Pflanzenforschung: Neuer Mechanismus bei der Genregulation gefunden



Bio-News vom 13.09.2018

Ein Team von Wissenschaftlern um den Oldenburger Pflanzengenetiker Prof. Dr. Sascha Laubinger hat einen neuen genetischen Mechanismus entdeckt, der Pflanzen ermöglicht, schnell auf Stress wie Kälte oder Wassermangel zu reagieren. Durch gezielte molekulargenetische Experimente mit der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) fanden die Forscher heraus, dass ein Eiweiß die Aktivität solcher Gene verstärkt, die eine Pflanze unter Stress benötigt. Eine Analyse entsprechender Daten der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) deutet zudem darauf hin, dass dieser Mechanismus universell in allen höheren Lebewesen ähnlich ablaufen könnte. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin eLife erschienen.

In Pflanzen- und Tierzellen gibt es verschiedene Mechanismen, die beeinflussen, ob die Informationen eines Gens tatsächlich abgelesen und mit Hilfe der Bauanleitung Proteine, also Eiweiße, hergestellt werden. Ein wichtiger Faktor sind dabei die sogenannten Introns: Diese Abschnitte eines Gens enthalten zwar keine Information für den Bau eines Proteins. Sie regeln aber unter anderem, welche Mengen des Proteins hergestellt werden. Wissenschaftler vermuten zudem, dass Introns mehr Variationen in den entstehenden Eiweißmolekülen und damit einen evolutionären Vorteil ermöglichen.

Gut 20 Prozent der Gene einer Pflanze enthalten allerdings keine Introns. Warum dies trotz des Vorteils durch die Introns so ist, haben Wissenschaftler bisher noch nicht vollständig verstanden. „Unsere Analysen und die Ergebnisse weiterer Studien zeigen aber, dass die Gene ohne Introns schneller reagieren, wenn Pflanzen Stresssituationen ausgesetzt sind“, erläutert Laubinger. Der Grund hierfür sei, so vermutet Laubinger, dass das zeitaufwändige Entfernen der Introns, das üblicherweise beim Ablesen der Gene geschieht, entfalle. Diese schnellen Reaktionen bringe Pflanzen, die Stresssituationen ja nicht durch Bewegung ausweichen können, einen Vorteil. „Der Nachteil dabei ist aber, dass ein entsprechendes Gen weniger stark abgelesen und damit weniger Protein hergestellt wird“, ergänzt Laubinger.


Bei Trockenheit verstärkt das Protein SERRATE in Pflanzen wie der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) das Ablesen der Gene, die die Pflanze unter Stress benötigt.

Publikation:


C. Speth, E. X. Szabo, C. Martinho, S. Collani, S. zur Oven-Krockhaus, S. Richter, I. Droste-Borel, B. Macek, Y.-D. Stierhof, M. Schmid, C. Liu & S. Laubinger
Arabidopsis RNA processing factor SERRATE regulates the transcription of intronless genes
eLife 2018;7:e37078

DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.37078



Nun haben die Wissenschaftler Hinweise darauf gefunden, dass ein bestimmtes Protein, SERRATE genannt, dieses Dilemma entschärft. Bisher war bekannt, dass dieses Molekül eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Ackerschmalwand spielt. Es beeinflusst beispielsweise auf vielfältige Weise das Botenmolekül RNA, das die Informationen aus den Genen für den Zusammenbau von Proteinen überträgt. Die Forscher um Laubinger wollten der Rolle des Moleküls nun weiter auf die Spur kommen: Sie untersuchten mit molekulargenetischen Methoden an einer genetisch veränderten Variante und der Wildform der Pflanze, an welche Gene das Protein andockt. Zudem führten sie Stress-Experimente mit Kälte durch. Dabei zeigte sich: „SERRATE bindet vor allem an die Gene, die keine Introns haben, und auf Stress reagieren. Dabei verstärkt das Protein das Ablesen dieser Gene unter Stress“, sagt Laubinger. Es ermögliche damit der Pflanze, sowohl schnell als auch wirkungsvoll auf geänderte Umweltbedingungen zu reagieren.

Um herauszufinden, ob ein sehr ähnlich gebautes Protein, das in Tieren vorkommt, auch ähnliche Funktionen wie SERRATE übernimmt, analysierten die Wissenschaftler zudem genetische Daten der Fruchtfliege Drosophila melanogaster. Dabei zeigte sich, dass dieses Protein ebenfalls an Gene ohne Intron bindet. „Das SERRATE-Protein scheint in Tieren und eventuell sogar Menschen die gleiche Funktion auszuüben wie in Pflanzen“, schlussfolgert Laubinger. Die Ergebnisse der Studie seien daher nicht nur interessant, um stressresistente Pflanzensorten zu entwickeln, erläutert er. Auch bei Menschen seien etwa drei bis fünf Prozent der Gene ohne Introns. „Das ist ein substantieller Anteil“, ergänzt der Pflanzengenetiker. Diese Gene spielten vor allem in sich schnell teilenden Zellen eine Rolle, wie sie etwa bei Krebserkrankungen oder neurologischen Erkrankungen vorkommen. Das Wissen um die Funktion von SERRATE könnte daher künftig auch helfen besser zu verstehen, wie beispielsweise Krebszellen wachsen und sich teilen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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