Lemuren behandeln Magen-Darm-Beschwerden mit Tausendfüßlern



Bio-News vom 30.07.2018

Madagassische Rotstirnmakis kauen auf Tausendfüßlern, um Darmparasiten loszuwerden

Mit Beginn der Regenzeit kriechen sie hervor: die Geheimwaffen aus dem Medizinschrank der Natur. Madagassische Rotstirnmakis nutzen die großen Tausendfüßler, um sich von Darmparasiten zu befreien. Louise Peckre und ihre Kolleginnen vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen gehen davon aus, dass die Lemuren auf Tausendfüßlern kauen, um durch Darmparasiten hervorgerufene Symptome wie Juckreiz und Gewichtsverlust zu vermeiden und zu behandeln. Ihre Studie ist heute in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Primates“ erschienen.

Nicht nur Lemuren, auch andere Affenarten wie Klammeraffen haben die Angewohnheit, fremde Substanzen oder Materialien über Teile ihres eigenen Körpers zu reiben. Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieses Einreiben entweder eine Form der Kommunikation ist, es dazu dient, giftige Substanzen vor dem Fressen zu entfernen oder dass es eine Form der Selbstmedikation bei Krankheiten ist.


Ein weiblicher (links) und ein männlicher (rechts) Rotstirnmaki mit Jungtier (Mitte).

Publikation:


Peckre LR, Defolie C, Kappeler PM, Fichtel C
Potential self-medication using millipede secretions in red-fronted lemurs: combining anointment and ingestion for a joint action against gastro-intestinal parasites?
Primates

DOI: 10.1007/s10329-018-0674-7



Louise Peckre, Doktorandin in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am Deutschen Primatenzentrum, hat fünf Gruppen von Rotstirnmakis im Kirindy-Wald auf Madagaskar beobachtet. Dabei hat sie sechs Tiere unterschiedlichen Alters und Geschlechts dokumentiert, die auf Tausendfüßlern kauten. Die Tausendfüßler waren ein paar Stunden nach dem ersten starken Regen der Saison aufgetaucht. Durch das Kauen hat sich eine größere Menge einer orange gefärbten Flüssigkeit gebildet, vermutlich eine Mischung aus Speichel und Tausendfüßlersekret. Anschließend haben sich die Rotstirnmakis mit den zerkauten Tausendfüßlern Haut und Fell rund um Genitalien, Darmausgang und Schwanz eingerieben. Einige Tausendfüßler haben sie nach ausgiebigem Kauen auch gefressen.

„Die Kombination aus Einreiben und Fressen von Tausendfüßlersekreten könnte eine Art der Selbstmedikation bei Rotstirnmakis sein“, sagt Louise Peckre, Erstautorin der Studie.

Vermutlich werden die Tausendfüßler deshalb gefressen, weil sie Benzochinon ausscheiden, eine chemische Verbindung, die auch Mücken abwehrt. Das Fressen und Einreiben könnte dazu beitragen, Magen-Darm-Parasiten loszuwerden und speziell gegen bestimmte Nematoden wirken, die bekanntermaßen Hautirritationen rund um den Darmausgang hervorrufen. Diese Würmer und ihre Eier führen bei befallenen Tieren oftmals zu juckenden Hautausschlägen. Der auch für Menschen problematische Madenwurm gehört ebenfalls zu dieser Gattung von Nematoden.

„Bei unseren Beobachtungen sind uns bei mehreren Tieren kahle Stellen am unteren Rücken aufgefallen, die wahrscheinlich durch wiederholtes Scheuern entstanden sind und damit auf einen Befall mit Nematoden hinweisen“, sagt Louise Peckre.

Louise Peckre und ihre Kolleginnen vermuten, dass die Lemuren Tausendfüßler nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Prävention nutzen. In weiteren Studien würden die Wissenschaftlerinnen gerne Affenarten, die sich nur einreiben, aber die Tausendfüßler nicht fressen, mit solchen, die sich sowohl einreiben als auch fressen, vergleichen. „Wir erwarten, dass stärker mit Darmparasiten befallene Affenarten mit höherer Wahrscheinlichkeit Tausendfüßler fressen“, sagt Louise Peckre.

Verschiedene Vogel- und Säugetierarten reiben sich mit Tausendfüßlern ein oder fressen sie. Um sich vor Feinden zu schützen, scheiden die meisten Tausendfüßler eine große Bandbreite von Chemikalien aus, die sedierende, abwehrende, reizende oder toxische Wirkungen haben.


Diese Newsmeldung wurde mit Material idw erstellt

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