Die Gen-Armut der Fleischfresser



Bio-News vom 14.05.2020

Das Erbgut der fleischfressenden Pflanzen Venusfliegenfalle, Sonnentau und Wasserfalle ist entschlüsselt. Die Ergebnisse haben für einige Überraschungen gesorgt.

Pflanzen können mit Hilfe von Licht, Wasser und Kohlendioxid energiereiche Biomasse produzieren. Darum stehen sie am Beginn der Nahrungsketten. Die fleischfressenden Pflanzen aber haben den Spieß umgedreht und machen Jagd auf Tiere. Insekten sind ihre Hauptnahrungsquelle. Untersucht wurden die aus Nordamerika stammende Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula), die weltweit vorkommende Wasserfalle (Aldrovanda vesiculosa) und der in Asien weit verbreitete Sonnentau (Drosera spatulata).


Venusfliegenfalle

Publikation:


Gergo Palfalvi, Thomas Hackl, Niklas Terhoeven, Tomoko F.Shibata, Tomoaki Nishiyama, Markus Ankenbrand, Dirk Becker, Frank Förster, Matthias Freund, Anda Iosip, Ines Kreuzer, Franziska Saul, Chiharu Kamida, Kenji Fukushima, Shuji Shigenobu, Yosuke Tamada, Lubomir Adamec, Yoshikazu, Hoshi, Rainer Hedrich
Genomes of the Venus Flytrap and close relatives unveil the roots of plant carnivory
Current Biology, 14. Mai 2020

DOI: 10.1016/j.cub.2020.04.051



Alle drei gehören zur Pflanzenfamilie der Sonnentaugewächse. Trotzdem haben sie jeweils andere Lebensräume erobert und eigene Fangmechanismen entwickelt. Bei Dionaea und Aldrovanda sind die Enden der Blätter zu Klappfallen umgestaltet. Der Sonnentau dagegen setzt seine Beute mit klebrigen Tentakeln auf der Blattoberfläche fest.

Basis-Gene für die Karnivorie

Als erstes fand das internationale Forschungsteam heraus: Venusfliegenfalle, Sonnentau und Wasserfalle besitzen trotz ihrer unterschiedlichen Lebensweisen und Fangmechanismen eine übereinstimmende „Basis-Ausstattung“ von Genen, die für die fleischfressende Lebensweise, die Karnivorie, essenziell sind.

„Die Funktion dieser Gene steht im Zusammenhang mit der Fähigkeit, Beutetiere zu spüren, zu verdauen und ihre Nährstoffe zu verwerten“, erklärt Rainer Hedrich.

„Den Ursprung der Karnivorie-Gene konnten wir auf ein Duplikationsereignis zurückverfolgen, das vor vielen Millionen Jahren im Erbgut des letzten gemeinsamen Vorfahren der drei karnivoren Spezies geschah“, sagt Jörg Schultz. Diese Verdopplung des kompletten Erbguts habe der Evolution ideales Spielmaterial geliefert, um neue Funktionen zu entwickeln.

Gen-Armut trotz spezieller Lebensweise

Zu ihrer Überraschung stellten die Forscher fest, dass die Pflanzen für die Karnivorie nicht besonders viele Gene brauchen. Stattdessen gehören die drei untersuchten Arten sogar zu den genärmsten Pflanzen, die man kennt. Drosera besitzt 18.111, Dionaea 21.135 und Aldrovanda 25.123 Gene. Die meisten Pflanzen haben dagegen zwischen 30.000 und 40.000 Gene.

Wie lässt sich das mit der Tatsache vereinbaren, dass für die Entwicklung neuer Lebensweisen meist eine Fülle neuer Gene gebraucht wird? „Das kann nur bedeuten, dass die Spezialisierung auf tierische Nahrung zwar mit einem Zugewinn, gleichzeitig aber auch mit einem massiven Verlust von Genen einherging“, folgert der Entwicklungsbiologe Hasebe.

Wurzel-Gene in den Fangorganen aktiv

Die meisten Gene, die für den Betrieb der Insektenfallen nötig sind, finden sich in leicht veränderter Form auch in ganz normalen Pflanzen. „Bei fleischfressenden Pflanzen sind in den Fangorganen mehrere Gene aktiv, die bei anderen Pflanzen ihre Wirkung in der Wurzel entfalten. In den Fangorganen werden diese Gene erst angeschaltet, wenn die Beute sicher ist“, erklärt Hedrich. Zu diesem Befund passt, dass die Wurzeln bei der Venusfliegenfalle und dem Sonnentau stark reduziert sind. Bei der Wasserfalle fehlen sie ganz.

Fangfunktion weiter erforschen

Die Forscher haben jetzt Einblick in die Evolution der Karnivorie bei Pflanzen und halten gleich drei Baupläne für diese besondere Lebensweise in Händen. Als nächstes wollen sie die molekularen Grundlagen der Fangfunktion noch besser verstehen.

„Wir haben festgestellt, dass die Venusfliegenfalle die vom Beutetier ausgelösten elektrischen Reize zählt, sich diese Zahl eine gewisse Zeit merken kann und schließlich eine Entscheidung trifft, die der Zahl entspricht“, so Hedrich. Nun gelte es zu verstehen, nach welchem biophysikalisch-biochemischen Prinzip fleischfressende Pflanzen „zählen“.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Julius-Maximilians-Universität Würzburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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