Frühblüher eine Woche früher dran als vor hundert Jahren



Bio-News vom 28.04.2022

Ein Forschungsteam hat die Verschiebung der jahreszeitlichen Entwicklung von Waldpflanzen untersucht. Herbarbelege spiegeln die Klimaerwärmung wider.

Frühblühende Pflanzen in den europäischen Wäldern beginnen die Blühsaison heute im Schnitt eine Woche früher als vor hundert Jahren. Davon zeugen Herbarbelege, wie Dr. Franziska Willems und Professor Oliver Bossdorf vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen gemein-sam mit Professor J. F. Scheepens von der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden haben. Das Forschungsteam nutzte die Sammeldaten von Herbarbelegen aus mehr als einem Jahrhundert für eine neu entwickelte Methode der geografisch-räumlichen Modellierung. So konnte das Team auch belegen, dass die frühere Blütezeit der Wildpflanzen mit der Klimaerwärmung zusammenhängt.


Das Buschwindröschen ist ein sogenannter Frühblüher.

Publikation:


Franziska M. Willems, J. F. Scheepens and Oliver Bossdorf
Forest wildflowers bloom earlier as Europe warms: Lessons from herbaria and spatial modeling
New Phytologist (2022)

DOI: 10.1111/nph.18124



Buschwindröschen, Waldmeister, Lungenkraut und Frühlings-Platterbse blühen früh im Jahr im Unterwuchs des Waldes. „Sie nutzen ein kritisches Zeitfenster für die Blütezeit, bevor die Laubbäume ihre Blätter austreiben und den Unterwuchs beschatten“, erklärt Franziska Willems. Wenn die Temperaturen steigen, öffnen sich die Blattknospen der Bäume tendenziell früher, daran müssten sich auch die Frühblüher anpassen. „Allerdings gehen sie das Risiko ein, dass ihre geöffneten Blüten von spätem Frost geschädigt werden. Außerdem kommen sie nicht ohne bestäubende Insekten aus, die zur Blütezeit bereits aktiv sein müssen.“

Zeugen aus vergangenen Jahrhunderten

Herbarien als Sammlungen gepresster und getrockneter Pflanzen decken lange Zeiträume und große Regionen ab. „Viele reichen 200 Jahre zurück, weltweit werden hunderte Millionen von Belegen aufbewahrt“, sagt Oliver Bossdorf. „Pflanzen werden meist gesammelt, wenn sie blühen. Auf den Herbarbögen werden das Sammeldatum und der Ort notiert. So ergibt sich eine präzise Momentaufnahme“, sagt der Forscher.


Franziska Willems im Herbarium Tubingense, dem Tübinger Herbar.
Herbarbelege von Anemone nemorosa, dem Buschwindröschen, aus dem Herbar der Universität Tübingen, dem Herbarium Tubingense.

Für die Studie untersuchte das Forschungsteam mehr als 6.000 quer durch Europa gesammelte Herbarbelege von 20 Frühblüher-Arten, um aus den Sammeldaten Verschiebungen der Phänologie, also der jahreszeitlichen Entwicklungsrhythmen, abzuleiten. Um die Bedeutung der geografischen Verteilung bei der Untersuchung der Phänologie richtig einordnen zu können, erstellte das Team Modelle der Blütezeiten, in denen die geografische Information mitberücksichtigt wurde, und verglich diese mit Modellen ohne räumliche Daten.

Das Ergebnis war eindeutig: „Der Jahresrhythmus der Frühblüher und das Ausmaß von Verschiebungen als Antwort auf Klimaveränderungen variiert nicht nur zwischen verschiedenen Pflanzenarten, sondern auch über verschiedene Regionen hinweg“, sagt Willems. „Robuste Studien von Phänologie-Veränderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel erfordern eine großräumige und langfristige Perspektive.“ Bisher seien solche Studien häufig nur geografisch begrenzt durchgeführt worden.

Im Durchschnitt blühten die Pflanzen wie Einbeere, Bärlauch und Sauerklee mehr als sechs Tage früher als zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Diese Veränderungen korrelierten eng mit wärmeren Frühlingstemperaturen. „Die Blütezeit verschob sich pro Grad Celsius Erwärmung um 3,6 Tage nach vorn“, sagt Bossdorf. Die räumliche Modellierung zeigte, dass die Pflanzen in manchen Teilen Europas früher, in manchen allerdings auch später blühten als erwartet. „Bei kleinräumigen Studien wäre das Ergebnis unklar geblieben. Der Zusammenhang zwischen der nach vorn verschobenen Blütezeit und den steigenden Temperaturen tritt nur im großen Überblick klar hervor.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Eberhard Karls Universität Tübingen via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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