Manche mögen’s heiß / Einige Wüstentiere können dem Klimawandel besser trotzen als erwartet



Bio-News vom 24.05.2018

Ökologen haben keinen Zweifel daran, dass der Klimawandel die Tiere und Pflanzen auf der Erde beeinflussen wird. Nur wie genau? Das ist oft schwer vorauszusagen. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass manche Arten ihr Verbreitungsgebiet verschieben. Viel weniger ist dagegen darüber bekannt, wie einzelne Tiere und Populationen auf die Veränderungen reagieren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des UFZ in Leipzig haben das nun bei nachtaktiven Wüstengeckos untersucht. Im Fachjournal Ecological Monographs kommen sie zu ermutigenden Erkenntnissen. Mit der Hitze allein werden die Tiere demnach wohl nicht so schnell Probleme bekommen.

In der Welt der Reptilien gibt es sicher spektakulärere Arten als Gehyra variegata. Und doch ist es diesem kleinen, nachtaktiven Gecko gelungen, die Diskussion um die ökologischen Folgen des Klimawandels um ein paar ganz neue Facetten zu bereichern.

Die etwa fünf Zentimeter großen Tiere mit der grauen oder bräunlichen Haut leben in den Wüsten Australiens. Für sie sind die hohlen Stämme von Eukalyptusbäumen die perfekten Refugien. Nachdem sie die Nacht über auf Insektenjagd gegangen sind, verbringen sie dort die heißen Tage, an denen die Temperaturen leicht auf mehr als 40 Grad Celsius klettern können.

Gerade in solchen heißen Wüsten aber erwarten Klimaforscher in Zukunft noch extremere Bedingungen. Weltweit soll es dort noch heißer und trockener werden. Wie aber wird die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt dieser Ökosysteme auf diese neuen Herausforderungen reagieren? Am Beispiel des kleinen Geckos, der stellvertretend für andere nachtaktive Wüstenbewohner steht, sind die Forscher dieser Frage nachgegangen.


Ein ausgewachsener Gecko mit einem kleinen Rucksack, in dem ein Passivsender am Körper des Tieres angebracht wurde. Dieser kann den Aufenthaltsort und die Körpertemperatur übermitteln.

Publikation:


Annegret Grimm-Seyfarth, Jean-Baptiste Mihoub, Bernd Gruber, Klaus Henle
Some like it hot: from individual to population responses of an arboreal arid-zone gecko to local and distant climate

Ecological Monographs

DOI: 10.1002/ecm.1301



Prof. Klaus Henle, der am UFZ das Department Naturschutzforschung leitet, hat schon in den 1980er Jahren begonnen, Daten über Gehyra variegata zusammenzutragen. Im Kinchega Nationalpark im Osten Australiens haben er und seine Kollegen über 30 Jahre lang immer wieder Reptilien gefangen, vermessen, zu Identifikationszwecken fotografiert und – dann mit einer Markierung versehen – wieder freigelassen.

Diese Informationen haben die UFZ-Forscherinnen und -Forscher nun in Beziehung zu den Witterungsverhältnissen vor Ort, aber auch zu globalen Klimaphänomenen gesetzt – und sind dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen. „Wir hatten erwartet, dass sich sowohl höhere Temperaturen als auch größere Trockenheit negativ auf die Tiere und ihre Bestände auswirken würden“, sagt Biologin Annegret Grimm-Seyfarth. Schließlich brauchen Reptilien ein gewisses Maß an Feuchtigkeit, damit zum Beispiel die Eientwicklung und die Häutung richtig funktionieren. Wenn die Tiere austrocknen, wird es für sie lebensgefährlich. Und das Gleiche gilt auch, wenn sie infolge zu hoher Temperaturen überhitzen.

„Bei unseren Geckos haben wir aber festgestellt, dass sie gerade in heißen Jahren besonders gut wachsen und überleben“, sagt die Forscherin. „Sie sind dann also in besserer Verfassung und der Bestand nimmt eher zu als ab.“ Woran aber kann das liegen? Um das herauszufinden, hat Annegret Grimm-Seyfarth das Verhalten der Reptilien beobachtet und ihre Körpertemperatur gemessen.

Nachts hat sie die jagenden Tiere dazu mit einem Infrarot-Thermometer angepeilt, das aus der Entfernung die Temperatur bestimmen kann. Um die Geckos auch in ihren Tages-Ruheplätzen aufspüren zu können, kamen zudem kleine Passivsender zum Einsatz, wie sie zum Beispiel auch als Identifikations-Chips für Hunde verwendet werden. Normalerweise werden diese unter die Haut implantiert. Doch ein fünf Zentimeter langer Reptilien-Zwerg ist dafür einfach nicht groß genug. Also haben die Forscher den Tieren kleine Rucksäcke gebastelt, in denen der Chip nahe am Körper lag. Mit einer Radiofrequenzantenne ließ er sich dann anpeilen. Dabei verriet er nicht nur den Aufenthaltsort, sondern auch die Temperatur des jeweiligen Kandidaten.

Dabei zeigte sich, dass Geckos trotz der Wüstenhitze nicht etwa besonders kühle Stellen wählen. 30 bis 35 Grad Celsius sollte das Refugium schon haben. „Diese hohen Temperaturen brauchen die Tiere, um ihre Nahrung richtig verdauen zu können“, erklärt die Forscherin. Also krabbeln sie mitunter gezielt in besonders sonnenexponierte Äste. In einem eher kühlen Jahr hat die UFZ-Mitarbeiterin zu ihrer Verblüffung sogar beobachtet, dass die Geckos ihren Baum verließen und Sonnenbäder nahmen. Diese Suche nach genügend Wärme aber kostet Energie. Und wenn sie nicht erfolgreich ist, funktioniert die Verdauung nicht optimal. Das könnte der Grund dafür sein, dass sich kühle Jahre eher negativ auf die Geckos auswirken.

Auch die angenehmsten Temperaturen nützen allerdings nichts, wenn es dabei zu trocken ist. Denn dann bekommen die Tiere nicht nur körperliche Probleme. Es gibt in solchen Phasen auch weniger Insekten, die sie fressen könnten. Wie erwartet erleben die Geckos in Dürrephasen daher tatsächlich harte Zeiten. Entscheidend sind dabei allerdings nicht nur die Niederschläge vor Ort. Alle paar Jahre beschert die Klima-Anomalie La Niña der australischen Ostküste sintflutartige Regenfälle. Über die Flüsse erreicht dieses Wasser Monate später auch die Wüste – und sorgt dort für eine höhere Luftfeuchtigkeit und reichlich Insekten. „Neben den lokalen Verhältnissen spielen für die Tiere also auch globale Klimaphänomene eine Rolle“, betont die Forscherin. Man müsse also über den Tellerrand des jeweiligen Gebietes hinaus schauen, wenn man die Zukunftschancen seiner Bewohner richtig einschätzen wolle.

Bisher spricht alles dafür, dass die Geckos wohl kein Hitze-, sondern eher ein Dürreproblem bekommen werden. Auch das aber können sie offenbar bis zu einem gewissen Grad kompensieren. Die Studie zeigt nämlich auch, dass die Tiere in trockenen Jahren zwar abgemagert sind. Ihre Bestände aber schrumpfen trotzdem nicht. „Das liegt daran, dass sie in schlechten Zeiten ihr Wachstum und ihre Vermehrung zurückfahren“, erläutert Annegret Grimm-Seyfarth. Dann konzentrieren sie sich ganz darauf, bis ins nächste Jahr zu überleben. Da diese Reptilien mit bis zu 28 Jahren ungewöhnlich alt werden, können sie sich die eine oder andere verlorene Fortpflanzungssaison problemlos leisten. Und wenn die Zeiten wieder besser sind, holen sie das Versäumte nach.

Auch wenn der Klimawandel die Lebensbedingungen für die Geckos verschlechtert, werden sie also wohl kaum gleich aussterben. Und diese optimistische Botschaft dürfte nach Einschätzung der UFZ-Forscher durchaus auch für andere langlebige Wüstentiere gelten. Ein Freibrief, den Klimawandel einfach laufen zu lassen, ist das aber trotzdem nicht. „Wenn mehrere sehr trockene Jahre aufeinander folgen, können die Tiere das nicht mehr abpuffern“, sagt Annegret Grimm-Seyfarth. Irgendwann ist dann auch der hartgesottenste Überlebenskünstler am Ende.


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