Dammriss


Klassifikation nach ICD-10
O70 Dammriss unter der Geburt
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Ein Dammriss ist das Einreißen des Gewebes zwischen Vulva und After, des Damms, bei der Geburt. Durch starke Dehnung des Dammgewebes, meist durch den Kopf des Neugeborenen, selten auch durch die Schultern, kommt es zum Riss. Er erfolgt meist an der schwächsten Stelle des Gewebes, also median vom Scheideneingang in Richtung After.

Schweregrade

Dammrisse werden je nach Ausdehnung in vier Schweregrade eingeteilt:

  • Dammriss I.°:
    Nur die Haut (Kutis) und das Unterhautgewebe (Subkutis) des Dammes werden verletzt (nicht aber die Dammmuskulatur selbst).
  • Dammriss II.°:
    Riss der Dammmuskulatur bis maximal an den äußeren Afterschließmuskel (Musculus sphincter ani externus) heran.
  • Dammriss III.°:
    Riss auch des äußeren Afterschließmuskels.
  • Dammriss IV.°
    Riss auch der Schleimhaut des Rektums.

Beim DR II ° reißen außerdem Teile der Dammmuskulatur, beim DR III ° auch des Afterschließmuskels (Sphincter ani) ganz oder teilweise mit ein. Ist auch die Schleimhaut des Rektums eingerissen, spricht man von einem DR IV °.

Kleine Dammrisse ersten Grades können nach der Kontrolle ohne Naht verheilen, tiefere Risse werden schichtweise vernäht um die funktionelle Lage aller Gewebe sicherzustellen. Besonders DR III ° und IV ° müssen fachgerecht ärztlich versorgt werden, um Beeinträchtigungen der Kontinenz zu vermeiden. Meist verheilen Dammrisse gut, Entzündungen und daraus folgende Sekundärheilungen sind bei guter Hygiene selten. Auch starke Blutungen sind selten.

Unter der Geburt kann es außer zum Dammriss auch zu Rissverletzungen der Labien, der Klitoris oder der Cervix bis hin zum Gebärmutterriss kommen.

Das Einreißen des Dammes wird von der Frau unter der Geburt kaum wahrgenommen, da er meist während einer Wehe bei stark gedehntem Damm erfolgt. Allerdings kann es in der Zeit nach der Geburt durch die Lage der Verletzung zu Schmerzen beim Sitzen, Laufen, beim Stuhlgang oder bei sportlichen Aktivitäten kommen. Nur selten leiden Frauen als Folge einer Dammverletzung dauerhaft unter Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie).

Bei der fachgerechten Versorgung der Dammverletzung durch Arzt oder Hebamme nach der Geburt wird im Normalfall eine Lokalanästhesie eingesetzt, um weitere Schmerzen zu vermeiden.

Dammriss und Dammschnitt

Die Dehnung des Geburtsweges bei der Geburt führt nicht immer zu einem Reißen des Dammes. Während manche Frauen die Geburt ganz ohne Einreißen überstehen, kommt es bei anderen zu einem mehr oder weniger ausgedehnten Riss. Faktoren wie die Elastizität des Gewebes, die Größe des Kindes, die Vorbereitung des Dammes, sowie der Durchführung des Dammschutzes und die Geschwindigkeit der Geburt spielen dabei eine Rolle.

In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich der Dammschnitt zur Vorbeugung gegen einen Dammriss im klinischen Alltag durchgesetzt. Dammschnittraten von bis zu 50 % kamen in manchen Kliniken vor. In den letzten Jahren kam es zu einer Neubewertung, das Thema Dammriss versus vorbeugender Dammschnitt wird in Fachkreisen noch häufig diskutiert. Nach neueren Untersuchungen ist man heute der Auffassung, der Möglichkeit eines Dammrisses den Vorzug zu geben, da das Gewebe an der schwächsten Stelle reißt, also weniger Muskulatur und Blutgefäße beschädigt werden als bei einem mediolateralen Dammschnitt. Dies erleichtert die Wundheilung und reduziert den Blutverlust. Außerdem hat sich herausgestellt, dass der Riss oft die geringergradige Verletzung ist. Andererseits können Dammrisse unkontrolliert weiterreißen und damit die Schließmuskulatur des Afters und die Schleimhaut des Enddarmes beschädigen.

Im Sinne der Kindes- und Müttergesundheit muss die Notwendigkeit eines Dammschnittes individuell beurteilt werden. Der routinemäßige Dammschnitt ist dabei ebenso unnötig wie das Vermeiden eines Dammschnittes aus dogmatischen Gründen, da es viele Situationen gibt, in denen ein Dammschnitt zur Vermeidung kindlicher Gefährdung unumgänglich ist. Die Verkürzung der Austreibungsphase bei kindlichen Notlagen, ein sehr hoher straffer Damm, vaginal operative Geburtsbeendigung oder Frühgeburtlichkeit sind häufige Gründe, einen Dammschnitt zum Schutz des Kindes dem mütterlicherseits möglicherweise vermeidbaren Dammriss vorzuziehen. Der Dammschnitt bietet außerdem den Vorteil, die Druckbelastung des kindlichen Kopfes zu vermindern. Im Bedarfsfall kann man den Schnitt auch ohne Gefahr für den Schließmuskel am After verlängern.

Prophylaxe

Um den Damm auf die Geburt vorzubereiten, können verschiedene Maßnahmen angewendet werden. Die Dammmassage während der Schwangerschaft soll das Gewebe lockern und den Damm auf die Belastungen vor der Geburt vorbereiten. Bei der Geburt wenden manche Geburtshelfer/Hebammen warme Kompressen an, um die Dehnbarkeit des Gewebes zu steigern.

Ein Geburtsgel dient zur Verminderung der Reibungskraft im Geburtskanal, wodurch beide Phasen der Geburt, nämlich Eröffnungs- als auch Austreibungsphase, signifikant verkürzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Dammrisse weniger häufig auftreten. Seit dem Jahr 2008 findet es erstmals in der Humanmedizin Anwendung. Das Geburtsgel kann bei jeder vaginalen Geburt angewandt werden, auch bei Wassergeburten.[1]

Einzelnachweise

  1. Schaub AF et al. Obstetric gel shortens second stage of labor and prevents perineal trauma in nulliparous women: a randomized controlled trial on labor facilitation. J. Perinat. Med. 36 (2008): 129–135

Weblinks

Wiktionary: Dammriss – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • familienplanung.de – Dammriss: Das Informationsportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)