Wissenschaftsteam deckt Fehlerquelle bei der Messung von „Stress“-Hormonen in Tierhaaren auf



Bio-News vom 12.03.2020

Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung untersuchte, ob in Tierhaaren eingelagerte Glukokortikoid-Hormone ein zuverlässiger Biomarker für Belastungssituationen sein können. Bei dieser Untersuchung stieß das Team auf eine bisher unbekannte Fehlerquelle bei der häufig verwendeten antikörperbasierten Enzym-Immunassay-Analysemethode zur Bestimmung von „Stress“-Hormon-Konzentrationen. Diese führt zur Messung von überhöhten „Stress“-Hormon-Konzentrationen. Die Ursache der Fehlmessungen liegt in bisher unbekannten Molekülen in Tierhaaren. Diese neuen Erkenntnisse sind in der Fachzeitschrift „Conservation Physiology“ veröffentlicht.

Wildtiere reagieren ähnlich wie Menschen mit der Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol auf Belastungen oder Störungen. Die Konzentration solcher Hormone kann berührungsfrei aus Haarproben der Tiere ermittelt werden. Um den Einfluss verschiedener Belastungen oder Störungen – etwa Konkurrenz um Nahrung, Flucht vor Raubtieren oder sich ändernde Umweltbedingungen – zu ermitteln, werden Basiswerte der relevanten Hormone für jede Tierart benötigt. Daher untersuchte ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), ob in Tierhaaren eingelagerte Glukokortikoid-Hormone ein zuverlässiger Biomarker für Belastungssituationen sein können.


Fell des Gepards.

Publikation:


Jewgenow K, Azevedo A, Albrecht M, Kirschbaum C, Dehnhard M
Hair cortisol analyses in different mammal species: choosing the wrong assay may lead to erroneous results
Conservation Physiology

DOI: 10.1093/conphys/coaa009



Bei dieser Untersuchung stieß das Team auf eine bisher unbekannte Fehlerquelle bei der häufig verwendeten antikörperbasierten Enzym-Immunassay-Analysemethode zur Bestimmung von „Stress“-Hormon-Konzentrationen. Diese führt zur Messung von überhöhten „Stress“-Hormon-Konzentrationen. Die Ursache der Fehlmessungen liegt in bisher unbekannten Molekülen in Tierhaaren. Diese neuen Erkenntnisse sind in der Fachzeitschrift „Conservation Physiology“ veröffentlicht.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Führung von Prof. Katarina Jewgenow, Leiterin der Abteilung Reproduktionsbiologie am Leibniz-IZW, analysierten und verglichen Haarproben von sechs Säugetierarten: Ägyptischen Manguste (Herpestes ichneumon), Pardelluchs (Lynx pardinus), Gepard (Acinonyx jubatus), Alpenmurmeltier (Marmota marmota), Kragenbär (Ursus thibetanus) und Tüpfelhyäne (Crocuta crocuta). Sie maßen die Konzentration der „Stress“-Hormone Cortisol und Cortison in Haarextrakten mit gängigen antikörperbasierten Enzym-Immunassays. Diese Methode nutzt die Fähigkeit von Antikörpern, Moleküle einer bestimmten Gestalt (wie das relevante Hormon) zu erkennen und sich daran zu binden.

Antikörper können aber auch an ähnliche oder verwandte Moleküle binden, die eine vergleichbare Gestalt besitzen. In der Regel sind diese „gruppenspezifischen“ Antikörper sehr nützlich beim Einsatz im Wildtierbereich: Wenn das spezifische Hormon unbekannt ist, kann es über die Ähnlichkeit zu verwandten Molekülen dennoch erfasst werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass man keine Fremdmoleküle wie etwa Haarfette „detektiert“. Ein gutes Verfahren schließt dabei aus, dass Fremdmoleküle, wie etwa Haarfette, keine alternativen Andockstationen für die Antikörper sind. Es muss also die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass sich der Antikörper an Moleküle bindet, die mit dem eigentlich interessanten biologischen Ereignis – wie im Falle von Cortisol die Belastungssituation – nicht in Verbindung stehen.

Um zu prüfen, ob das richtige Hormon in den Säugetierhaaren identifiziert wurde, verglich das Forschungsteam die Ergebnisse der Immunassays mit der genaueren und aufwendigeren Massenspektrometrie-Analyse. Dabei entdeckte das Team erhebliche Unterschiede in den angezeigten Hormonwerten. Ein Immunassay überschätzte die Cortisolmenge sogar um das Zehnfache. Weitere biochemische Analysen ergaben, dass dieser systematische Fehler nicht mit einer dem Cortisol verwandten Substanz zusammenhing, sondern mit bislang nicht identifizierten Molekülen in den Tierhaaren. Aus diesem Grund empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dringend eine sorgfältige Validierung der Immunassays, bevor sie für die Hormonanalyse in Haaren angewendet werden. Darüber hinaus ist bekannt, dass auch Alter, Geschlecht und Jahreszeit den Ausgangswert des Cortisolspiegels im Haar beeinflussen können.

In einer früheren Untersuchung analysierte der Leibniz-IZW-Doktorand Alexandre Azevedo Haarproben von Ägyptischen Mangusten aus sieben Provinzen Portugals und zeigte, dass in diesem konkreten Fall das Hormon Cortisol zwar durch Alter und Geschlecht, nicht aber durch die Jahreszeit beeinflusst wird. Der Grund für diese wissenschaftliche Untersuchung war die erfolgreiche Auswilderung des Pardelluchses in Portugal. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten untersuchen, inwieweit die Rückkehr der Luchse die Mangusten belastet. Mit der jetzt geschafften Validierung ist sichergestellt, dass die Untersuchungen die Belastungen der Mangusten durch die Luchse korrekt einschätzen.

Für die Feststellung von Belastungen bei Wildtieren sind berührungsfreie Verfahren essenziell. „Die Entnahme von Blutproben zur Messung von Hormonen im Serum selbst verursacht erheblichen Stress“, erklärt Jewgenow. „Abbauprodukte der Hormone können auch im Kot nachgewiesen werden, aber wenn das Tier nicht direkt beim Koten beobachtet wird, ist das Finden und Sammeln von Kot und die notwendige individuelle Identifizierung bei freilaufenden Tieren aufwendig und kompliziert.“ Haarproben können jedoch auf nicht-invasive Weise mit „Haarfallen“ gewonnen werden, die normalerweise für genetische Untersuchungen von Wildtierpopulationen installiert werden. Die Nutzbarkeit der auf diese Art und Weise gewonnenen Proben hängt jedoch, so zeigt die aktuelle Untersuchung, von der Validierung der angewandten Analysemethoden ab.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Forschungsverbund Berlin e.V. via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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