Chamäleons in Rüstung aus knöchernem Stachelpanzer



Bio-News vom 26.05.2020

Bonner Wissenschaftler fanden gemeinsam mit Kollegen aus München, Köln und Bremen ganz eigentümliche spitze Knochen in der Haut eines madagassischen Erdchamäleons. Diese Knochen wachsen entlang der Flanken und Beine aus der Haut heraus und sollen Fressfeinden offenbar den Appetit verderben.

„Bei Chamäleons denken die meisten vermutlich sofort an ein prächtiges Farbenspiel und dessen Bedeutung für die innerartliche Kommunikation und Tarnung“, sagt Dr. Markus Lambertz, Zoologe an der der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Universität Bonn) und am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK, Museum Koenig). Auf Madagaskar gibt es aber Arten, die ganz andere Strategien verfolgen. Viele Erdchamäleons der Gattung Brookesia sind kleine, braune Tiere, die versteckt im Unterholz leben.

Ihre umgestaltete Wirbelsäule ähnelt bei manchen Arten einer Säge auf dem Rücken und soll die Tiere offenbar vor Fressfeinden schützen. Besonders extrem sind diese Strukturen bei Brookesia perarmata entwickelt, eine Spezies, die auch durch spitze Dornen an Kopf, Beinen und Flanken auffällt. „Wir kennen diese Art mit ihrem bizarren Stachelpanzer seit fast einem Jahrhundert, aber es war bisher völlig unklar, was diese Strukturen überhaupt sind“, sagt Dr. Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung in München.

Die Wissenschaftler beschlossen der Sache gemeinsam auf den Grund zu gehen. Pia J. Schucht untersuchte das Gewebe dieser Hautstrukturen mikroskopisch: „Es zeigte sich sehr schnell, dass diese Auswüchse einen knöchernen Kern besitzen.“ erklärt die Doktorandin an der Universität Bonn. Solche Verknöcherungen der Lederhaut werden als Osteoderme bezeichnet. Man kennt sie zum Beispiel von Krokodilen, die man aufgrund der flächigen Körperbedeckung mit Osteodermen häufig auch als Panzerechsen bezeichnet. Wie sieht es aber nun bei unserem Erdchamäleon aus? Das Team, inzwischen um die Doktoranden Peter T. Rühr von der Universität Köln und Benedikt Geier vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen erweitert, setzte auf die Mikrocomputertomographie, um eine Vorstellung der dreidimensionalen Verteilung der Osteoderme bei Brookesia perarmata zu erlangen.


Brookesia perarmata: Ein Chamäleon in Ritterrüstung.

Publikation:


Schucht PJ, Rühr PT, Geier B, Glaw F, Lambertz M
Armored with skin and bone: A combined histological and µCT study of the exceptional integument of the Antsingy leaf chameleon Brookesia perarmata (Angel, 1933)
Journal of Morphology

DOI: 10.1002/jmor.21135



Wie die äußere Erscheinungsform bereits vermuten ließ, treten die Osteoderme nur vereinzelt entlang der Flanken und Beine auf. Einen durchgängigen Knochenpanzer gibt es nicht. Wie kann dies einen effektiven Schutz vor Beutegreifern bewirken? Erdchamäleons haben besonders Schlangen und Vögel als Räuber zu fürchten, die ihre Beute meist in einem Stück herunterschlucken. Ein flächiger Bissschutz wie bei den Krokodilen brächte ihnen also gar keinen besonders großen Vorteil. Die dornige „Osteoderm-Rüstung“ von Brookesia perarmata hingegen scheint eine ideale Abwehrstrategie, um solchen Räubern das Herunterschlucken unangenehm und schmerzhaft zu machen.

„Osteoderme sind nicht unbedingt eine Seltenheit bei Reptilien, aber man kannte sie bislang weder von Chamäleons noch in dieser speziellen Ausprägung“, sagt Dr. Lambertz. Schucht fügt hinzu: „So verschieden die Form der Osteoderme bei den Reptilien ist, so verschieden scheint auch ihre funktionelle Bedeutung“. Besonders der innere Aufbau aus zahlreichen miteinander verbundenen und mit Knochenmark gefüllten Hohlräumen stellt die Forscher noch vor Rätsel. Dass die spitzen Osteodermen Brookesia perarmata vor Fressfeinden schützen, ist ziemlich offensichtlich, aber es ist gut möglich, dass dies nicht ihre einzige Funktion ist und die knochenmarkhaltigen Hautstrukturen auch eine wichtige Rolle im Stoffwechsel der Tiere spielen. Welche genau gilt es nun zu klären. Lambertz erläutert: „Wie bei den meisten Projekten werfen auch die jetzt vorliegenden Erkenntnisse unmittelbar neue Fragen auf und es bleibt wahnsinnig spannend die Formenvielfalt der Natur zu untersuchen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Stiftung Zoologischens Forschungsmuseum Alexander Koenig, Leibniz-Instituts für Biodiversität der Tiere via Informationsdienst Wissenschaft erstellt

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