Vogel-Pupillen verhalten sich anders als erwartet



Bio-News vom 19.10.2021

Die Pupille regelt nicht nur den Lichteinfall ins Auge, sondern spiegelt den Zustand des wachen Gehirns wider. Sind wir erregt oder konzentriert, erweitern sich die Pupillen. Die Pupille verändert sich sogar, wenn Säugetiere schlafen. Sie verengt sich im tiefen nicht-REM Schlaf und erweitert sich im REM-Schlaf. Nun haben Forschende erstmals das Pupillenverhalten in Vögeln untersucht. Überraschenderweise passiert hier genau das Gegenteil: In Erregung und im REM-Schlaf werden die Pupillen kleiner, im nicht-REM Schlaf hingegen vergrößern sie sich. Das unerwartete Pupillenverhalten von Vögeln bietet damit neue Einblicke ins schlafende Gehirn.

Die Pupille nimmt beim Sehen eine zentrale Rolle ein. Sie ist die Öffnung in der Mitte der Augen, welche reguliert, wie viel Licht auf die Netzhaut fällt. Ist es dunkel, wird die Pupille groß und lässt viel Licht durch – ist es hell, wird sie klein und verhindert, dass wir geblendet werden. Sie regelt jedoch nicht nur den Lichteinfall, sondern spiegelt Emotionen und den Zustand des Gehirns wider. Sind wir zum Beispiel erregt oder konzentriert, vergrößern sich die Pupillen – ohne, dass wir darauf Einfluss nehmen können.


Die Pupillen von Vögeln verhalten sich gegensätzlich zu denen von Säugetieren. Das Bild zeigt die verengte Pupille einer Taube im REM Schlaf, sichtbar durch das transparente Augenlid.

Publikation:


Gianina Ungurean, Dolores Martinez-Gonzalez, Bertrand Massot, Paul-Antoine Libourel, Niels Christian Rattenborg
Pupillary behavior during wakefulness, non-REM sleep, and REM sleep in birds is opposite that of mammals
Current Biology (2021)

DOI: 10.1016/j.cub.2021.09.060



In Vögeln wurden die Pupillengrößen noch nie systematisch untersucht. Dabei sind schnelle Pupillenverengungen unter Papageienbesitzern ein bekanntes Merkmal der Körpersprache der Vögel. Gianina Ungurean aus der Forschungsgruppe von Niels Rattenborg am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Kollegen am Neurosciences Research Center in Lyon untersuchte nun das Pupillenverhalten in Tauben. Überraschend für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war, dass die Pupillen männlicher Tauben bei der Balz kleiner wurden – im Gegensatz zu Säugetieren, bei denen sich bei Erregung die Pupillen weiten.

Kürzlich wurde an Mäusen gezeigt, dass sich die Pupillengröße auch im Schlaf verändert: Im tiefen nicht-REM Schlaf mit ruhigen Verhalten verkleinern sich die Pupillen; im aktiveren REM-Schlaf können sie sich langsam erweitern. Das Team untersuchte daher als nächstes das Pupillenverhalten von schlafenden Vögeln. Die durchsichtigen Augenlider der Tauben und ein spezielles Kamerasystem ermöglichten es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Pupillengröße selbst bei geschlossenen Augen und im Dunkel aufzuzeichnen. Auch hier machten die Vogel-Pupillen wieder das Gegenteil, sie erweiterten sich im nicht-REM Schlaf. Im REM-Schlaf hingegen verengten sich die Vogel-Pupillen blitzschnell über tausendmal pro Nacht. Dieses Phänomen nennen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rapid iris movement.

Die Forschenden konnten das Pupillenverhalten der Tauben genau so auch in einer Kuckucksart nachweisen. Das lässt vermuten, dass es sich um ein generelles Merkmal von Vögeln handelt. „Dies zeigt uns, dass grundlegende Verhaltensweisen wie die Pupillengröße in verschiedenen Tiergruppen völlig voneinander abweichen können“, erklärt Niels Rattenborg, Leiter der Studie. „Die Untersuchung dieses Unterschieds veranlasst uns womöglich dazu, unser allgemeines Verständnis des Pupillenverhaltens zu überdenken.“



Videoaufnahme einer Budapester Taube beim Übergang vom Nicht-REM- zum REM-Schlaf mit schnellen Irisbewegungen (RIMs)


Die Pupillengröße wird in Vögeln und Säugetieren durch unterschiedliche Muskeltypen in der Regenbogenhaut geregelt. Säugetiere nutzen glatte Muskeln, welche sich nicht willentlich steuern lassen. Vögeln dahingehen regulieren die Pupille durch gestreifte Muskeln, solche die zum Beispiel unsere Arme oder Beine bewegen. Die Forschenden konnten diesen strukturellen Aspekt als eine mögliche Ursache für das unterschiedliche Pupillenverhalten bestätigen: Legten sie mittels eines Medikaments Rezeptoren still, welche gestreifte Muskelzellen aktivieren, verengten die Tauben im Schlaf ihre Pupillen nicht mehr.

„Die Pupillenverkleinerung im schlafenden Vogel erfüllt wahrscheinlich wichtige Funktionen“, erklärt Gianina Ungurean. „Es ist möglich, dass durch die Verengung die Feinmotorik des Muskels geübt wird. Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen, dass Gehirnregionen, die im wachen Zustand bei Erregung aktiviert werden, im REM Schlaf wieder aktiv sind – möglicherweise, wenn Erinnerungen wiedergegeben werden.“ In diesem Zusammenhang könnten die Pupillenverengungen dabei helfen, festzustellen, wann und wie das schlafende Gehirn Erinnerungen verarbeitet.



Videoaufnahme eines Guirakuckucks beim Übergang von einer Phase mit erweiterten Pupillen, die mit einer Ruhephase verbunden ist (vermutlich Schlaf'>Non-REM-Schlaf), zu einer Phase mit schnellen Irisbewegungen (RIMs), die mit aktiven Verhaltensweisen verbunden sind (vermutlich REM-Schlaf).


Die Tatsache, dass Vögel ihre Pupillengröße durch gestreifte Muskeln regulieren und diese meist willentlich gesteuert werden, eröffnet eine spannende Frage: Können Vögel die Größe ihre Pupillen etwa gewollt verändern? Zukünftige Untersuchungen sollen der Frage nun nachgehen und klären, welche Rolle die Pupillen bei der Kommunikation zwischen Vögeln spielen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Max-Planck-Instituts für Ornithologie via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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