Fledermäuse hören in 3D



Bio-News vom 23.04.2019

Die Echoortung von Fledermäusen verwendet trotz der unterschiedlichen Anatomie von Augen und Ohren Informationen über dreidimensionale Raumstruktur, wie sie auch der Sehsinn verwendet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen und der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigen in einer neuen Studie, dass Echos Informationen enthalten, die es den Tieren ermöglichen, verschieden strukturierte Oberflächen voneinander zu unterscheiden. So sticht zum Beispiel eine zappelnde Beute selbst auf einer bewegten Wasseroberfläche für die Fledermäuse akustisch heraus.

Echoortende Fledermäuse haben sich die Nacht zum Tag gemacht. Sie beschallen ihre Umwelt mit lauten Ultraschallrufen und lauschen auf zurückgeworfene Echos. Über tausend Arten an Fledertieren besetzen alle erdenklichen Nahrungsnischen, von Mückenjägern über Nektarschlecker bis hin zu fischenden Fledermäusen. Jagen Fledermäuse nahe vor einem Hintergrund, müssen sie das Beuteecho aus einer Vielzahl zurück reflektierter Echos heraushören – die Nadel im Heuhaufen.

Warum jedoch das Jagen dicht über der Wasseroberfläche, wie es zum Beispiel Wasser- und Teichfledermäuse tun, von Vorteil ist, erklärt Holger Goerlitz, Leiter der Forschungsgruppe Akustische und Funktionelle Ökologie am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen: „Eine glatte, unbewegte Wasseroberfläche wirkt akustisch wie ein Spiegel: Im gleichen Winkel, in dem der Schall auf die Oberfläche trifft, wird er auch reflektiert. In unserem Fall hauptsächlich von der Fledermaus weg, da sie schräg nach unten-vorne aufs Wasser ruft. Ein treibendes Insekt reflektiert Schall jedoch direkt zur Fledermaus zurück, als ein einzelnes auffälliges Beuteecho inmitten von Stille.“ Aber was passiert, wenn die Wasseroberfläche nicht spiegelglatt ist? Fledermäuse jagen schließlich auch bei Wind und Regen oder über fließenden Gewässern.


Die Wasserfledermaus verdankt ihren deutschen Namen ihrem Jagdverhalten. Neben Krabbeltieren lässt sie sich gerne auch kleine Fischchen schmecken.

Publikation:


A. Leonie Baier, Lutz Wiegrebe & Holger R. Goelitz
Echo-Imaging Exploits an Environmental High-Pass Filter to Access Spatial Information with a Non-Spatial Sensor
Science (open access)

DOI: 10.1016/ j.isci.2019.03.029



Viele aquatische Räuber wie Egel, Spinnen oder Amphibien können die dreidimensionale Struktur von Wasserwellen wahrnehmen und sie so von Beute unterscheiden. Für Lutz Wiegrebe vom Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität drängte sich die Frage auf, ob echoortende Fledermäuse diese Leistung nur mit dem Hörsinn erbringen - eine echte Herausforderung. Denn es muss erst über den Vergleich der eingehenden Signale an linkem und rechtem Ohr errechnet werden, aus welcher Richtung der am Trommelfell beider Ohren eintreffende Schall ursprünglich kommt: „Kommt ein Geräusch von links, trifft es am linken Ohr lauter und früher ein als am rechten“ sagt Leonie Baier, Erstautorin der Studie. „Und kommt ein Geräusch von vorne, klingt es minimal anders als von hinten. Dafür sorgen die Ohrmuscheln.“ Fledermäuse berechnen auch Entfernungen: „Je mehr Zeit zwischen Aussenden des Rufs und Empfangen des Echos verstreicht, desto weiter weg ist das angepeilte Ziel“, so Leonie Baier.

Um nun der Frage nach der Wahrnehmung räumlicher Struktur auf den Grund zu gehen, brachte Baier ihren Fledermäusen bei, eine glatte Oberfläche von einer geriffelten Oberfläche zu unterscheiden – im Dunklen, also nur mit Hilfe von Echoortung. Es zeigte sich, dass die Tiere sehr viel besser darin waren, geriffelte Oberflächen zu detektieren, wenn diese eine hohe Raumfrequenz, also viele Wellen auf enger Fläche hatten. Dann konnten sie sogar Wellen von nur etwa ein bis zwei Millimeter Höhe wahrnehmen. War die Raumfrequenz jedoch sehr niedrig, also nur wenige Wellen auf der gesamten Fläche abgebildet, konnten die Tiere keinen Unterschied zwischen der glatten und der geriffelten Fläche feststellen, selbst wenn die Wellen über drei Zentimeter hoch waren. Im Vergleich mit natürlichen Gegebenheiten deuten die Wissenschaftler ihre Ergebnisse so, dass sanfte Hintergrundwellen, wie sie durch Wind entstehen, für die Fledermäuse praktisch unsichtbar sind. Im Gegensatz dazu sticht eine in den Wellen zappelnde Beute ins Auge – oder besser gesagt, ins Ohr.

„Vergleicht man die Empfindlichkeit der Echoortung für Raumfrequenzen mit der des menschlichen Sehsinns, ergeben sich erstaunliche Parallelen“, erklärt Lutz Wiegrebe. Da sich aber die Anatomie von Auge und Ohr grundlegend unterscheiden, begaben sich die Forscher auf die Suche nach dem Mechanismus, der hinter der Leistung der Fledermäuse stecken könnte. Am Computer simulierten sie die neuronale Aktivität, wie sie im Hörnerv der Tiere vorliegt. Tatsächlich fanden sie, dass die Echos jede Menge Information enthalten, um verschieden strukturierte Oberflächen voneinander zu unterscheiden. Holger Goerlitz fasst zusammen: „Wir konnten zeigen, dass bloße physikalische Eigenschaften von Oberflächenstrukturen dem Hörsystem Informationen zur Verfügung stellen, wie sie auch das visuelle System verwendet, um Rauminformation zu verarbeiten.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt

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