werden können.

Postinfektiöse Immunität

Da sich im Rahmen der Infektion Antikörper gegen das Virus bilden, besteht nach der ersten Infektion in der Regel eine lebenslange Immunität. Die Bedingungen, unter denen ein Rezidiv oder eine Reaktivierung stattfindet, ebenso die Häufigkeit des Auftretens solcher erneuten oder länger anhaltenden Erkrankungen, sind bislang nicht umfassend wissenschaftlich untersucht.

Vorbeugung

Vorbeugen kann man nur, indem man Kontakt zu erkrankten Personen meidet, da es bisher keinen Impfstoff gibt.

Weblinks

Commons: Pfeiffer-Drüsenfieber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Matthias Godt: Der Wiesbadener Arzt Dr. Emil Pfeiffer. Entdecker des Drüsenfiebers.
  2. 2,0 2,1 uni-marburg: http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0113/pdf/dsc.pdf S.85
  3. J.A. McSherry: Myths about infectious mononucleosis. In: Can. Med. Assoc. J. 1983, S. 645-6.
  4. R. N. Sawyer: Prospective Studies of a group of Yale University freshmen. I. Occurence of infectious mononucleosis. In: J. Infect. Dis. 1971, S. 263–270.
  5. T. J. Hallee: Infectious mononucleosis at the United States Military Academy. A prospective study of a single class over four years. In: Yale J. Biol. Med. 1974, S. 182–195.
  6. R. J. Hoagland: Etiology and epidemiology. In: Infectious Mononucleosis. 1967, S. 24–50.

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