Genomduplikationen als evolutionäre Anpassungsstrategie



Bio-News vom 23.09.2020

Genomduplikationen spielen eine maßgebliche Rolle bei der Ausbildung von Formen und Strukturen pflanzlicher Organismen sowie ihrer Veränderungen über lange evolutionäre Zeiträume hinweg. Das haben Biologen der Universität Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Marcus Koch bei Untersuchungen der Familie der Kreuzblütler herausgefunden. Um das Ausmaß der verschiedenen Ausprägungen über einen Zeitraum von 30 Millionen Jahren zu erfassen, wurden alle 4.000 Arten dieser Pflanzenfamilie bewertet und auf Gattungsebene auf ihre morphologische Vielfalt in allen charakteristischen Merkmalen untersucht.

Die äußere Gestalt einer Pflanze, auch umschrieben mit dem Begriff Morphologie, ist in besonderem Maße auf Umweltfaktoren und deren Einflüsse zurückzuführen. Dies geschieht sowohl auf kurzen Zeitskalen der individuellen Entwicklung als auch langfristig im evolutionären Maßstab. „Eine Pflanzenart realisiert dabei immer nur einen Ausschnitt der möglichen morphologischen Variationsbreite in der Evolution, und so können verwandte Evolutionslinien auch als Gruppe auf ihre morphologische Disparität hin untersucht werden“, betont Prof. Koch, der am Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg die Forschungsgruppe „Biodiversität und Pflanzensystematik“ leitet. Das Ausmaß dieser Verschiedenheit kann dabei als evolutionäres Potential für Anpassungen an veränderte Umwelten und eine damit verbundene Differenzierung angesehen werden.


Beispiel: Blüte eines Kreuzblütlers aus der Familie Brassicaceae, hier Garten-Senfrauke (Eruca sativa)

Publikation:


N. Walden, D. A. German, E. M. Wolf, M. Kiefer, P. Rigault, X.-C. Huang, C. Kiefer, R. Schmickl, A. Franzke, B. Neuffer, K. Mummenhoff & M. A. Koch
Nested whole-genome duplications coincide with diversification and high morphological disparity in Brassicaceae
Nature Communications 2020

DOI: 10.1038/s41467-020-17605-7



Um die morphologische Vielfalt zu erfassen, überführten die Wissenschaftler zunächst die charakteristischen Merkmale der 4.000 Kreuzblütler-Arten in eine „Checkliste“, die die Identität und verwandtschaftlichen Beziehungen der Arten beschreibt. Mit dem Ziel, auch die dahinterliegenden evolutionären Dynamiken sichtbar zu machen und zu testen, konstruierten sie in einem zweiten Schritt auf Gattungsebene einen Stammbaum aus diesen Daten, die auf der nächsten Generation von DNA-Sequenzierung beruhen. Damit können komplexe Merkmale und deren Entwicklung im Verlaufe der Evolution studiert und in Abhängigkeit von anderen Prozessen und Ereignissen wie Genomduplikationen oder starken Veränderungen der Artbildungsraten gesetzt werden. Genomduplikationen, also die Vervielfachung des gesamten genetischen Erbgutes in einer Zelle, stellen bei den Landpflanzen einen herausragenden Prozess dar, um zusätzliche genetische Variabilität zur Verfügung zu stellen.

„Ein überraschendes Ergebnis unserer Studie ist, dass es im Hinblick auf die untersuchten morphologischen Merkmale keine Schlüsselinnovationen gibt. Die Merkmalsausprägungen wechseln stetig und sind scheinbar willkürlich immer wieder zusammengesetzt worden. Dabei bedienen sich die alten Evolutionslinien auf verschiedene Weise an dem morphologischen Potential, unterscheiden sich aber nicht voneinander in ihrer Disparität. Evolution kann auf diese Weise also schnell und divergierend verlaufen“, so Marcus Koch.

Diese Muster sind sowohl mit Genomduplikationen, die die genetische Komponente widerspiegeln, als auch mit einer raschen Steigerung der Artbildungsraten als Ausdruck des Selektionsdruckes vergangener und sich verändernder Umwelten assoziiert. Kreuzblütler machen demnach einen Anteil von über 40 Prozent polyploider Arten aus, die Genomduplikationen und eine Vervielfachung des Chromosomensatzes aufweisen. „Das bedeutet, dass eine Art wie zum Beispiel die Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana, im Verlaufe der Evolution der Blütenpflanzen in den letzten 160 Millionen Jahren schon mindestens drei Genomduplikationen durchlaufen hat. Dennoch hat diese Art heute nur zehn Chromosomen, denn die Genome müssen nachfolgend stabilisiert und in der Regel langfristig wieder verkleinert werden“, erläutert Prof. Koch.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Heidelberg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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