In der nordischen Mythologie wird Freyja, die Göttin der Liebe und Schönheit, oft auf einem Luchs reitend dargestellt. In der heutigen Zeit haben freilich viele Menschen einen anderen Blick auf den Eurasischen Luchs (Lynx lynx) - ein Grund, warum es heute in Westeuropa weniger Luchse gibt als in alten Zeiten.

Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) wurde früher, genau wie die drei anderen Arten der Luchsgruppe, als Unterart einer einzigen Spezies klassifiziert. Heute betrachten die meisten Wissenschaftler die vier Luchsarten als eigenständige Spezies, wobei der Eurasische Luchs (Lynx lynx) die größte und am weitesten verbreitete Art ist.

Aussehen

Das Fell des Eurasischen Luchses (Lynx lynx) hat üblicherweise eine gelblich-graue bis grau-braune Grundfarbe, wobei die Bauchseite weiß ist. Auf dem Rücken ist das weiche Fell am dicksten und kann mehr oder weniger deutliche dunkle Flecken haben, manchmal kleine Streifen. Die nördlicheren Katzen sind oft grauer und weniger gepunktet. In Skandinavien nennt man gefleckte Luchse „Katzenluchs”, während die ungefleckten „Wolfsluchs” heißen. Das Sommerfell hat meist dunkle Flecken, die im Winter verblassen und kaum mehr sichtbar sind. Eurasische Luchse (Lynx lynx) haben eine deutliche Halskrause aus langen Haaren, die das Gesicht einrahmt. Die Ohren sind groß und spitz, bestückt mit 4-5 cm langen, aufrechten, dunklen Haarbüscheln. Die Rückseite der Ohren geht zur Spitze hin in schwarz über und hat einen hellen, zentralen Fleck. Die Iris der Augen ist gelblich-braun bis grünlich, die Pupillen sind rund. Die Beine des Eurasischen Luchses (Lynx lynx) sind lang, wobei die hinteren Gliedmaßen etwas länger als die vorderen sind, so dass der Körper einen nach vorne geneigten Eindruck macht. Die Pfoten sind breit und bestens für das Umherstreifen auf Schnee geeignet, der kurze Schwanz hat eine schwarze Spitze.

Lebensraum

Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) gehört zu den am weitesten verbreiteten Katzen. Sein Lebensraum umfasst Laubwälder, alte gewachsene Taiga und Mischwald, jeweils mit dichtem Unterwuchs, um sich verstecken zu können. Sie sind in den gesamten nördlichen Steppen des Himalaya bis in eine Höhe von 2.500 m heimisch, man kann sie in alpiner Tundra, in felsigen Regionen oberhalb der Baumgrenze, in den Bergen der zentralasiatischen Wüstenregion und auf dem gesamten tibetischen Plateau antreffen.

Nahrung

Wie alle Luchsarten haben auch Eurasische Luchse (Lynx lynx) eine Vorliebe für Kaninchen und Hasen, aber ihre Körperkraft erlaubt es ihnen, auch größere Beutetiere wie Rehe, Hirsche, Moschuswild und junges Rotwild zu jagen. Ihr Beutespektrum ist größer als das des Kanadischen Luches (Lynx canadensis) oder des Iberischen Luchses (Lynx pardinus), daher sind sie nicht so sehr anfällig für Schwankungen in der Populationsdichte von Kaninchen und Hasen. Eurasische Luchse fressen eine Vielzahl von Säugetieren, dazu gehören Mäuse, Eichhörnchen, Murmeltiere und Wildschweinferkel, andere Fleischfresser wie Marder, Füchse, Dachse und Wildkatzen (Felis silvestris). Gelegentlich reißen sie Nutztiere des Menschen, darunter Schafe, Ziegen und Rentiere. Sie jagen auch viele Vogelarten, darunter Enten, Birkhühner, Rebhühner und Fasane. Was vom Riss übrigbleibt, wird in den Bäumen versteckt oder mit Zweigen bedeckt, vor allem in Regionen, wo die Konkurrenz mit anderen Fleischfressern hoch ist.

Fortpflanzung


Eurasischer Luchs (Lynx lynx) sitzend
Eurasischer Luchs (Lynx lynx) Nationalpark Bayerischer Wald
Eurasischer Luchs (Lynx lynx)
Eurasischer Luchs (Lynx lynx) im Tierpark der Domaine des Grottes de Han, Belgien

Paarungszeit bei Eurasischen Luchsen (Lynx lynx) ist in den meisten Regionen der späte Winter und das zeitige Frühjahr, in der Regel im Februar und März. Das Weibchen ist monoöstrisch und für 4 bis 10 Tage empfängnisbereit. Ihr Lager bauen sie in umgestürzten hohlen Baumstämmen, an der Basis von Bäumen, in felsigen Gebieten oder in dichter Vegetation. Das Weibchen bringt nach einer Tragzeit von 67 bis 74 Tagen zwischen 1 und 4 Junge zur Welt.

Die jungen Luchse wiegen bei der Geburt zwischen 250 und 430 Gramm. Ihre Augen öffnen sich im Alter von etwa zwei Wochen und nach 24 bis 30 Tagen beginnen sie umherzustreifen. Die Mutter säugt ihren Nachwuchs für 3 bis 5 Monate, die Kleinen beginnen aber schon im Alter von einem Monat feste Nahrung zu sich zu nehmen. Sie bleiben bis zum nächsten Winter bei der Mutter, danach streifen sie mit ihren Geschwistern noch eine Weile umher und kooperieren auch bei der Jagd. Junge Weibchen erreichen die Geschlechtsreife im Alter zwischen 21 und 24 Monaten, Männchen etwa im Alter von 30 Monaten Eurasische Luchse (Lynx lynx) können in Gefangenschaft bis zu 24 Jahre alt werden.

Bedrohungen

Die zunehmende Urbanisierung und die Umwandlung großer Gebiete in landwirtschaftliche Flächen und der daraus resultierende erhebliche Verlust von Lebensraum und Beute, haben in Westeuropa zu einer starken Dezimierung der Populationen geführt. Da der Eurasische Luchs (Lynx lynx) gelegentlich auch Nutztiere reißt, stehen sie in direktem Konflikt mit Landwirten und Viehzüchtern, die sie als landwirtschaftliche Schädlinge töten. Wiedereinführungsprogramme in der Schweiz und in Deutschland haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten großen Erfolg gehabt.

Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) darf in einigen Ländern legal gejagt werden. In Finnland, wo die Population von nahezu Null in den 1950er Jahren auf über 500 Katzen dreißig Jahre später anwuchs, werden heute spezielle Jagdlizenzen ausgestellt. Im ehemaligen Jugoslawien stieg die Population nach einem Wiedereinführungsprogramm im Jahr 1973 derartig an, dass die Jagd jetzt wieder erlaubt wurde. In Schweden haben die übermäßige Jagd und das Feline Leukämievirus zu einem starken Rückgang der Populationen geführt. In Russland geht es dem Eurasischen Luchs (Lynx lynx) vermutlich recht gut, dort wird die Population auf rund 40.000 Katzen geschätzt.

Trotzdem bleiben die eskalierende Entwaldung, die Verfolgung als Schädlinge und die illegale Wilderei ein erhebliches Risiko für ihr Überleben in der Zukunft. Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) wird über sein gesamtes Verbreitungsgebiet für den Pelzhandel gefangen und getötet.

Studien haben gezeigt, dass sich eine Population von Eurasischen Luchsen (Lynx lynx) sehr schnell wieder erholen kann, vorausgesetzt, der Jagddruck wird vermindert und geschützte Regionen mit einer guten Beutebasis werden eingerichtet. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) listet den Eurasischen Luchs in Anhang II.


David W. Macdonald (Hrsg). The Encyclopedia of Mammals. Oxford University Press; Auflage: New edition (12. Oktober 2006)

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