Mögliche physische Spur des Kurzzeitgedächtnisses gefunden



Bio-News vom 02.06.2020

Wie können wir uns an die Telefonnummer erinnern, die wir gerade anrufen wollten? Wie merken wir uns den Inhalt einer Vorlesung oder eines Films? Schon Platon und Aristoteles fragten, wie Erinnerungen als Veränderungen im Gehirn gespeichert werden. In einer neuen Studie fanden Professor Peter Jonas und seine Gruppe am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), darunter Erstautor David Vandael, heraus, dass das Kurzzeitgedächtnis durch das Speichern von Neurotransmitter-Vesikel gebildet werden kann. Diese Vesikel-Pools könnten ein „Engramm" sein, eine physische Spur des Gedächtnisses.

Erinnerungen zu bilden ist unverzichtbar, um zu lernen und sich Wissen anzueignen. Im 20. Jahrhundert führte Richard Semon die Idee eines „Engramms" ein, einer physischen Spur eines Gedächtnisses: Während ein Tier lernt, werden Informationen in einem Engramm im Gehirn gespeichert. Später wird diese Information wieder abgerufen. „Wo sind die Engramme? Das war eine der Fragen, die wir uns stellten", erklärt Peter Jonas. „Synaptische Plastizität, die Verstärkung der Kommunikation zwischen Neuronen, erklärt auf subzellulärer Ebene die Gedächtnisbildung. Um das Engramm zu finden, untersuchten wir deshalb strukturelle Korrelate der synaptischen Plastizität.“


Erinnerungen abrufen.

Publikation:






Unerwarteter Mechanismus stärkt die Kommunikation

Für diese Suche untersuchte Postdoc David Vandael einzelne Synapsen im Hippocampus, dem für Lernen und Gedächtnis erforderlichen Gehirnareal. Unter den vielen Synapsen, die sich im Hippocampus mit einer Pyramidenzelle verbinden, wählte Vandael eine aus und zeichnete auf, was passiert, wenn eine Körnerzelle ein Signal an die Pyramidenzelle sendet. „Signale an einzelnen identifizierten Synapsen aufzuzeichnen ist essenziell. Deshalb haben wir ein nahezu unmögliches Experiment durchgeführt, bei dem wir gleichzeitig elektrische Signale von einem kleinen präsynaptischen Terminal und seinem postsynaptischen Zielneuron aufzeichneten. Das ist die perfekte Methode, um die Synapse zu untersuchen", veranschaulicht Vandael.

Vandael fand, dass das Feuern einer Granularzelle eine Form synaptischer Plastizität induziert, die sogenannte post-tetanische Potenzierung. Diese verstärkt die Kommunikation zwischen Körnerzelle und Pyramidenzelle für mehrere Minuten. Der Mechanismus hinter dieser Plastizität war jedoch unerwartet: Ausgehend davon, was andere für eine Modellsynapse, den Held’schen Calyx, beobachtete hatten, stellten Vandael und Jonas die Hypothese auf, dass Plastizität entsteht, weil Vesikel nach einem Aktivitätsausbruch mit größerer Wahrscheinlichkeit Neurotransmitter in die Synapse freisetzen würden. Durch diese Freisetzung von Neurotransmittern werden Signale von einer Nervenzelle zur anderen übertragen. „Wir fanden stattdessen, dass nach der Aktivität einer Körnerzelle mehr Vesikel mit Neurotransmittern am präsynaptischen Terminal gespeichert werden", erklärt Vandael. „Das Feuern induziert Plastizität, indem die Zahl an Vesikel in dieser aktiven Zone zunimmt; die Vesikel können einige Minuten lang gespeichert werden".

Vesikel-Pools als Engramm für das Kurzzeit-Gedächtnis?

Während des Lernens, wenn also die Körnerzelle aktiv ist, werden Vesikel in diesen Pool in der aktiven Zone gedrängt. Wenn die Aktivität nachlässt, bleiben die Vesikel im Pool. Wird die Aktivität wieder aufgenommen, sind bereits mehr Vesikel in der aktiven Zone gespeichert. So kann mehr Neurotransmitter in die Synapse freigesetzt werden. „Das Kurzzeitgedächtnis könnte Aktivität sein, die in Vesikeln gespeichert wird, welche später freigesetzt werden", fügt Vandael hinzu.

Am Ende könnte dies eine wichtige Entdeckung sein, sagt Jonas. „Indem er die biophysikalischen und strukturellen Komponenten der Plastizität analysierte, könnte David das Engramm entdeckt haben - wenn wir glauben, dass die synaptische Plastizität dem Lernen zugrunde liegt.“ In weiteren Arbeiten versucht die Gruppe derzeit, synaptische Signale in vivo mit Verhaltensänderungen zu korrelieren.

Die neuen Erkenntnisse tragen dazu bei, unser Verständnis von Lernen und Gedächtnis zu erweitern, sagt Vandael. „Es ist faszinierend, sich Gedächtnis als eine Menge von Neurotransmitter-enthaltenden Quanten vorzustellen, und wir denken, dass dies für Forscherinnen und Forscher in den Neurowissenschaften inspirierend sein wird. Wir hoffen, dass unsere Arbeit dazu beiträgt, einen Teil der ungelösten Fragen über Lernen und Gedächtnis zu beantworten". Ein besseres Verständnis davon, wie verschiedene Synapsen funktionieren, kann auch helfen zu verstehen, wie sich Krankheiten auf Synapsen auswirken, fügt Jonas hinzu.


Diese Newsmeldung wurde mit Material nstitutse of Science and Technology Austria via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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