Unterschätzte Helfer: Membranbausteine steuern Zellwachstum entscheidend mit



Bio-News vom 15.02.2021

Lipide sind die Bausteine für die Hülle von Zellen, die Zellmembran. Manche Lipide haben neben dieser strukturellen Funktion aber auch regulatorische Wirkungen und üben entscheidenden Einfluss auf das Wachstum von Zellen aus. Das zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einer neuen Studie. Die Wirkung hängt insbesondere davon ab, wie diese Lipide auf der Zellmembran verteilt sind. Die Studie wurde in "The Plant Cell" veröffentlicht.

Wenn Pflanzenzellen sich bewegen wollen, müssen sie wachsen. Ein besonderes Beispiel hierfür ist der Pollenschlauch. Landet ein Pollen auf einer Blüte, wächst der Schlauch gezielt in die weiblichen Reproduktionsorgane hinein. So können die männlichen Geschlechtszellen hindurchwandern und es kommt zur Befruchtung. Das Besondere am Pollenschlauch ist, dass er aus einer einzigen Zelle besteht, die sich immer weiter verlängert und im Extremfall mehrere Zentimeter lang werden kann. "Das macht Pollenschläuche zu einem spannenden Objekt für die Erforschung gerichteter Wachstumsprozesse", sagt Prof. Dr. Ingo Heilmann, Leiter der Abteilung Pflanzenbiochemie an der MLU.


Ein Pollenschlauch, der aus einem Pollenkorn wächst (Grün: Enzym, das für die Produktion des Lipids verantwortlich ist, welches das Zellwachstum beeinflusst, Magenta: Zytoskelett).

Publikation:


Fratini et al.
Plasma membrane nano-organization specifies phosphoinositide effects on Rho-GTPases and actin dynamics in tobacco pollen tubes
The Plant Cell (2020)

DOI: 10.1093/plcell/koaa035

biochemtech.uni-halle.de

Für die aktuelle Studie nahm das Team von Heilmann die Phospholipide von Pollenschläuchen in den Blick, die als Hauptbestandteil der Zellmembranen dafür verantwortlich sind, das Zellinnere von der Umgebung zu trennen. "Im Allgemeinen nimmt man an, dass Lipide vor allem diese strukturierende Funktion haben", so Dr. Marta Fratini, Erstautorin der Studie. Dass manche Phospholipide auch zelluläre Prozesse steuern können, ist erst seit kurzem bekannt. Die halleschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass ein bestimmtes Phospholipid mit dem Namen Phosphatidylinositol 4,5-Bisphosphat ("PIP2") verschiedene Aspekte das Zellwachstums von Pollenschläuchen steuern kann - und zwar abhängig von seiner Position auf der Zellmembran. Dafür markierten sie das Lipid mit einem fluoreszierenden Marker.

Pollenschlauch mit geschwollener Spitze (Grün: Ein Enzym, das für die Produktion der Lipid-Nanodomänen verantwortlich ist, Magenta: Lipid-Nanodomänen)

"Es ist entweder diffus und ohne erkennbares Muster über die gesamte Spitze des Pollenschlauchs verteilt oder in dynamischen kleinen Nanodomänen konzentriert", erklärt Fratini. Vorstellen lässt sich das mit einer Gruppe Menschen auf einem Platz: Entweder halten einzelne Personen die aktuell vorgeschriebenen 1,5 Meter Abstand untereinander ein oder sie bilden kleine Grüppchen.

Grund für die unterschiedliche Verteilung von PIP2 sind offenbar verschiedene Enzyme. "Es gibt in pflanzlichen Zellen mehrere Enzyme, die dieses eine Phospholipid produzieren können", erklärt Heilmann. Manche davon sind, wie die Lipide, in der Membran breit verteilt und andere in Nanodomänen konzentriert, wie die aktuelle Studie zeigt. Je nachdem, welches der Enzyme die Forschenden künstlich vermehrten, stabilisierte sich entweder das Zytoskelett - eine Struktur, die wichtig für das gerichtete Wachstum ist - und der Pollenschlauch schwoll an der Spitze an. Oder es wurde vermehrt Pektin ausgeschieden, ein wichtiger Baustoff für pflanzliche Zellwände. Das brachte die Zelle dann dazu, sich zu verzweigen. Um sicherzugehen, dass für diese Wachstumseffekte tatsächlich die Verteilung der Lipide verantwortlich ist, veränderten die Biochemiker künstlich die Anordnung der Enzyme auf der Zellmembran - von punktuell zu breit gestreut oder umgekehrt. Und tatsächlich tauschten sie dadurch auch die jeweiligen Auswirkungen auf das Zellwachstum.

"Soweit ich weiß, führt unsere Untersuchung zum ersten Mal die regulatorische Funktion eines Lipids auf seine räumliche Verteilung in der Membran zurück", so Heilmann. Weitere Forschung sei nun nötig, um zu klären, wie sich die Membran-Nanodomänen genau zusammensetzen und wie die Verteilung von PIP2 auf der Membran so unterschiedliche Auswirkungen haben kann.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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