Singvögel nutzen Erdmagnetfeld als Stoppschild



Bio-News vom 27.01.2022

Dass wenige Gramm schwere Singvögel nach einem Flug über zwei Kontinente zu ihrem Brutplatz vom Vorjahr zurückfinden, erscheint selbst Fachleuten wie ein kleines Wunder. Eine neue Studie liefert nun Hinweise darauf, wie den Vögeln dies gelingt: Magnetische Signale zeigen ihnen, wo sie ihre Wanderung beenden müssen, so das Team. Die Untersuchung basiert auf Beringungsdaten, die über fast 80 Jahre in ganz Europa gesammelt wurden.

Wie Vögel das Magnetfeld der Erde wahrnehmen, ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung. Einer Theorie zufolge, die Forschende aus Oldenburg und Oxford gemeinsam untersuchen, registrieren Vögel Magnetfeldlinien mithilfe bestimmter chemischer Moleküle im Auge. Das Team vermutet, dass die Vögel diese Fähigkeit nutzen, um ihre Flugrichtung und vielleicht Hinweise auf ihren Aufenthaltsort zu bestimmen.

„Untersuchungen machen zwar immer deutlicher, dass der Vogelzug einem festen Programm folgt, das Vögel von ihren Eltern erben. Aber wie sie Jahr für Jahr mit hoher Präzision an denselben Ort zurückkehren, ist nach wie vor ein Rätsel“, sagt Hauptautor Dr. Joe Wynn vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven. Er hatte zuvor an der University of Oxford geforscht und die Idee zu der Studie während eines Aufenthalts als Gastwissenschaftler in der Arbeitsgruppe des Biologen Prof. Dr. Henrik Mouritsen an der Universität Oldenburg entwickelt. „Es ist daher sehr aufregend, Hinweise darauf zu finden, dass Singvögel magnetische Signale nutzen, um ihr Zuhause wiederzufinden“, ergänzt Wynn.


Teichrohrsänger bei Cuckmere Valley, Sussex, England.
Das Erdmagnetfeld ist für Teichrohrsänger wie ein Koordinatensystem. Sie orientieren sich vermutlich an der Inklination, der Neigung der Feldlinien zur Waagerechten.

Das Team analysierte Beringungsdaten von fast 18.000 Teichrohrsängern, die aus der Zeit zwischen 1940 und 2018 stammen. Teichrohrsänger sind winzige Singvögel, die jedes Jahr die Sahara überqueren und den Sommer in Europa verbringen. Sie zählen zu den Arten, die seit fast hundert Jahren mit kleinen Metallfußringen individuell markiert werden. Sowohl die Beringungsorte als auch die Fundorte werden für ganz Europa zentral erfasst. „Diese Daten sind ein fantastisches Mittel, um Fragen zum Vogelzug zu beantworten, weil sie über so viele Jahre hinweg in einem sehr großen Gebiet gesammelt wurden“, sagt Wynn.

Das Team analysierte die Beringungsdaten der Teichrohrsänger mit statistischen Methoden. Die Verteilung der gefundenen Ringe deutete darauf hin, dass die Vögel ein Ziel anpeilen, das nicht ortsfest ist: Die Forschenden fanden einen sehr genauen Zusammenhang zwischen den Fundorten und der der langsamen Drift des Erdmagnetfeldes, dessen Feldlinien sich durch Bewegungen des flüssigen Eisens im Erdkern von Jahr zu Jahr um wenige Kilometer in verschiedene Richtungen verlagern können. Wie Wynn und seine Kolleginnen und Kollegen schreiben, scheinen die Vögel eine bestimmte magnetische Koordinate wie ein Stoppschild zu nutzen: Sobald die magnetische Inklination – der Neigungswinkel zwischen Feldlinien und Erdoberfläche – einen bestimmten Wert erreicht, hören sie auf zu wandern. Andere Komponenten des Erdmagnetfeldes, etwa die Feldstärke oder die Abweichung zwischen magnetischer und geografischer Nordrichtung, spielen demnach keine Rolle.

Wynn erklärt: „An einem Ort ändert sich das Magnetfeld von Jahr zu Jahr nicht besonders stark. Daher erscheint es sinnvoll, dass die Vögel einen bestimmten Magnetfeldwert als Zielpunkt ihrer Reise wählen.“ Die Inklination bietet den Vögeln nach Meinung des Teams die besten Chancen, zum Brutplatz zurückzukehren, weil sie der stabilste Bestandteil des Erdmagnetfeldes ist.



Es sei äußerst spannend, dieses Phänomen mit Hilfe von Daten zu untersuchen, die vor allem von Hobby-Vogelbeobachtern gesammelt wurden, so Mouritsen weiter. Das Team hofft, dass diese Form der Bürgerwissenschaft noch mehr Menschen dazu inspiriert, Vögel zu beobachten und sich für die Wissenschaft zu begeistern.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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