Modifizierte Pflanzen gegen den Klimawandel



Bio-News vom 21.01.2020

Im Kampf gegen den Klimawandel sind neue Techniken gesucht. Würzburger Bioinformatiker haben jetzt möglicherweise einen Weg gefunden, der Pflanzen in die Lage versetzt, mehr Kohlendioxid zu binden.

Jedes Jahr werden weltweit durchschnittlich 120 Gigatonnen Kohlendioxid (CO2) durch die Boden- und Vegetationsatmung freigesetzt. Pflanzen sind durch Photosynthese imstande, im gleichen Zeitraum rund 123 Gigatonnen aufzunehmen. Weil allerdings der Mensch in erster Linie durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas weitere zehn Gigatonnen CO2 in diesen Kreislauf einspeist, bleibt ein Überschuss von sieben Gigatonnen. „Und diese sieben Gitatonnen sind unser großes Problem“, sagt Thomas Dandekar, Inhaber des Würzburger Lehrstuhls für Bioinformatik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Sie treiben die Klimaerwärmung an und sorgen dafür, dass weltweit die Temperaturen in einem Besorgnis erregenden Maß ansteigen.


Wenn Stoffwechselnetzwerke von Pflanzen moduliert werden, können diese deutlich mehr Kohlendioxid binden - und damit möglicherweise den Klimawandel bremsen.

Publikation:


Muhammad Naseem, Özge Osmanoglu and Thomas Dandekar
Synthetic rewiring of plant CO2-sequestration galvanizes plant biomass production
Trends in Biotechnology

DOI: 10.1016/j.tibtech.2019.12.019



Bei der Suche nach einer Lösung für dieses Problem, glauben Dandekar und seine Mitarbeiter einen viel versprechenden Weg entdeckt zu haben: Sie setzen dafür auf effektivere Pflanzen, die dank eines modifizierten Stoffwechsels dafür sorgen, dass die CO2-Restmenge besser gebunden wird. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Wissenschaftler jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Trends in Biotechnology veröffentlicht.

Modulierte Stoffwechselnetze berechnet

Bioinformatiker forschen in der Regel mithilfe mathematischer Modelle am Computer. So untersuchte Thomas Dandekar in den vergangenen Monaten mit seinem Team, ob die Stoffwechselnetzwerke von Pflanzen auf eine Art moduliert werden können, dass die Pflanzen imstande sind, mehr Kohlendioxid zu binden. Dabei kombinierten die Wissenschaftler zwei unterschiedliche Methoden, den Stoffwechsel der Pflanzenzelle zu modulieren. Durch aufwändige und komplizierte Berechnungen fanden sie heraus, dass Pflanzen durch die Kombination fünfmal mehr CO2 binden könnten als im Naturzustand.

Das, was theoretisch berechnet wurde, muss nun in praktischen Versuchen erprobt werden. Dafür ist Dandekars Kollege Muhammad Naseem zuständig. Naseem stammt aus Pakistan, er ist promovierter Molekularbiologe und arbeitet nicht nur in Würzburg, sondern auch an der Zayed University in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Seit zwei Jahren hat er dort eine Professur. Am 4. Januar flog Naseem wieder nach Abu Dhabi. Im Laufe dieses Jahres will er dort mit den praktischen Versuchen beginnen. „Wir werden mit der leicht transformierbaren Tabakpflanze und der Ackerschmalwand experimentieren“, so der Wissenschaftler.

Weniger Kohlendioxid bei mehr Ertrag

„Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird der Klimawandel fatale Folgen haben“, warnt Dandekar. Er selbst rechnet damit, dass sich die Durchschnittstemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um bis zu vier Grad erhöhen könnte. Die kommenden zehn Jahre müssten genutzt werden, um neue Wege zu finden, das bereits freigesetzte CO2 in der Atmosphäre zu entfernen, die CO2-Emissionen zu reduzieren und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Die Würzburger Forschungen würden, sollten sie sich in der Praxis bewähren, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn die modulierten Pflanzen binden nicht nur viel CO2, sie sind zudem deutlich ertragreicher.

Das vom Freistaat unterstützte Forschungsprojekt könnte laut Thomas Dandekar ganz konkret großen Unternehmen helfen, ihren Ausstoß an CO2 zu kompensieren. Der Bioinformatiker denkt zum Beispiel an die Zementindustrie, die ein immenses Problem mit Kohlendioxid hat. Schätzungen gehen dahin, dass die Zementherstellung für vier bis acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Modifizierte Kieselalgen könnten dazu beitragen, diese hohen Ausstoßmengen zu reduzieren, erläutert der Professor: „Man könnte diese schnell wachsenden Algen direkt in den Sandgruben halten.“

Arbeit an zwei Menschheitsproblemen

Die Anpassung an den Klimawandel ist für Länder außerhalb Europas aktuell noch wichtiger als für Deutschland, erklärt Muhammad Naseem. Gerade in den Vereinigten Arabischen Emiraten seien die Folgen bereits deutlich spürbar. Klimaforscher warnen auf Basis von Modellprognosen, dass die Temperaturen in den großen Städten am Arabischen Golf auf 50 oder sogar 60 Grad Celsius klettern könnte. Das wären selbst für Arabien unerträgliche Hitzerekorde. „Das große Problem ist, dass die Vereinigten Arabischen Emirate zu den Ländern mit dem höchsten CO2-Fußabdruck pro Kopf zählen“, so Muhammad Naseem. CO2 müsse also dringend reduziert werden.

Die Idee, zwei Modulationsmethoden zu verbinden, sieht Naseem als Glücksfall an, denn dadurch könnten zwei Menschheitsprobleme angegangen werden – vorausgesetzt, die Computeranalysen decken sich mit dem Verhalten der Pflanze im Freiland. „Es geht zum einen um den Klimawandel und zum anderen um die Ernährung, und beides hängt eng zusammen“, sagt der Lebenswissenschaftler. Durch den Klimawandel verbrennen Felder, Pflanzen vertrocknen, mancherorts verdorrt die gesamte Ernte. Pflanzen mit modulierten Stoffwechselwegen könnten nicht nur dafür sorgen, dass mehr CO2 gebunden wird: Der gentechnische Eingriff führt auch zu einer höheren Biomasseproduktion.

Mehr Forschungsmittel für aktive Strategien gegen den Klimawandel sind nötig

Natürlich sind diese neuen Forschungsergebnisse nicht die einzige Strategie, den Klimawandel abzumildern. Kleine, kühlende, weiße Wolken direkt über dem Meer – das sogenannte „Marine Cloud Brightening“ – oder Ökodiesel aus CO2 mit Hilfe von Wasserstoff aus Solarzellen sind zwei weitere gute Strategien. „Welcher Weg oder Strategie-Mix auch gewählt wird, erst muss jede Strategie vorsichtig zehn Jahre exploriert werden, ehe man sie einsetzt“, warnt Dandekar. Eine stärkere Förderung der Erforschung und kritischen Exploration aktiver Strategien gegen den Klimawandel ist wegen der weltweit fehlenden Bereitschaft, tatsächlich CO2 einzusparen, dringend geboten, „sonst stehen wir 2030 ohnmächtig da, ohne Möglichkeiten, uns gegen den immer stärkeren Klimawandel und CO2 Anstieg zu schützen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Julius-Maximilians-Universität Würzburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

Die News der letzten 7 Tage 6 Meldungen






warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte