Auch Schimpansen leiden ein Leben lang, wenn sie im Kindesalter die Mutter verlieren



Bio-News vom 18.09.2020

Der Tod eines Elternteils ist für ein Kind traumatisch und Waisenkinder leiden häufig für den Rest ihres Lebens unter diesem Verlust. Ein verzögertes Wachstum und gesundheitliche Probleme können die Folgen sein. Eine neue Studie des Taï-Schimpansenprojekts in der Elfenbeinküste und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig belegt nun, dass bei Schimpansen verwaiste Söhne weniger konkurrenzfähig sind und weniger eigene Nachkommen haben als solche, die weiterhin mit ihren Müttern leben. Es bleibt die Frage: Was bieten Schimpansenmütter ihren Kindern, das sie gesünder und konkurrenzfähiger macht?

Forschende beobachteten im Taї Nationalpark drei Schimpansengemeinschaften und sammelten über dreißig Jahre hinweg umfangreiche demografische Daten sowie Kotproben, um bei allen neuen Mitgliedern der Gemeinschaft Vaterschaftstests durchführen zu können. „Wenn wir unsere nächsten lebenden Verwandten, wie Schimpansen, erforschen, dann lernen wir dabei auch etwas darüber, welche Umweltfaktoren uns zu Menschen gemacht haben“, sagt Erstautorin Catherine Crockford.

„Unsere aktuelle Studie belegt, dass auch bei Schimpansen die Anwesenheit und Fürsorge der Mutter während der besonders langen Kindheit einen wichtigen Einfluss auf die Fitness ihrer Kinder hat. Es scheint, dass bereits unser letzter gemeinsamer Vorfahre mit dem Schimpansen diese wichtigen mütterlichen Eigenschaften besessen hat, welche sich dann ganz erheblich auf die Evolution von Menschen UND Schimpansen ausgewirkt haben könnten.“


Die Anwesenheit und Fürsorge der Mutter während der besonders langen Kindheit ermöglicht es jungen Schimpansen, Fähigkeiten zu erlernen, die sie im Erwachsenenalter zum Überleben brauchen.

Publikation:


Catherine Crockford, Liran Samuni, Linda Vigilant, Roman M. Wittig
Postweaning maternal care increases male chimpanzee reproductive success
Science Advances, 18 September 2020

DOI: 10.1126/sciadv.aaz5746



Wichtige Theorien zur menschlichen Evolution machen die elterliche Versorgung des Nachwuchses mit Nahrung bis ins Erwachsenenalter hinein dafür verantwortlich, dass der Mensch relativ zur Körpergröße das größte Gehirn aller lebenden Arten hat. Gehirne benötigen viel Energie und wachsen nur langsam, was zu einer langen Kindheit führt. Die kontinuierliche elterliche Fürsorge während dieser langen Kindheit ermöglicht es dem Nachwuchs, Fähigkeiten zu erlernen, die sie im Erwachsenenalter zum Überleben brauchen. Eine derart lange Kindheit kommt im Tierreich nur selten vor – nur andere Menschenaffen, wie zum Bespiel Schimpansen, teilen diese Eigenschaft mit dem Menschen.

Obwohl auch Schimpansen eine lange Kindheit haben, versorgen Mütter ihre Kinder nach der Entwöhnung im Alter von vier bis fünf Jahren nur selten direkt mit Nahrung. Meistens geht der Nachwuchs dann bereits selbst auf Nahrungssuche. Was also bieten Schimpansenmütter ihren Söhnen, das ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber verwaisten männlichen Jungtieren verschafft? Die Antwort auf diese Frage steht noch aus, aber anhand der gesammelten Daten ergeben sich einige Erklärungsansätze.

„Mütter wissen, wo sie die beste Nahrung finden und wie sie Werkzeuge einsetzen können, um an schwer zugängliche Nahrung wie Insekten, Honig und Nüsse heranzukommen, die besonders nahrhaft ist“, sagt Crockford. „Schimpansenkinder und –jugendliche erlernen diese Fähigkeiten erst allmählich. Ein Grund, warum Schimpansen bis ins Teenageralter hinein weiterhin jeden Tag in Gesellschaft ihrer Mütter reisen und speisen könnte möglicherweise sein, dass es ihnen beim Lernen hilft, wenn sie ihre Mutter in Alltagssituationen beobachten. Der Erwerb von Fähigkeiten, die den Jungtieren Zugang zu besonders nahrhafter Nahrung ermöglichen, könnte ein Grund dafür sein, dass sich Menschenaffen ein im Verhältnis zu ihrer Körpergröße viel größeres Gehirn leisten können als andere Primaten.“

„Eine andere Erklärung ist, dass Mütter soziale Fähigkeiten weitergeben“, fügt Roman Wittig, Letztautor der Studie und Direktor des Taї-Schimpansenprojekts, hinzu. „Ähnlich wie Menschen, leben auch Schimpansen in einem komplexen sozialen Umfeld mit Allianzen und Wettbewerb. Möglicherweise lernen Jungtiere durch das Beobachten ihrer Mütter, in welchen Situationen sie Allianzen bilden und in welchen sie kämpfen müssen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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