Australopithecus africanus



Australopithecus africanus

Original des Schädels eines A. africanus („Mrs. Ples“) im Transvaal Museum in Pretoria

Zeitliches Auftreten
Pliozän
3,0 bis 2,1 Mio. Jahre
Fundorte
  • Südafrika
Systematik
Teilordnung: Altweltaffen (Catarrhini)
Überfamilie: Menschenartige (Hominoidea)
Familie: Menschenaffen (Hominidae)
Tribus: Hominini
Gattung: Australopithecus
Australopithecus africanus
Wissenschaftlicher Name
Australopithecus africanus
Dart, 1925

Australopithecus africanus ist eine Art der ausgestorbenen Gattung Australopithecus. Fossilien, die Australopithecus africanus zugeordnet wurden, stammen zumeist aus rund 3,0 bis 2,5 Millionen Jahre alten Fundschichten in Südafrika; einige Funde sind jedoch möglicherweise etwas älter, andere etwas jünger.[1]

Von welchen Vorläufer-Arten Australopithecus africanus abstammt und in welcher Nähe er zu den unmittelbaren Vorfahren des Menschen steht, ist ungeklärt. Die Art wird häufig – als Gegenpol zu den sogenannten „robusten Australopithecinen“ – auch als graziler Australopithecus bezeichnet.

Australopithecus africanus ist die Typusart der Gattung Australopithecus. Die Bezeichnung ist abgeleitet von lateinisch australis ‚südlich‘ und griechisch πίθηκος (altgr. ausgesprochen) píthēkos ‚Affe‘, das Epitheton africanus verweist auf den Fundort in Afrika; Australopithecus africanus bedeutet somit „südlicher Affe aus Afrika“.

Körperbau

Das Hinterhauptsloch des ausschließlich in Südafrika entdeckten Australopithecus africanus, durch das hindurch sich der hinterste Gehirnteil zum Beginn des Rückenmarks erstreckt, ist unterhalb des Schädels angeordnet, nahe am Schwerpunkt. Hieraus kann geschlossen werden, dass Australopithecus africanus aufrecht gehen konnte.[2] Allerdings besaß Australopithecus africanus noch relativ lange Arme, so dass sein Gang mit dem der modernen Paviane vergleichbar gewesen sein könnte, wenngleich er häufiger aufrecht gegangen sein dürfte als diese.[3] Aus den relativ reichlich vorhandenen Knochenfunden konnte daher abgeleitet werden, dass die Individuen dieser Art sich vermutlich noch öfter auf Bäumen aufhielten als andere Arten der Gattung Australopithecus. Australopithecus africanus hatte zudem relativ große Backenzähne, sein Schädel wirkte daher relativ affen-ähnlich.[1] Die Eckzähne sind jedoch wesentlich kleiner als bei fossilen und rezenten Affen.

Das Gehirnvolumen wird in der Fachliteratur mit 400 bis 500 Kubikzentimetern angegeben, was ungefähr dem des Schimpansen entspricht. Die Körpergröße erwachsener Individuen wird auf zirka 1,10 bis 1,40 Meter und ihr Körpergewicht auf 30 bis 60 Kilogramm geschätzt, wobei Männchen deutlich größer waren als Weibchen. Begleitfunde deuten darauf hin, dass Australopithecus africanus – wie andere Australopithecinen – „bewaldete Habitate“ im Übergang zu Savannen bevorzugte und „eine enge Verbindung zu den breiten Uferzonen der Flüsse und Seen“ aufrechterhielt.[4]

Ernährung und Lebensweise

Der Zahn STS 1881 aus Sterkfontein, Südafrika

Die im Vergleich zum Menschen relativ großen Backenzähne werden als Anpassung an eine relativ harte Pflanzennahrung – darunter zumindest zeitweise hartschalige Samen – gedeutet. So ergab eine Computeranalyse der Fossilien Sts 5 und Sts 52 a (eines gut erhaltenen Oberkiefers), dass das Gebiss und der Bau der Gesichtsknochen geeignet waren, ähnlich wie bei den heute lebenden Javaneraffen hohem Druck standzuhalten.[5]

Für Australopithecus africanus wurde ferner anhand der Beschaffenheit der Zähne nachgewiesen, dass er sich zu mehr als 50 Prozent seiner täglichen Kalorienzufuhr von C3-Pflanzenund zu einem weiteren erheblichen Anteil von C4-Pflanzen ernährte.[6] Diese überwiegend aus Blättern, Früchten und Samen bestehende Nahrung wurde – möglicherweise abhängig von der Jahreszeit – ergänzt durch Fleisch;[7] diese Kombination von pflanzlicher und tierischer Nahrung unterschied Australopithecus africanus vermutlich sowohl von Paranthropus robustus, der wesentlich stärker auf harte Pflanzenkost spezialisiert war, als auch von den frühen Vertretern der Gattung Homo, die einen höheren Anteil an Fleisch verzehrten.

Steinwerkzeuge wurden in den Fossilien von Australopithecus africanus führenden Schichten nicht entdeckt.[8]

Die männlichen Individuen von Australopithecus africanus waren einer 2011 publizierten Studie zufolge von Geburt an weitgehend ortstreu, während die weiblichen aus anderen Populationen zuwanderten, was als Hinweis auf Exogamie interpretiert wurde; weibliche Exogamie und männliche Ortstreue gibt es auch bei den Schimpansen, während bei den Gorillas männliche und weibliche Individuen nach der Geschlechtsreife gleichermaßen in andere Populationen abwandern.[9]

Fundgeschichte

Holotypus

Typusexemplar von Australopithecus africanus und damit zugleich für die Gattung Australopithecus ist das 1924 entdeckte Kind von Taung. Es war zugleich das erste Fundstück der 1925 von Raymond Dart eingeführten Gattung. Erhalten geblieben sind der Gesichtsschädel mit Unterkiefer und Milchzähnen, die Stirnregion sowie ein natürlicher Schädelausguss. Dieses Fossil wurde im Herbst 1924 von einem Steinbrucharbeiter nahe der Kleinstadt Taung im damaligen British Bechuanaland (heute Südafrika) entdeckt und Raymond Dart übergeben, der es 1925 mit dem von ihm neu gebildeten Gattungs- und Artnamen benannte.

Weitere Funde

Nachdem die Zuordnung der Gattung Australopithecus zu den Vormenschen jahrzehntelang umstritten war, konnte unter anderem der Fund des Schädels von Mrs. Ples (der möglicherweise ein „Mr. Ples“ war[10]) diese Zuordnung bestätigen. Der bei Sterkfontein entdeckte Schädel wird heute auf ein Alter von zirka 2,1 Millionen Jahre datiert, er ist damit der jüngste Fund für Australopithecus africanus.[11]

Das bisher vollständigste Skelett, das in seiner Erstbeschreibung noch zurückhaltend „Australopithecus africanus oder einer anderen frühen Hominiden-Art“ zugeordnet wurde, kam ab 1995 ebenfalls in einer der Sterkfontein-Höhlen zu Tage. Es erhielt die Inventarnummer StW 573 und den Spitznamen Little Foot, weil anfangs (1994) nur vier Knochen vom linken Fuß entdeckt worden waren.[12] 1997 wurden von Ronald J. Clarke in der Höhle weitere Knochen und 1998 schließlich ein gut erhaltener Schädel entdeckt. Die Knochen sind aufgrund ihrer betonartig festen Einbettung in Brekzie bislang noch nicht vollständig freigelegt worden. Zur Datierung wurden sehr widersprüchliche Angaben publiziert, die zwischen 2,17 und 3,5 Millionen Jahren variieren.

„Plesianthropus transvaalensis“
(heute Australopithecus africanus)

Einige ab 1936 in Sterkfontein entdeckte Fossilfunde, die heute Australopithecus africanus zugerechnet werden, wurden zunächst als Plesianthropus transvaalensis („Fastmensch aus Transvaal“) bezeichnet. Diesen Gattungsnamen wählte Robert Broom, nachdem er 1936 das erste frühe Hominini-Fossil in Sterkfontain gefunden hatte, weil er annahm dass es den Vorfahren des Menschen nahestehe. Den 1947 publizierte Fund von Mrs. Ples ordnete Broom ebenfalls Plesianthropus transvaalensis zu. Ernst Mayr bezeichnete solchermaßen alte Funde 1950 hingegen als Homo transvaalensis.[13] Einige Funde, die heute Australopithecus africanus zugeordnet werden, hatte Raymond Dart anfangs als Australopithecus prometheus ausgewiesen, benannt nach dem griechischen Gott Prometheus („der Vorausdenkende“), der den Menschen das Feuer brachte; Dart hatte irrtümlich aus angekohlten Knochen in Makapansgat geschlossen, dass die frühen Vormenschen bereits das Feuer beherrschten.

Neben Sterkfontein ist Makapansgat der wichtigste Fundort von Fossilien des Australopithecus africanus, einige Zähne stammen aus der Gladysvale-Höhle; aus Taung ist nur der Kinderschädel bekannt.

Hypothese zur Evolution der Australopithecinen, wie sie aufgrund der gegenwärtigen Fundlage beispielsweise von Friedemann Schrenk vertreten wird.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Australopithecus africanus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Bernard Wood, Nicholas Lonergan: The hominin fossil record: taxa, grades and clades. In: Journal of Anatomy. Band 212, Nr. 4, 2008, S. 358 f., doi:10.1111/j.1469-7580.2008.00871.x, Volltext (PDF)
  2. Raymond A. Dart: Australopithecus africanus: The man-ape of South Africa. In: Nature. Band 115, 1925, S. 195–199 (Volltext (PDF))
  3. Steve Jones et al.: The Cambridge Encyclopedia of Human Evolution. Cambridge University Press, Cambridge 1992, S. 237
  4. Friedemann Schrenk, Timothy G. Bromage: Adams Eltern. Expeditionen in die Welt der Frühmenschen. C. H. Beck, München 2002, S. 196
  5. David S. Strait et al.: The feeding biomechanics and dietary ecology of Australopithecus africanus. In: PNAS. Band 106, Nr. 7, 2009, S. 2124–2129, doi:10.1073/pnas.0808730106
    idw-online vom 2. Februar 2009: Können Sie eine Nuss aufbeißen?
  6. Peter S. Ungar, Matt Sponheimer: The Diets of Early Hominins. In: Science. Band 334, Nr. 6053, 2011, S. 190–193, doi:10.1126/science.1207701
  7. Vincent Balter et al.: Evidence for dietary change but not landscape use in South African early hominins. In: Nature. Band 489, 2012, S. 558–560, doi:10.1038/nature11349
    eurekalert.org vom 8. August 2012: Early human ancestors had more variable diet. Scientists reconstruct dietary preferences of 3 groups of hominins in South Africa.
  8. G. J. Sawyer, Viktor Deak: Der lange Weg zum Menschen. Lebensbilder aus 7 Millionen Jahren Evolution. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008, S. 64
  9. Sandi R. Copeland et al.: Strontium isotope evidence for landscape use by early hominins. In: Nature. Band 474, Nr. 7349, 2011, S. 76–78, doi:10.1038/nature10149
    mpg.de vom 1. Juni 2011: Zähne verraten viel über den Lebensradius früher Vorfahren.
  10. stern.de vom 22. Juli 2002: Urmensch bekommt Unterleib.
  11. Andy I. R. Herries, John Shaw: Palaeomagnetic analysis of the Sterkfontein palaeocave deposits: Implications for the age of the hominin fossils and stone tool industries. In: Journal of Human Evolution. Band 60, Nr. 5, 2011, S. 523–539, doi:10.1016/j.jhevol.2010.09.001
  12. Ronald J. Clarke, Phillip Tobias: Sterkfontein member 2 foot bones of the oldest South African hominid. In: Science. Band 269, 1995, S. 521–524, doi:10.1126/science.7624772
  13. Ernst Mayr: Taxonomic categories in fossil hominids. In: Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology 1950. Band 15, 1950, S. 109–118, doi:10.1101/SQB.1950.015.01.013

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