„Salzprinz“ CC1 hat wichtige Funktion in Pflanzen, auch für die Alzheimer Forschung interessant?



Bio-News vom 20.02.2019

Wie das kürzlich entdeckte Protein CC1 aufgebaut ist und welche Eigenschaften es hat, beschreibt ein internationales Team um Wissenschaftler Arndt Wallmann vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und Christopher Kesten von der ETH Zürich in einer aktuellen Studie im Fachmagazin Nature Communications. Das Besondere an diesem Protein: Es ist nicht nur essenziell für den Salzhaushalt von Pflanzenzellen, sondern ähnelt funktional auch dem Tau-Protein. Dieses spielt im menschlichen Körper eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Erkrankung.

Proteine sind wesentliche Bausteine lebenden Gewebes – ob in Pflanzen oder Tieren. Sie haben vielfältige Funktionen inne und unterscheiden sich sehr stark in Aufbau und Größe; dabei sind viele Proteine in Bezug auf ihre Funktion und Struktur noch nicht genügend untersucht worden. Eines von ihnen wurde 2015 am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie (MPI-MP) von Anne Endler und Christopher Kesten aus der Forschungsgruppe von Staffan Persson zum Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit gemacht: das Protein CC1. Es befindet sich in Pflanzen unterhalb der Zellmembran und auf den Mikrotubuli, mit denen es im Rahmen der Zelluloseproduktion interagiert.

Mikrotubuli sind röhrenförmige Proteinnetzwerke und bilden das „Streckennetz“ einer Zelle: sie dienen als „zelluläre Atuobahnen“ zum Transport von Proteinen sowie der Zellstabilität. Die Forschenden des MPI-MP entdeckten, dass das Protein wichtig für die Reaktion von Pflanzen auf Salzstress ist: Gentechnisch manipulierte Pflanzen ohne CC1 scheinen sich zunächst normal zu entwickeln; setzt man sie allerdings auf einen Nährboden mit erhöhtem Salzgehalt, ist das Wachstum gehemmt. Das liegt daran, dass CC1 zentral für die Stabilität der Mikrotubuli ist: „Weist die Zelle einer Pflanze einen erhöhten Salzgehalt auf, verschwindet das Mikrotubuli-Netzwerk unterhalb der Membran innerhalb von zwei Stunden, kommt aber nach weiteren sechs Stunden wieder zurück. Ohne CC1 zerfällt das Mikrotubuli-Netzwerk schneller und wird danach zwar wieder aufgebaut, ist aber nicht mehr gleichermaßen stabil“, erläutert Christopher Kesten, inzwischen Forscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.


Eine Pflanze gedeiht auf Salz – das geht wesentlich besser, wenn sie über das Protein CC1 verfügt.

Publikation:


Christopher Kesten, Arndt Wallmann, René Schneider, Heather E. McFarlane, Anne Diehl, Ghazanfar Abbas Khan, Barth-Jan van Rossum, Edwin R. Lampugnani, Witold G. Szymanski, Nils Cremer, Peter Schmieder, Kristina L. Ford, Florian Seiter, Joshua L. Heazlewood, Clara Sanchez-Rodriguez, Hartmut Oschkinat, Staffan Persson
The Companion of Cellulose Synthase 1 confers salt tolerance through a Tau-like mechanism in plants
Nature Communications

DOI: 10.1038/s41467-019-08780-3



Die Strukturbiologen rund um Arndt Wallmann aus der Forschungsgruppe von Hartmut Oschkinat machten sich daran, CC1 genauer zu untersuchen. Er und das FMP-Team nutzten hierfür die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), eine Methode, mit der sich die Umgebung einzelner Atome untersuchen lässt, um Struktur und Dynamik von Molekülen zu analysieren. Das CC1-Protein besteht aus drei Teilen, von denen der ins Zytosol ragende Teil, der direkt unter der Zellmembran sitzt, mit den Mikrotubuli interagieren kann. Mittels NMR-Analyse konnte Arndt Wallmann die molekularen Eigenschaften des Proteins näher beschreiben. „Wir stellten fest, dass der zytosolische Teil von CC1 keine feste Struktur hat und somit sehr dynamisch ist. In Stresssituationen kann das von Vorteil sein – etwa wenn Salz in die Zelle eindringt“, erläutert der Forscher.

Die Forschenden fanden heraus, dass CC1 die Mikrotubuli zugleich mit mehreren Regionen bindet, also verschiedene Stellen des Proteins gleichzeitig involviert sind, und es somit die Reorganisation des Mikrotubuli-Netzwerks direkt regulieren kann. Das Protein verhält sich dabei selbst dynamisch und kann sich entlang der Mikrotubuli bewegen. Um die Funktionsweise von CC1 genauer zu untersuchen, brachte Christopher Kesten Mutationen in das Protein ein, die eine Störung der Interaktion mit Mikrotubuli verursachen. „Unter Salzstress ist das Wachstum der mutierten Pflanzen dann sogar geringer, als wenn CC1 ganz fehlen würde“, berichtet der Forscher. Dies lässt sich vermutlich auf eine starke Fehlregulation des Mikrotubuli-Netzwerks durch das mutierte CC1 zurückführen.

Die Ergebnisse des internationalen Teams bestehend aus Mitgliedern des FMP, der ETH Zürich und der University of Melbourne sind ein wichtiger Beitrag für die Grundlagenforschung – und könnten außerdem neue Perspektiven auf die Erforschung einer bisher unheilbaren Erkrankung des Menschen beitragen: „Was wir über CC1 herausgefunden haben, ist auch deswegen spannend, weil der zytosolische Teil des Proteins in seinen Bindungseigenschaften einem sehr gut erforschten, im menschlichen Körper vorkommenden Protein gleicht, dem Tau-Protein, das auch mit der Alzheimer’schen Krankheit in Verbindung gebracht wird“, so Arndt Wallmann.

CC1 und Tau-Protein sind dabei nicht homolog, also evolutionär verwandt, sondern analog: „Wir haben eine erstaunliche Ähnlichkeit der Eigenschaften festgestellt, etwa als wenn man den Flügel eines Vogels mit dem einer Fledermaus vergleicht, die sich zwar unabhängig entwickelt haben, sich funktionell und morphologisch jedoch ähneln“, erläutert der Forscher. So bindet das Tau-Protein ebenso wie CC1 an Mikrotubuli, aber in den Neuronen des Nervengewebes. Bei Alzheimer-Erkrankten bilden sich Ablagerungen von Tau-Proteinen, und in der Folge sterben zunächst einzelne Zellen und dann ganze Areale im Gehirn ab. Die genaue Rolle der Tau-Proteine im Krankheitsverlauf von Alzheimer ist allerdings noch unklar.

Gerade der unterschiedliche Aufbau von CC1 macht nun weitere, vergleichende Forschungsarbeiten an beiden Proteinen spannend: „Im Vergleich lässt sich gut erforschen, was wichtig für die Funktion des Tau-Proteins und CC1 ist, und damit auch welche Faktoren dazu beitragen, dass es in den Neuronen schief läuft“, sagt Arndt Wallmann. Vor allem aber sind die erlangten Erkenntnisse für die angewandte Pflanzenforschung wichtig, etwa um Nutzpflanzen zu entwickeln, die salzresistenter sind und damit auf versalzenen Böden besser gedeihen können.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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