Strahlenflosser


Strahlenflosser

Knochenhechte (Lepisosteus sp.) im Düsseldorfer Aquazoo – Löbbecke Museum

Systematik
Überstamm: Neumünder (Deuterostomia)
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Knochenfische (Osteichthyes)
Klasse: Strahlenflosser
Wissenschaftlicher Name
Actinopterygii
Cope, 1871

Die Strahlenflosser (Actinopterygii) sind eine Klasse der Knochenfische (Osteichthyes).

Bis auf die Fleischflosser (Sarcopterygii) und Knorpelfische (Chondrichthyes) gehören alle rezenten (heute lebenden) Fische zu diesem Taxon, das sind insgesamt annähernd die Hälfte aller Wirbeltierarten.[1]

Die Strahlenflosser sind heute weltweit verbreitet und besiedeln alle aquatischen Habitate von der Tiefsee (rund 11.000 Meter) bis ins Hochgebirge (bis etwa 4.500 Meter) und von Thermalquellen (+ 43 °C) bis zu den Polarmeeren (− 1,8 °C). Sie sind in morphologischer, ökologischer und verhaltensbiologischer Hinsicht sehr variabel.[1]

Morphologische Merkmale

Die Zähne tragen eine Kappe aus Schmelz, ein sehr hartes Material aus dem Mineral Hydroxylapatit. Die zweite Rückenflosse fehlt, die vorhandene Rückenflosse ist die homologe Entsprechung zur hinteren Rückenflosse der Knorpelfische. Die charakteristischen Schuppen sind durch ein Hakensystem gelenkig miteinander verbunden. Sie sind bei urtümlichen Formen (Knorpelganoide, Knochenhechtartige, Kahlhechtartige) mit einer Schicht aus hartem Ganoin überzogen (Ganoidschuppe).[1] Der häufigste Schuppentyp ist jedoch die Elasmoidschuppe der Echten Knochenfische (Teleostei), dem bei weitem artenreichsten Untertaxon der Strahlenflosser. Bei ihr ist das Ganoin bis auf mikroskopische Spuren reduziert.

Erstes Auftreten im Fossilbericht

Die Lophosteiformes und Naxilepis, bruchstückhafte Funde aus dem späten Silur (etwa 420 mya) von Europa und Sibirien bzw. China, galten einst als die ältesten fossilen Überreste von Strahlenflossern. Mittlerweile stuft man diese Vertreter jedoch als basale Knochenfische ein[2][3]. Die ältesten Skelettfunde, die man sicher Strahlenflossern zuordnen kann, stammen aus dem Mitteldevon (etwa 380 mya) von Europa und Kanada (Cheirolepis). Weitere europäische Skelettfunde aus dieser Zeit sind Stegotrachelus, Moythomasia und Orvikuina.[4]

Namensgebung

Der wissenschaftliche Name bezieht sich auf die Anatomie des charakteristischen Flossentyps, des Actinopterygiums („Strahlen“ + „Flosse“). Eine derartige Flosse besteht im Gegensatz zum Sarcopterygium der Fleischflosser (Sarcopterygii), der Schwestergruppe der Actinopterygier, im Wesentlichen nur aus Haut und Strahlen (Radii), die auf den Radialia (knöchernen stabförmigen Flossenträgern) sitzen – ohne fleischigen Stiel oder Skelettachse.[5] Ein älterer Name der Fischgruppe lautet „Rhipidopterygii“, weil die Strahlenflossen oft fächerförmig sind. Auch der deutsche Name (Trivialname) verweist auf die charakteristischen Flossenstrahlen.[1]

Systematik

Zu den Strahlenflossern gehören über 30.000 Arten, von denen 15.150 Süßwasserfische sind, 14.740 im Meer vorkommen und 720 Arten in beiden Biotopen und im Brackwasser leben können [6].

Klassische Systematik der Strahlenflosser:


Moderne (kladistische) Systematik der Strahlenflosser:

1)Alternativ zur Gruppierung der Kahlhechtartigen zusammen mit den Teleosteern als Halecostomi existiert die Ansicht, dass Kahlhechtartige und Knochenhechtartige ein gemeinsames Taxon, die Holostei, bilden welches dann Schwestergruppe der Teleosteer ist und zusammen mit letzteren die Neopterygier bildet.[7]

Siehe auch: Systematik der Knochenfische

Literatur

  • Kurt Fiedler: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische, Gustav Fischer Verlag Jena, 1991, ISBN 3-334-00339-6
  • Joseph S. Nelson: Fishes of the World, John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7
  • Wilfried Westheide & Reinhard Rieger: Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel und Schädeltiere, 1. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg • Berlin, 2004, ISBN 3-8274-0307-3

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Guillaume Lecointre, Hervé Le Guyader: Biosystematik. Springer, Berlin Heidelberg, 2006. Seite 437
  2. Hector Botella, Henning Blom, Markus Dorka, Per Erik Ahlberg, Philippe Janvier: Jaws and teeth of the earliest bony fishes. In: Nature. Band 448, 2007, S. 583–586, doi:10.1038/nature05989.
  3. Zhu Min, Zhao Wenjin, Jia Liantao, Lu Jing, Qiao Tuo, Qu Qingming: The oldest articulated osteichthyan reveals mosaic gnathostome characters. In: Nature. Band 458, 2009, S. 469–474, doi:10.1038/nature07855.
  4. Guillaume Lecointre, Hervé Le Guyader: Biosystematik. Springer, Berlin Heidelberg, 2006. Seite 438
  5. Milton Hildebrand, George E. Goslow: Vergleichende und funktionelle Anatomie der Wirbeltiere. Springer, Heidelberg Berlin, 2004. Seiten 183, 673
  6. Greta Carrete Vega & John J. Wiens: Why there are so few fish in the sea. doi:10.1098/rspb.2012.0075
  7. Thomas J. Near, Ron I. Eytan, Alex Dornburg, Kristen L. Kuhn, Jon A. Moore, Matthew P. Davis, Peter C. Wainwright, Matt Friedman, W. Leo Smith: Resolution of ray-finned fish phylogeny and timing of diversification. In: PNAS. Band 109, Nr. 34, 2012, S. 13698–13703, doi:10.1073/pnas.1206625109.

Weblinks

Commons: Strahlenflosser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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