Und Evolution wiederholt sich doch: Wie die Evolution Streifen kommen und gehen lässt



Bio-News vom 25.10.2018

Konstanzer Evolutionsbiologen um Prof. Dr. Axel Meyer entdecken die genetische Basis der Evolution von Farbmustern. Die neuen Erkenntnisse über die Streifen der besonders artenreichen ostafrikanischen Buntbarsche erklären, wie sich Evolution in Weltrekordtempo wiederholen kann. Die Studie wird am 26. Oktober im Magazin „Science“ veröffentlicht.

Warum wiederholt sich die Evolution? Und was passiert genetisch, wenn sich Evolution wiederholt? Sind dieselben oder andere Gene und Mechanismen verantwortlich, um ähnlich aussehende Organismen zu produzieren? Die Antwort auf diese ebenso alte wie wichtige evolutionsbiologische Frage sind Konstanzer Biologen ein Stück nähergekommen und die Antwort ist verblüffend. Sie untersuchten ein besonderes Farbmuster, das in der Tierwelt oft und bei den unterschiedlichsten Arten vorkommt: horizontale Streifen. Sie konnten die Basis der wiederholten Evolution dieser Streifen mit modernen genomischen und molekularbiologischen Methoden, wie CRISPR-Cas, identifizieren.

Buntbarsche, von denen über 1200 Arten in den großen afrikanischen Seen, Malawi, Victoria und Tanganjika vorkommen, sind wie ihr Name schon sagt, besonders bunt und farbenprächtig. Aber, sie sind nicht nur farblich vielfältig, sondern haben auch zahlreiche Musterungen wie längs oder quer verlaufende Streifen. „Doch nicht nur das“ erklärt Prof. Dr. Axel Meyer, „Buntbarsche sind Paradefälle der Evolution. Sie sind im Hinblick auf Sozialverhalten, Körperformen, Farbmuster und viele andere biologische Aspekte extrem divers, aber gleichzeitig wiederholen sich bestimmte Themen, unabhängig voneinander in verschiedenen Seen“.


Zwei verblüffend ähnliche Fischarten mit ihren charakteristischen horizontalen Streifen, die allerdings nur sehr fern miteinander verwand sind und daher ein schönes Beispiel für die sich wiederholende (konvergente) Evolution sind: Julidochromis ornatus (Tanganyikasee, links) und Melanochromis auratus (Malawisee, rechts).

Publikation:


Claudius F. Kratochwil, Yipeng Liang, Jan Gerwin, Joost M. Woltering, Sabine Urban et al.
Agouti-related peptide 2 facilitates convergent evolution of stripe patterns across cichlid fish radiations
Science 26 Oct 2018: Vol. 362, Issue 6413, pp. 457-460

DOI: 10.1126/science.aao6809



Dieses Prinzip der sich wiederholenden Evolution — der Biologe spricht hier von ‚Konvergenz‘ — verleiht den Buntbarschen eine tragende Rolle für die Erforschung der genetischen Basis solcher Phänomene. Denn wenn in mehreren evolutionären Linien unabhängig voneinander ähnliche Farb- und Körperformen entstanden sind, bedeutet das, dass die Evolution auf ähnliche Umweltbedingungen die gleiche Antwort gefunden hat. Die Frage, die sich dann stellt: Wenn Evolution sich wiederholt, wie macht sie das genetisch?

Wie genau die Streifen der Buntbarsche während der Evolution gemacht werden kommen und gehen, und welches durch welches Gen und welcher genetische Mechanismus dafür verantwortlich ist, konnten die Wissenschaftler nun durch Genomanalysen, Züchtungen und Experimente, auch mit der Genschere CRISPR-Cas im Labor detailliert nachvollziehen. „Es lässt sich durch Züchtungsexperimente exakt bestimmen“, erläutert Dr. Claudius Kratochwil, Nachwuchswissenschaftler in Professor Meyers Arbeitsgruppe und Erstautor der Studie in Science, „auf welchem der 22 Chromosomen der Fische, genauer auf welchem Bereich dieses Chromosoms, die für die Streifen ursächliche genetische Region verortet ist.“ Das verantwortliche Gen auf diesem Chromosomenstück heißt agrp2. Dieses „Streifengen“ und deren Ursprung und Vorkommen in anderen afrikanischen Seen wurde durch vergleichende molekulare Arbeiten beschrieben. Die Streifen der Buntbarsche sind evolutionär betrachtet recht labil. Im Laufe von wenigen Millionen Jahren sind sie in den Afrikanischen Seen häufig verlorengegangen und neu entstanden.

Da diese Arten (mit und ohne Streifen) so jung sind kann man sie auch mit einander kreuzen. Die im Labor mögliche Kreuzung und gleichzeitige Untersuchung von Buntbarschen mit und ohne Streifen zeigt, dass alle Buntbarsche das „Streifen-Gen“ haben. Allerdings unterscheiden sich die Schalter (regulatorische Elemente) des Streifengens in Buntbarscharten mit und ohne Streifen. „Der entscheidende Trick dieses genetischen Schalters ist, dass er bewirkt, dass das Gen bei Arten ohne Streifen stärker angeschaltet ist, also viel Protein entsteht. Das Streifengen agrp2 funktioniert demnach als „Streifen-Hemmer“: denn bei höherer Genproduktion werden die Streifen unterdrückt, bei geringer Genproduktion bleiben sie. Dies konnte durch moderne genetische Methoden gezeigt werden.

„Wenn das Gen im Genom einer Art ohne Streifen mit Hilfe der Genschwere CRISPR-Cas entfernt wird“, erläutert Kratochwil weiter, „dann entwickelt selbst ein „streifenloser“ Fisch plötzlich Streifen, was zeigt, dass das Streifengen der entscheidende genetische Faktor ist“.

Die neuen Erkenntnisse zu diesem genetischen Mechanismus, dem An- und Ausschalten von Streifen durch das „Streifen-Gens“ wurden in der aktuell Ausgabe von „Science“ veröffentlicht. Interessanterweise ist das agrp2 Gen des Buntbarsches eine Kopie des agouti Gens bei Säugetieren, dass auch für Farbvarianten bei Katzen, Hunden, Pferden und gestreiften Vogelküken verantwortlich ist. „Vielleicht wäre die Tierwelt ohne die Existenz der agouti Gen Familie wesentlich weniger farbenfroh“ spekuliert Dr. Claudius Kratochwil.

Was der Mechanismus des „Streifen-Gens“ bei Buntbarschen eindeutig ermöglicht, ist die Option der wiederholten Evolution in vergleichsweise kürzester Zeit. Gehen in der Evolution Merkmale verloren, so ist dieser Verlust meist endgültig, wie der belgische Paläontologe Louis Dollo schon vor genau 125 Jahren erkannt hat. 1893 formulierte er sein nach ihm benanntes „Gesetz“. Eine Besonderheit des Streifen Gens agrp2 ist, dass es die evolutionäre wiederholte Evolution eines Merkmals auf relativ einfache Weise erlaubt. Verliert ein Buntbarsch einmal seine Streifen, heißt das somit nicht, dass sie nicht wiederkehren können -und umgekehrt. So zeigen diese modernen molekularbiologischen Arbeiten auch, dass paläontologische Regeln und evolutionäre Gesetzmäßigkeiten neu hinterfragt werden müssen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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