Neues vom Kleinen Blasenmützenmoos



Bio-News vom 26.01.2023

Mithilfe mikroskopischer und genetischer Methoden finden Forschende der Universität Freiburg heraus, dass die Fruchtbarkeit des Laubmooses Physcomitrella durch den Auxin-Transporter PINC beeinflusst wird. Das Hormon Auxin und die Auxin-transportierenden PIN-Proteine sind in allen Landpflanzen wichtig für Wachstum und Entwicklung. Physcomitrella besitzt drei dieser PIN-Proteine. Die Funktion von PINC war bisher unbekannt. Das Team um Prof. Dr. Ralf Reski konnte zeigen, dass in PINC-Knockout-Moosen die Spermien beweglicher sind. Andererseits kommt es häufiger zu Abtreibungen der Sporenkapsel.

Als Teil von Mooren sind sie wichtig für den Klimaschutz und in der Biotechnologie gewinnen sie bei der Herstellung von Pharmazeutika zunehmend an Bedeutung: Moose sind aus den verschiedensten Gründen interessante Forschungsobjekte. Auch deshalb, weil sie den ersten Landpflanzen besonders ähnlich sind: Dadurch erlauben sie Einblicke in die ursprüngliche Funktion der Signalmoleküle, die in allen heutigen Landpflanzen Wachstum und Entwicklung steuern. Forschende der Universität Freiburg und des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies fanden heraus, dass Transporter des Hormons Auxin die Fruchtbarkeit von Laubmoosen beeinflussen.


Kleines Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens)

Publikation:


Volker M. Lüth, Christine Rempfer, Nico van Gessel, Oliver Herzog, Melanie Hanser, Marion Braun, Eva L. Decker, Ralf Reski
A Physcomitrella PIN protein acts in spermatogenesis and sporophyte retention
New Phytologist (2022)

DOI: 10.1111/nph.18691



Auxin und PIN-Proteine kontrollieren Fruchtbarkeit

Das Hormon Auxin kommt in allen Landpflanzen vor und reguliert Wachstum und Entwicklung sowohl in Bäumen als auch in Moosen. Dasselbe gilt für die Moleküle, die das Auxin transportieren und so dessen Verteilung steuern: die sogenannten PIN-Proteine. Das Laubmoos Physcomitrella (Physcomitrium patens), auch Kleines Blasenmützenmoos genannt, besitzt drei verschiedene PIN-Proteine. Zwei davon sind wichtig für das Wachstum von Blättern und Spross. Welche Funktion das dritte, PINC, hat, war hingegen bisher unklar – Laubmoose, denen PINC fehlt, wachsen scheinbar völlig normal.


Das Protein PINC hat einen Einfluss auf die Motilität der Spermien (links) und die Verankerung der Sporenkapseln (rechts, dunkle Strukturen) im Moos Physcomitrella. Die fluoreszenzmikroskopischen Aufnahmen in der Mitte zeigen links das männliche Geschlechtsorgan und rechts eine junge Sporenkapsel. PINC ist magentafarben markiert.

Ein Team um Prof. Dr. Ralf Reski von der Fakultät für Biologie und den Exzellenzclustern CIBSS und livMatS der Universität Freiburg fand nun heraus, dass PINC einen doppelten Einfluss auf die Fruchtbarkeit von Physcomitrella hat. Dafür untersuchten sie die Pflanzen auch unter niedrigen Temperaturen und kurzen Lichtperioden – Bedingungen, unter denen Moose dieser Art weibliche und männliche Geschlechtsorgane ausbilden.

Spermien schwimmen ohne PINC besser

„In Physcomitrella-Pflanzen, denen PINC fehlte, waren deutlich mehr Spermien schwimmfähig und hatten gerade, anstatt gebogene Flagellen“, beschreibt Volker Lüth, Erstautor der Studie und Doktorand in Reskis Labor, die Beobachtungen. Im Gegensatz zu fast allen anderen Landpflanzen haben Moose Spermien, die sich mit Flagellen fortbewegen. Um zu einer Eizelle zu gelangen, müssen sie durch Wassertropfen zu den weiblichen Geschlechtsorganen schwimmen. Schlechte Schwimmer sind dabei im Nachteil – was das Ergebnis überraschend macht: „Man würde eigentlich nicht erwarten, dass es einen molekularen Mechanismus gibt, der die Fruchtbarkeit der Spermien verringert“, sagt Reski. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die im Labor verwendeten Pflanzen generell weniger fruchtbar als ihre wilden Verwandten sind, vermutet der Forscher. „In jedem Fall zeigen unsere Ergebnisse erstmals, dass Auxin in Laubmoosen eine Rolle bei der Reifung von Spermien, der sogenannten Spermatogenese, spielt“, so Reski.

Ohne PINC gehen Sporenkapseln verloren

Einen entgegengesetzten Effekt hatte PINC auf die Verankerung der Sporenkapsel: Das ist die Struktur, die aus der befruchteten Eizelle entsteht. Bei Physcomitrella bleibt sie auf den weiblichen Organen stehen, wo sie festgehalten und mit Nährstoffen versorgt wird. Trennt sich diese Verbindung, entspricht das der Abtreibung eines Embryos, wie Reski erklärt. „Fehlte den Moosen PINC, dann kam es deutlich häufiger zu solchen Abtreibungen,“ sagt er. Wichtig dabei ist wahrscheinlich eine braune Ringstruktur, die den Fuß der Sporenkapsel umschließt. Einen Namen hatte diese Struktur bisher nicht: „Dieser Ring ist unter dem Mikroskop zwar deutlich erkennbar, wurde unseres Wissens nach aber zuletzt 1909 vom deutschen Botaniker Wilhelm Lorch beschrieben“, so Lüth. „Wir nennen ihn daher den Lorch-Ring. Er integriert die Auxin-Signale mit der mechanischen Eigenschaft zur Sicherung der Sporenkapsel.“

Man muss ganz genau hinschauen

Dass die Funktion von PINC lange unbekannt blieb, überrascht die Forschenden im Nachhinein nicht: „Dass Auxin beziehungsweise die Auxin-transportierenden PIN-Proteine eine Rolle für die Fruchtbarkeit von Moosen spielen, hatten wir nicht vermutet“, erklärt Reski. „Dazu kommt, dass die Wirkung sich auf mikroskopische Strukturen beschränkt – man muss also ganz genau hinschauen.“ Er hofft nun, dass weitere Forschung an Moosen und anderen Pflanzen auf diesen Ergebnissen aufbauen kann: „Daraus ergibt sich ein ganz neues Forschungsfeld“, so Reski.



Diese Newsmeldung wurde mit Material der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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