Genome zeigen verstecktes Potential der Flechten



Bio-News vom 27.06.2022

Flechten bilden unter anderem Stoffe mit biotischer Wirkung, die für die Pharmazie von großem Interesse sind - sogenannte sekundäre Flechtenstoffe. Forscherinnen und Forscher fanden durch Genomanalysen eine unerwartet hohe Zahl an bisher unbekannten Genabschnitten, die für die Bildung von wichtigen sekundären Flechtenstoffen, die Polyketide, verantwortlich sind.

Neue Forschungsergebnisse zeigen das große versteckte Potenzial von Flechten. Möglicherweise beherbergen die Organismen deutlich mehr Wirkstoffe für Arzneimittel wie z.B. Antibiotika, Entzündungshemmer oder Zytostatika als bisher angenommen.


Die rötliche Stäbchenflechte (Bacidia rubella) besitzt wesentlich mehr Polyketidsynthase-Gene als bisher angenommen.

Publikation:


Gerasimova JV, Beck A, Werth S, Resl P
High Diversity of Type I Polyketide Genes in Bacidia rubella as Revealed by the Comparative Analysis of 23 Lichen Genomes
J Fungi (2022)

DOI: 10.3390/jof8050449



Flechten sind symbiotische Lebensgemeinschaften aus einer Pilz- und einer Algenart. Sie besiedeln weltweit Bäume oder Felsen. Insbesondere der Pilzpartner leistet im Verborgenen Erstaunliches: Er bildet unter anderem Stoffe, die für die Pharmazie von großem Interesse sind - sogenannte sekundäre Flechtenstoffe. Unter den Flechtenstoffen bilden die Polyketide die größte Gruppe. Sie werden im Stoffwechsel der Flechtensymbiose von den Flechtenpilzen produziert.

Polyketide sind sowohl ökologisch sowie pharmazeutisch von Bedeutung: Sie schützen die Flechte vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlung und wirken unter anderem entzündungshemmend und antibakteriell. Zu den Polyketiden zählen aber auch giftige Substanzen wie das Aflatoxin des Schimmelpilzes oder auffällige Farbstoffe wie die Anthrachinone. In der Pharmaindustrie werden Polyketide unter anderem als Antibiotika verwendet.

Ein Forscherteam um Dr. Andreas Beck, Kurator und Flechten-Experte der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM), hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der LMU München die Genome von Flechten bzw. deren Pilzpartnern analysiert - auf der Suche nach speziellen Genabschnitten, die für die Bildung der Polyketide verantwortlich sind. Mit erstaunlichem Ergebnis: Die Forscherinnen und Forscher fanden unerwartet viele solcher Genabschnitte, sogenannte Polyketidsynthase-Gene. Deren Menge übersteigt die Zahl an bekannten Flechtenstoffen aus den Organismen um ein Vielfaches. Die Forschergruppe verglich in ihrer Studie über 600 Polyketidsynthase-Gene aus den Genomen von 23 Flechtenpilzen. Die Arbeit zeigt die bisher umfangreichste Übersicht von Polyketidsynthasen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscherinnen und Forscher kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Fungi.

Besonders überrascht hat die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass auch die eher unscheinbare rötliche Stäbchenflechte (Bacidia rubella) wesentlich mehr Polyketidsynthase-Gene besitzt als bisher angenommen: „Bisher wurde für diese Krustenflechte nur sogenanntes Atranorin als Polyketid-Flechtenstoff nachgewiesen. Das Genom der Stäbchenflechte beherbergt aber insgesamt 10 Polyketidsynthase-Gene, die alle in der Lage sind, weitere Flechtenstoffe zu produzieren. Folglich sind bisher nicht einmal 10% der potentiellen Stoffwechselprodukte der rötlichen Stäbchenflechte bekannt“, erläutert Julia Gerasimova, von der LMU und der Botanischen Staatssammlung München und Erstautorin der Studie.

„Diese unerwartete Vielzahl sowie die Vielfalt der Polyketidsynthase-Gene legt nahe, dass wir noch längst nicht alle produzierten Flechtenstoffe kennen – weder ihre Struktur noch ihre Funktion bzw. Wirkungsweise. Unter diesen unbekannten Stoffen dürften sich viele mit sehr interessanter Wirkung befinden – interessant speziell für pharmazeutische oder biotechnologische Anwendungen“, so Andreas Beck von der Botanischen Staatssammlung München.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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