Insekten lernten das Fliegen erst an Land



Bio-News vom 17.01.2019

Analyse genetischer Daten weist auf Bodenoberfläche als Lebensraum ursprünglicher Fluginsekten hin.

Die Evolution der Flugfähigkeit von Insekten vor ca. 400 Millionen Jahren führte zu einer großen Artenvielfalt. Gemessen an ihrem Alter sind die geflügelten Insekten sogar die artenreichste Tiergruppe überhaupt. Innerhalb dieser Gruppe stellen die sogenannten Polyneoptera eine der wichtigsten Radiationen dar. Zu ihnen gehören heute weit verbreitete Ordnungen wie Schaben, Heuschrecken oder Gottesanbeterinnen. In einer Studie innerhalb des internationalen 1Kite Projekts haben Forschenden um den Biodiversitätsforscher Harald Letsch von der Universität Wien herausgefunden, dass die Insekten ihre Flügel an Land entwickelten – und nicht, wie zuvor angenommen, im Wasser. Die Ergebnisse erscheinen aktuell in PNAS.

Manche Vertreter der Polyneoptera sind an eine Lebensweise an der Bodenoberfläche und der Bodenstreu angepasst. Andere wiederum leben im Laubwerk und imitieren zum Teil sogar Äste und Blätter. Diese unterschiedlichen Lebensweisen bedingen auch ganz unterschiedliche Ernährungsweisen. Ohrwürmer und Schaben sind beispielsweise als Allesfresser bekannt, die Gespenst- sowie einige Heuschrecken sind ausschließlich Pflanzenfresser und Gottesanbeterinnen jagen ihre Beute. Weiterhin haben sie ein breites Spektrum an sozialem Verhalten entwickelt, was von einfacher Brutpflege bis hin zu dem komplexen Kastensystem der Termiten reicht.


Die Heuschrecke zählt man zu den Neoptera (Neuflügler).

Publikation:


Wipfler, Letsch, Frandsen et. al.
Evolutionary history of Polyneoptera and its implications for our understanding of early winged insects
Proceedings of the Academy of Sciences (PNAS)

DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.1817794116



Kenntnisse über die Evolution all dieser Merkmale und Lebensweisen tragen nicht nur zum Verständnis der Entstehungsgeschichte der Polyneoptera bei, sondern prägen auch zentrale Vorstellungen über die ursprüngliche Evolution aller geflügelten Insekten. Dazu gehört unter anderem die Frage über ihre Entstehung entweder in Wasser oder an Land. Da neben den polyneopteren Steinfliegen auch weitere Gruppen der geflügelten Insekten - Libellen und Eintagsfliegen – als Larven Wasser besiedeln, wurde in der Vergangenheit häufig eine frühe Evolution der geflügelten Insekten in einer aquatischen Umwelt vermutet.

„Zentral war ebenfalls die Frage, ob die adulte Lebensweise vieler Arten als Bodenbewohner den ursprünglichen Zustand darstellt oder ob sich diese wieder sekundär aus anderen Lebensweisen entwickelt hat“, erklärt Harald Letsch, Biodiversitätsforscher an der Universität Wien. Da die verwandtschaftlichen Beziehungen der verschiedenen Ordnungen mit bisherigen Methoden nicht hinreichend geklärt werden konnten, war bislang nicht viel über die Evolution dieser Merkmale bekannt.

Mit Hilfe eines umfassenden molekularen Datensatzes von 106 Insektenarten und 3014 Genen haben die Forschenden zeigen können, dass der letzte gemeinsame Vorfahre der Polyneoptera und aller geflügelten Insekten ausschließlich an terrestrische Lebensräume angepasst war. Dies impliziert, dass die Entstehung von Insektenflügeln nicht in Wasser stattfand. „Weiterhin ergaben die Auswertungen, dass der ursprüngliche Lebensraum der Polyneoptera die Bodenoberfläche war, worauf eine gerade Abflachung des Körpers, gut ausgebildete Extremitäten sowie verhärtete Vorderflügel hinweisen“, so Letsch. Die unterschiedlichen Formen sozialen Verhaltens sowie die Anpassung an alternative Lebensräume und die damit zusammenhängenden morphologischen Veränderungen erfolgten schließlich unabhängig in den einzelnen Gruppen.

"Ein Verständnis über die Entstehungsgeschichte der Polyneoptera bringt uns der Lösung der Geheimnisse der Insektenevolution näher. Nur mit einer zuverlässigen phylogenetischen Rekonstruktion können wir untersuchen, wie Insektenarten die Ökosysteme beeinflussen und unsere natürlichen Ressourcen erhalten oder gefährden. Dies wird umso wichtiger und dringender, wenn man die zunehmende Zahl der sogenannten "Schädlingsarten", aber auch den dramatischen Rückgang anderer Insekten durch menschliche Einflüsse bedenkt ", so Letsch.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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