Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) haben die größte geografische Verbreitung aller Neuweltaffen (Platyrrhini). Sie leben in der gesamten nördlichen Hälfte Südamerikas, von Kolumbien bis Bolivien.


Aussehen

Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) weisen nur wenig sexuellen Dimorphismus auf. Weibchen erreichen eine Körperlänge von 46 - 57 cm, die größeren Männchen erreichen 49 - 72 cm. Der lange Greifschwanz erreicht eine Länge von etwa 49 - 75 cm. Das Fell beider Geschlechter ist tief rotbraun, wobei die Schattierungen mit dem Alter variieren. Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) haben einen langen Hals mit einem großen Zungenbein (Os hyoideum), ihr gewaltiger Unterkiefer verleiht ihnen eine abweisende Miene [5][6].


Ernährung

Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) sind in erster Linie Blätterfresser. Blätter sind im Vergleich zu anderen Nahrungsmitteln nährstoff- und zuckerarm, daher haben Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) zwei große Abschnitte in ihrem Darm, wo ihnen Bakterien helfen, die Cellulose der Blätter zu verdauen. Diese spezielle Anatomie hat zur Folge, dass der Darm gut ein Drittel des gesamten Körpervolumens einnimmt.

Weiterhin haben Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) extrem robuste Unterkiefer, eine Vorraussetzung für das Kauen der zähen Blätterkost. Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) ernähren sich zudem von jungen zarten Blättern, die bei einigen Pflanzenarten außergewöhnlich nahrhaft sind. Außerdem fressen sie zuckerhaltige Früchte und Blüten, wenn diese verfügbar sind. Sie können sich aber über Wochen ausschließlich von Blättern ernähren, vorrausgesetzt diese sind von hoher Qualität. Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) verbringen fast ihr gesamtes Leben in den oberen Schichten des Waldes, wo solche qualitativ hochwertigen Blätter am häufigsten wachsen [3][5].


Fortpflanzung

Wegen einem unausgewogenen Geschlechterverhältnis innerhalb einer Gruppe gibt es heftigen sexuellen Wettbewerb unter den Männchen. Männliche Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) müssen bei Erreichen der Geschlechtsreife ihre Geburtsgruppe verlassen und sind gezwungen, eine andere Gruppe zu übernehmen. Sobald ihnen das gelungen ist, kommt es häufig zum Infantizid (Kindstötung). Durch das Töten der Säuglinge in einer neu übernommenen Gruppe stellen die neuen Herrscher sicher, dass alle Nachkommen der Gruppe ihre eigenen sind. Mütter versuchen zwar, ihre Jungen vor den aggressiven Männchen zu schützen. Leider ist dies nicht sonderlich erfolgreich, denn weniger als 25% der Säuglinge überleben eine Gruppenübernahme durch andere Männchen.

Neugeborene Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) sind anfangs völlig hilflos und werden von der Mutter am Bauch herumgetragen. Junge Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) beginnen schon vor dem Erreichen des ersten Lebensmonats, ihren Greifschwanz zu gebrauchen. Mit ihm halten sie sich an ihren Müttern fest, da in dieser Phase ihres Lebens die Mutter ihnen nur wenig oder gar keine Aufmerksamkeit schenkt und die Kleinen keinerlei Hilfe bekommen.

Das Paarungsverhalten der Roten Brüllaffen (Alouatta seniculus) ist ein weiterer interessanter Aspekt ihrer sozialen Interaktionen. Männchen und Weibchen bilden oft enge Partnerschaften, noch bevor jedwege sexuelle Interaktion stattgefunden hat. Erst wenn sich diese Verbände etabliert haben, fangen Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) an, sexuelle Signale auszusenden. Obwohl beide Geschlechter über solche Botschaften verfügen, sind es die Weibchen, die die Initiative ergreifen. Um das Männchen anzuziehen, nähert sich das Weibchen ihm mit rhytmischen Zungenbewegungen. Wenn das Männchen nicht auf dieses Signal reagiert, versucht sie es ganz einfach bei einem anderen.

Geoffroy-Klammeraffe (Ateles geoffroyi) im Belize Zoo
Roter Brüllaffe im Zoo Frankfurt

Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) scheinen sich das ganze Jahr über fortzupflanzen, jedoch wurde in zwei Regionen in Venezuela beobachtet, dass die Geburtenrate während der frühen Regenzeit von Mai bis Juli niedriger ausfällt. Der Sexualzyklus der Weibchen dauert etwa 16 - 20 Tage, wobei sie nur für 2 - 4 Tage empfängnis bereit sind. Weibliche Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) gebären zum ersten Mal im Alter von 5 Jahren, während Männchen in der Regel nicht vor dem siebten Lebensjahr Vater werden. Weibchen erreichen die Geschlechtsreife ein paar Jahre vor den Männchen [5][6][7]. Schon während des Geburtsvorganges zieht ein Neugeborenes die Aufmerksamkeit anderer Weibchen auf sich. Normalerweise handelt es sich dabei um junge, kinderlose Weibchen, die von den Säuglingen angezogen werden. Die fremden Weibchen gehen sehr sanft mit den Kleinen um, indem sie sie mit ihren Schnauzen und Händen berühren. Als Folge klettern die Kleinen manchmal auf den Rücken der Weibchen, die nicht ihre Mütter sind. Auch Männchen dulden es, wenn die Säuglinge ihrer Gruppe auf ihren Rücken steigen, jedoch erst lange nachdem sie alle Jungaffen getötet haben, die nicht von ihnen stammen [2][3][4].


Gruppenleben

Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) leben in relativ großen sozialen Gruppen, bestehend aus etwa 10 Affen mit nur einem oder zwei Männchen. Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) zeigen viele interessante Verhaltensweisen. So sind sie berühmt für ihren "Dämmerungschor", ein ohrenbetäubender Lärm, der bis zu 5 Kilometer weit zu hören ist. Dieses Brüllen, vor allem von den Männchen einer Gruppe dargeboten, wird von allen anderen Gruppen beantwortet, die sich innerhalb der Hörweite befinden. Auf diese Weise sind die verschiedenen Gruppen ständig informiert, wo sich andere Gruppen aufhalten und vermeiden so, energetisch kostspielige Auseinandersetzungen über Nahrungsressourcen zu riskieren.


Systematik


Gefahren

Im Gegensatz zu einigen anderen Arten der Gattung Alouatta, die vom Aussterben bedroht sind, haben Rote Brüllaffen (Alouatta seniculus) keinen besonderen Schutzstatus. Allerdings sind sie in einigen Regionen selten geworden, höchstwahrscheinlich aufgrund der Zerstörung ihres Lebensraumes. In Brasilien sind sie aber glücklicherweise noch weit verbreitet[6].


Literatur

[1] Clutton-Brock, 1977; [2] Crockett, 1984; [3] DeVore, 1965; [4] Hausfater und Hrdy, 1984; [5] MacDonald, 1985; [6] Nowak, 1991; [7] Smuts et al., 1986; [8] Rowe, 1996

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