Ein Gen, das für schlanke Gersten-Ähren sorgt



Bio-News vom 12.10.2020

Blütenstände von Gräsern haben häufig sehr unterschiedliche Formen. Einem internationalen Forscherteam ist es nun gelungen, ein Gen zu identifizieren, das dabei eine entscheidende Rolle spielt und dafür sorgt, dass Gerste die charakteristischen schlanken Ähren ohne größere Verzweigungen ausbildet. Im Vergleich zu anderen Gräsern hat das Gen COMPOSITUM1 (COM1) im Laufe der Evolution eine neue Funktion erhalten.

Eine zentrale Rolle bei der Ausprägung des Blütenstandes von Gräsern spielt das „Spikelet Meristem“ (SM), also das sog. Ährchen Meristem. Meristeme sind Pflanzenzellen oder -gewebe, die neue Organe hervorbringen können - in diesem Fall Ährchen. Dafür müssen diese Zellen vorher jedoch die SM-Identität annehmen. Das geschieht unter anderem über Gen-Regulationen. In der Folge können sich die Zellen normalerweise vom Meristem zum Organ entwickeln. Der Prozess verläuft also von der undifferenzierten Pflanzenzelle hin zum differenzierten Organ.

Um Blütenstandsarchitektur bei Gräsern besser zu verstehen, können Mutanten für Genetiker sehr aufschlussreich sein. Die COM1 Ähren-Mutante der Gerste ist nun dahingehend „beschädigt“, dass die entsprechenden Zellen nicht das SM-Identitätssignal umsetzen können beziehungsweise das Signal nicht korrekt ist. „Letztlich funktioniert die Signalübertragung nicht vollständig, so dass die Zellen nicht ihre richtige Zell-Identität annehmen können“, erläutert Dr. Naser Poursarebani, Erst-Autor der Studie und Entdecker des COM1 Gens. Vereinfacht gesprochen, weiß die Zelle also nicht, was in dieser Situation zu tun ist. „Die Ährchenbildung entlang der Hauptachse der Gerstenähre, der Spindel, kann also nicht normal ablaufen.“


Ein Gerstenfeld bei Halle.

Publikation:


Poursarebani et al.
COMPOSITUM 1 contributes to the architectural simplification of barley inflorescence via meristem identity signals
Nature Communications

DOI: 10.1038/s41467-020-18890-y



Letztlich entsteht anstelle eines Ährchens eine Art „Verzweigung“, die aussieht wie eine kleine Ähre, aus dem Grund spricht man auch von einer Ähre zweiter Ordnung. „Solche Verzweigungen sind jedoch sehr untypisch für alle ährenbildenden Gräser, sogenannte Triticeen“, bekräftigt Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch, Leiter der Arbeitsgruppe Pflanzliche Baupläne am IPK, HEISENBERG-Professor des IPK und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Initiator des Projektes.

Normalerweise sorgt COM1 bei Gerste dafür, dass sich Meristemzellen zu einem Ährchen entwickeln können, indem es die Eigenschaften der Zellwände beeinflusst und damit letztendlich auch das Zellwachstum steuert. Der Beitrag von COM1 bei dem hier zugrunde liegenden identitätsstiftenden Signal ist gleichzeitig auch die neu entdeckte Funktion, die so bei anderen Gräsern, wie z.B. Reis, Mais, Sorghum oder Zwenken (Brachypodium distachyon L.), nicht vorkommt. Damit unterscheidet sich Gerste ganz grundsätzlich von den o.g. Gräsern, bei denen das Gen die Bildung von Blütenstandverzweigungen fördert. „COM1 ist aus botanischer Sicht damit in jedem Fall ein wichtiger genetischer Faktor zur Ährenbildung, über die bisher wenig bekannt war“, erklärt Prof. Dr. Schnurbusch.

Gerste gehört zur Familie der Süßgräser und wurde vor rund 10.000 Jahren im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes von der Wildgerste (Hordeum spontaneum) domestiziert. Die Wissenschaftler vermuten, dass die weniger komplexe Architektur des Blütenstandes mit der Ausbreitung der Gerste in Zonen mit gemäßigterem Klima und der Anpassung an kühlere Bedingungen zusammenhängt. Die jetzt gewonnen Erkennisse können zum besseren Verständnis der Ährenentwicklung beitragen und möglicherweise helfen, das Ertragspotenzial von ährenbildenden Gräsern, z.B. bei Gerste, Roggen oder Weizen, zu steigern.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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