Gelber Frauenschuh



Gelber Frauenschuh

Gelber Frauenschuh (Cypripedium calceolus)

Systematik
Familie: Orchideen (Orchidaceae)
Unterfamilie: Cypripedioideae
Tribus: Cypripedieae
Untertribus: Cypripediinae
Gattung: Frauenschuh (Cypripedium)
Art: Gelber Frauenschuh
Wissenschaftlicher Name
Cypripedium calceolus
L.

Der Gelbe Frauenschuh oder Gelb-Frauenschuh (Cypripedium calceolus), auch Marienfrauenschuh (die Blüte des Gelben Frauenschuhs wird in Legenden im Zusammenhang mit der Jungfrau Maria erwähnt), Europäischer Frauenschuh oder noch häufiger einfach nur Frauenschuh genannt. Die Form der Blüte führte auch zu dem Namen „Krimhilds Helm“. Der Gelbe Frauenschuh ist eine der prächtigsten wildwachsenden Orchideenarten Europas und steht in allen Ländern unter strengstem Schutz (nach FFH-Richtlinie Anhang II). Er gehört zur Gattung der Frauenschuhe (Cypripedium) in der Familie der Orchideen (Orchidaceae).

Um auf die besondere Gefährdung und Schutzwürdigkeit dieser Art aufmerksam zu machen, wurde der Gelbe Frauenschuh vom Arbeitskreis Heimische Orchideen 1996 und 2010 zur Orchidee des Jahres gewählt.

Beschreibung

Illustration von Jacob Sturm (1796)
Einzelblüte
Zweiblütiger Trieb

Der Gelbe Frauenschuh ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 15 bis 60 Zentimetern erreicht. Am etwas gebogenen und behaarten Stängel befinden sich drei bis fünf breit-elliptische, stängelumfassende Laubblätter, die nach außen spitz zulaufen. Diese weisen eine Länge zwischen 5 und 13 cm auf. Die hellgrünen Laubblätter zeigen an der Blattunterseite eine feine flaumige Behaarung. Auch die kräftige Nervatur ist deutlich erkennbar.

In der Regel sind die einzelnen Triebe einblütig, oft tragen sie bei gutem Wachstum der Pflanze auch zwei Blüten, selten drei oder vier. Bemerkenswert ist die lange Entwicklungszeit bis zur ausgewachsenen Pflanze. Zuerst wird über den Wurzelpilz (Mykorrhiza) Nahrung aufgenommen. Das erste grüne Blatt wird erst im vierten Jahr angelegt.

Die zwittrigen, zygomorphen Blüten sind dreizählig. Die vier äußeren purpur- bis schokoladenbraunen Perigonblätter sind etwa 5 cm lang. Sie zeigen eine spitz-lanzettliche Form und umgeben breit abstehend den gelben "Schuh". Die schmalen Petalen sind häufig etwas gedreht. Die sehr große, kräftig gelbe Lippe wird von einem inneren Perigonblatt gebildet und zu einem bauchigen Schuh umgeformt. Er erreicht eine Länge bis ca. 4 cm. Die Blüten des Frauenschuhs zählen zu den größten unserer Flora und stellen die größten Einzelblüten unter den europäischen Orchideen dar. Es sind zwei Staubblätter fruchtbar.

Der Frauenschuh wird von Insekten bestäubt. Aufgrund seiner kesselfallenähnlichen Bestäubungsvorrichtung ist Selbstbestäubung praktisch ausgeschlossen. Die Samen der Kapselfrüchte werden durch den Wind verbreitet.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Orchideenarten besitzt der Frauenschuh keine Knollen. Er bildet Rhizome als Speicherorgane aus, über welche auch die vegetative Ausbreitung erfolgen kann.[1] Bei günstigen Standortbedingungen kann der Frauenschuh über sein Rhizom größere Horste bilden. Am Ende der Vegetationsperiode stirbt die oberirdische Pflanze als Ramet ab. Die Knospen für die nächstjährigen Sprosse werden gegen Ende der Blütezeit entwickelt. Die Knospen überwintern knapp unter der Erdoberfläche.[2]

Bestäubung

Es handelt sich bei dieser Art um eine sogenannte Kesselfallenblume. Angelockt werden potenzielle Bestäuber von der Farbgebung des Perianths als auch vom aprikosenähnlichen Duft der Pflanze.[2] Insekten, besonders Sandbienen der Gattung Andrena und weitere kleine und kräftige Insektenarten, dringen durch das Loch an der Labellumbasis in den Kessel ein oder fallen in den Kessel, dessen glatte und glänzende Wände (mit Ölüberzug) einen Ausstieg verhindern. Der einzige Weg aus der Falle geht über den Geschlechtsapparat (Gynostemium) hinweg und führt über zwei saftige Haartreppen nach draußen. Die Haartreppen sind durch lichtdurchlässige Stellen in der hinteren Pantoffelwand markiert. Früher wurden die Haartreppen als Futterhaare interpretiert, was mittlerweile revidiert wurde.[2] Auf diese Weise wird zuerst die Narbe und dann zumindest eine der beiden klebrigen Pollenmassen berührt. Zuweilen lauern Raubspinnen, wie zum Beispiel Krabbenspinnen, in den Kesseln und machen diese dann zur tödlichen Falle. In Mitteleuropa beginnt die Blütezeit des Frauenschuhs Mitte Mai und dauert bis Ende Juni an.

Der gelbe Frauenschuh ist zur Selbstbestäubung nicht in der Lage. Für einen erfolgreichen Fruchtansatz sind daher Vorkommen seines Hauptbestäubers wesentliche Voraussetzung. Die bestäubenden Sandbienen sind auf schütter bewachsene Sand-, bzw. Sand-Lehmböden angewiesen. Zudem darf die Entfernung zwischen zwei Frauenschuhstandorten 500 Meter nicht überschreiten.[2]

Vorkommen

Gelber Frauenschuh im Habitat, einem Steppenheidehang in der Rhön (Thüringen)

Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Nord-, über Mittel- bis Ost-Europa, über Asien bis Japan, wobei der Gelbe Frauenschuh die einzige natürlich in Deutschland vorkommende Frauenschuhart ist. Bevorzugt wächst er vereinzelt in schattigen Laubwäldern (wie etwa Buchenwälder) oder an buschigen Berghängen bis zu Höhenlagen von 2000 m ü. NN.

Bekannte Vorkommen werden Jahr für Jahr zur Blütezeit von größeren Menschenmengen besucht. In der Schweiz ist es zum Beispiel das Gasterntal im Berner Oberland und das Bergsturzgebiet in Goldau (Gemeinde Arth). In Österreich ist es das Lechtal, das die größten Vorkommen hat.

Gefährdung und Schutz

Datei:DBP 1963 393 Flora Frauenschuh.jpg
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1963)

Der Frauenschuh gilt nach der Roten Liste als gefährdet und ist nach der Bundesartenschutzverordnung streng geschützt. Er fällt als prioritäre Art unter die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie Anhang 2 und steht damit unter besonderem Schutz der Europäischen Union. Hieraus ergibt sich für Deutschland für den Erhalt der Art eine besondere Verantwortung und eine Berichtspflicht gegenüber der EU. Der Schutz der Vorkommen wird dadurch auch zu einer behördlichen Obliegenheit.[2] Als ursächlich für die Gefährdung wird vor allem die weitreichende Forstwirtschaft gesehen, die eine natürliche Waldentwicklung und -dynamik kaum zulässt. Auch Phototourismus trägt zu einem Rückgang der Art bei, da der Boden sich durch häufiges Betreten verdichtet und dadurch neuen Exemplaren eine Ansiedlung erschwert wird. [2] Auch Pflanzenliebhaber, die den Frauenschuh ausgraben um ihn in ihrem eigenen Garten einzupflanzen tragen wesentlich zum Rückgang der verbliebenen Vorkommen bei. Nicht einmal Botaniker wissen genau, welche Standortfaktoren zu einem geeigneten Frauenschuh-Biotop gehören. Die Umstellung auf das Kleinklima eines Gartens verkraften die Pflanzen gewöhnlich nicht und sterben frühzeitig ab. An zu schattigen Standorten bildet der Frauenschuh meist nur Blätter aus und verschwindet nach einiger Zeit ganz.

Gefährdete Pflanzenart auf lettischer Briefmarke

Pflegemaßnahmen zum Schutz der Bestände können Eingriffe in die Strauchschicht umfassen oder auch die Beseitigung von anfallenden Astmaterial. Um Abpflücken oder Ausgraben zu verhindern, wurden manche Areale mit einem Schutzgitter umgeben.[2]

Das einzige noch verbliebene Vorkommen Großbritanniens nahe der Stadt York wird während der Blütezeit Tag und Nacht von Naturschützern bewacht.

Etymologie

Der Gattungsname Cypredium des wissenschaftlichen Namens ist griechischen Ursprungs und bezieht sich auf das Wort Kypris. Kypris ist der Beiname der Aphrodite, Göttin der Schönheit und Liebe. Das lateinische Artepitheton calceolus bedeutet kleiner Schuh und verweist ebenso wie der deutsche Trivialname auf die schuhförmige Form des Labellum. In zahlreichen Volksnamen spiegelt sich die auffällig blühende Pflanze wider. Die Namen knüpfen zum einen an der Blütezeit im Mai an, wie beispielsweise Kuckucksblume, Marienschelle oder Pfingstblume, zum anderen beziehen sie sich auf die Blütenform. Beispiele hierfür sind die Bezeichnungen Ochsenbeutel, Pantoffelblume oder Jungfernschön.[2]

Unterarten, Varietäten, Hybriden

Cypripedium ×ventricosum

Die nordamerikanischen Arten Kleinblütiger Frauenschuh (Cypripedium parviflorum) und Behaarter Frauenschuh (Cypripedium pubescens) wurden in der Vergangenheit oft als Unterarten oder Varietäten des Gelben Frauenschuh (Cypripedium calceolus) angesehen. Charles Sheviak revidierte dies 1994 und seither werden diese als Cypripedium parviflorum var. parviflorum und Cypripedium parviflorum var. pubescens bezeichnet.

Die Variabilität beschränkt sich in der Regel auf die Blütenfärbung.

  • Cypripedium calceolus var. calceolus
  • Cypripedium calceolus var. citrinum mit zitronengelben Blüten.
  • Cypripedium calceolus var. fulvum mit gelblich rostroten Blüten.
  • Cypripedium calceolus var. flavum mit vollständig kräftig gelben Blüten.
  • Cypripedium calceolus var. viridiflora mit grünen Blüten.

Außer mehreren künstlich erzeugten Hybriden gibt es folgende Naturhybride:

  • Cypripedium ×ventricosum Swartz 1800 (Cypripedium calceolus × Cypripedium macranthos)

Bildergalerie

Einzelnachweise

  1. Bundesamt für Naturschutz: Biolflor- Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Adolf Riechelmann: Die Orchideen der Fränkischen Schweiz. Palm & Enke, Erlangen 2011, ISBN 978-3-7896-1701-0, S. 50 ff.

Weblinks

Commons: Gelber Frauenschuh (Cypripedium calceolus) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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