Zwerggans



Zwerggans

Zwerggans

Systematik
Ordnung: Gänsevögel (Anseriformes)
Familie: Entenvögel (Anatidae)
Unterfamilie: Gänse (Anserinae)
Tribus: Echte Gänse (Anserini)
Gattung: Feldgänse (Anser)
Art: Zwerggans
Wissenschaftlicher Name
Anser erythropus
Linnaeus 1758
Eine ruhende Zwerggans im Weltvogelpark Walsrode

Die Zwerggans (Anser erythropus), auch Zwergblässgans genannt, ist eine Art der Gattung der Feldgänse (Anser) der Familie der Entenvögel (Anatidae). Sie ist die seltenste Gänseart Europas. Die Art wurde erstmals 1758 durch Carl von Linné in seinem Werk Systema Naturae beschrieben. Ihr Brutgebiet umfasst die Waldtrundra Eurasiens, teilweise auch die nördliche Waldzone sowie den Süden der Strauchtundra. Während des Winterhalbjahres ist sie auch in Westeuropa zu beobachten. Überwinterungsplätze finden sich auch in Vorder- und Kleinasien, im Süden des Kaspischen Meeres, in der Nilebene, in Südjapan, Korea und Südostchina.

Merkmale

Die Zwerggans erreiche eine Körperlänge von 53 bis 66 Zentimeter. Sie hat eine Flügelspannweite von 120 bis 135 cm und wiegt 1.4 bis 2.2 kg.

Die Zwerggans ähnelt in Habitus und Färbung der europäischen Blässgans, ist jedoch kleiner und dunkler. Die Stirnblässe reicht weiter nach oben als bei der Blässgans und endet zwischen den Augen. Von der Blässgans unterscheidet sie sich auch durch den leuchtend gelben Augenring, den bereits Jungvögel entwickeln. Bei den Jungvögeln tritt er erstmals nach der Jugendmauser im November des ersten Lebensjahres auf. Im Jugendkleid ist dieser noch gelbgrün gefärbt. Die Zwerggans ist außerdem an der Bauchseite schwächer quergestreift als die Europäische Blässgans und hat längere Flügelspitzen, die den Schwanz der stehenden Gans ein wenig überragen. Der Kopf wirkt rundlicher als bei der Graugans und der Schnabel zierlicher. Im Flug ist sie leicht mit der wesentlich häufigeren und weniger geschützten Europäischen Blässgans zu verwechseln, was wohl maßgeblich zu ihrer extremen Bestandsgefährdung geführt hat.

Die Dunenküken weisen eine große Ähnlichkeit zu denen der Blässgans auf. Sie sind jedoch etwas dunkler an der Körperoberfläche. Wie bei den Dunenküken dieser Art sind Zwerggans-Küken an der Körperoberseite braun und an der Körperunterseite weißlich. Gesicht und Hals sind cremefarben. Vom Schnabel bis zum Auge verläuft ein dunkler Zügel. Die Stirn ist rotbraun. Zum Zeitpunkt des Schlupes ist der Schnabel dunkel olivgrau mit einem rosa bis cremefarbenen Nagel. Beine und Füße sind olivgrau; die Schwimmhäute sind verglichen dazu etwas dunkler. Der Schnabel färbt sich mit zunehmenden Lebensalter in ein rosa um. Beine, Füße und Schwimmhäute werden dann gelblich-orange. Die Iris ist dunkelbraun. Auffällig ist der Augenring, der bei Dunenküken hellgrau ist und später sich gelblich umfärbt.

Die Zwerggans verfügt über mehr als ein Dutzend verschiedener Lautäußerungen. Die Stimme ist deutlich höher als die der Blässgans. Die Rufe wirken häufig schneidend schrill und bellender als die dieser Gänseart. [1]

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet reichte einst von den nördlichen Gebieten Skandinaviens über den Ural bis weit nach Sibirien. In den letzten 25 Jahren ist sie aus weiten Teilen ihres Brutareals verschwunden. In Skandinavien gibt es heute nur noch einige dutzend Brutpaare. Die Auswilderung in Menschenobhut aufgezogener Zwerggänse konnte den Abwärtstrend nicht aufhalten. Da in der Zwischenzeit die illegale oder fälschliche Bejagung in den traditionellen Überwinterungsgebieten auf dem Balkan als eine der wichtigsten Ursachen des Bestandseinbruchs identifiziert wurde, gibt es nun ein Projekt, jungen ausgewilderten Zwerggänsen mittels Ultraleichtflugzeugen neue Wanderungsrouten in sichere Überwinterungsgebiete am Niederrhein, beispielsweise zum Naturschutzgebiet Bislicher Insel, beizubringen.

Lebensweise

Die Zwerggans ist ein Zugvogel, der für gewöhnlich im Winter nach Süden zieht. Wenn sie auf ihrem Zug ist, bilden sie die charakteristische V-Formation, oft zusammen mit anderen Gänsearten, was zu irrtümlichem Abschuss führen kann. Die Wanderungsrouten der Zwerggans sind nicht genetisch fixiert, sondern werden tradiert. Neben dem Zug in die Überwinterungsquartiere gibt es einen so genannten Mauserzug der nicht brütenden Tiere zu bestimmten Mauserplätzen. Der Wegzug aus den Brut- und Mauserrevieren erfolgt in der zweiten Augusthälfte und Anfang September.

Ihre Nahrung suchen Zwerggänse ausschließlich auf dem Lande. Zwerggänse leben vor allem von kurzen Gräsern und Kräutern. Für die Ernährung ist wichtig, dass die Gebiete, in denen Zwerggänse Nahrung suchen, niedrig bewachsen sind, um so ihr Sicherheitsbedürfnis zu erfüllen, aber auch weil sie sich nur von kurzem Gras und Kräutern ernähren können. Dafür sind natürliche Weidesysteme mit großen Grasfressern (Megaherbivoren) ideal.

Fortpflanzung

Die Zwerggans ist ein Brutvogel höherer Lagen. Sie brütet bevorzugt in Sumpf- und Marschland. Ihr Nest findet sich in Dickichten oder Anhöhen, die frei von Schnee sind. In Jahren, in denen die Schneeschmelze sehr spät einsetzt, brütet sie gelegentlich auch in tieferen Lagen. Für gewöhnlich zeigen Zwerggänse eine große Partnertreue, wobei sie sich jedoch bei Verlust des Partners neu verpaaren.

Die Brutzeit beginnt im späten Mai bis frühen Juni. Es wird nur ein Gelege pro Jahr großgezogen. Das Nest ist eine flache Mulde, das mit Pflanzen, Moos, Daunen und Federn ausgelegt sind. Die verwendeten Daunen sind braungrau mit einer helleren Mitte. Das Nest weist gewöhnlich fünf bis sieben Eier auf. Sie sind länglich elliptisch bis oval und von cremeweißer Farbe. Es brütet allein der weibliche Elternvogel. Brutbeginn ist nach der Ablage des letzten Eis des Gelege. Die Brutdauer beträgt zwischen 25 und 28 Tagen. Die Dunenküken sind Nestflüchter. Sie werden von beiden Elternvögel betreut und bleiben bei ihnen während des ersten Winters.[2] Nach dem Schlüpfen der Küken schwaren sich die Zwerggänse zu größeren Schwärmen zusammen, in denen sie auch ihre Mauser durchlaufen. Bei Gefahr flüchten sie häufig laufend und fliegen nicht auf. Sie erreichen am Boden eine für Gänse ungewöhnlich hohe Geschwindigkeit.[3] Die Schwingenmauser der Elterntiere liegt so, dass sie etwas später als die Jungtiere wieder flugfähig werden, was das langsame Erlernen schwieriger Flugmanöver der Jungtiere, die ihren Eltern folgen, erleichtert. Meist bleiben die Jungtiere bis zur nächsten Brut mit den Elterntieren zusammen und sind auch später oft bei diesen anzutreffen. Zwerggänse können sich hauptsächlich am Ruf individuell erkennen.

Bestandsentwicklung

Schwimmende Zwerggans

Bis zu Beginn der 1950er Jahre des 20. Jahrhunderts umfasste die Gesamtpopulation etliche zehntausend Tiere. Danach kam es in allen Gebieten zu einem dramatischen Bestandsrückgang, so dass die Zwergblässgans heute als extrem gefährdet angesehen werden muss. Die Population in Lappland beträgt nur noch 60 bis 90 Paare, in Ungarn überwintern vor 1950 noch mehr als 100.000 Brutpaare, nach 1980 waren es nur noch 3.600. Ursachen des Bestandsrückgangs sind wie bei der Rothalsgans eine übermäßige Bejagung in Russland, Kasachstans und verschiedenen Ländern Ost- und Südosteuropas.[4] Problematisch ist dabei ihre große Ähnlichkeit zu der viel zahlreicher vorkommenden und intensiv bejagten Blässgans.

Die Zwerggans unterliegt als global gefährdete Art der deutschen Bundesartenschutzverordnung; für in Gefangenschaft aufgezogenen Tiere ist eine Ausnahmegenehmigung vom Vermarktungsverbot erforderlich.

Belege

Einzelnachweise

  1. Hans-Heiner Bergmann; Hans-Wolfgang Helb; Sabine Baumann; Die Stimmen der Vögel Europas – 474 Vogelporträt mit 914 Rufen und Gesängen auf 2.200 Sonogrammen, Aula-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89104-710-1, S. 45
  2. Collin Harrison und Peter Castell: Field Guide Bird Nests, Eggs and Nestlings, HarperCollins Publisher, überarbeitete Auflage von 2002, ISBN 0007130392, S. 66 und 67
  3. Uspenski, S. 35
  4. Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg): Wildlebende Gänse und Schwäne in Sachsen – Vorkommen, Verhalten und Management, Dresden 2006, Veröffentlichung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, S. 19

Literatur

  • Bergmann, Hans-Heiner, Helmut Kruckenberg & Volkhard Wille (2006): Wilde Gänse - Reisende zwischen Wildnis und Weideland, G. Braun Verlag, Karlsruhe
  • Madsen, J., G. Cracknell & Tony Fox (1999): Goose Populations of the Western Palearctic, Wetlands International, Wageningen.
  • Erich Rutschke: Wildgänse, Lebensweise - Schutz - Nutzung, Berlin: Parey, 1997
  • H. Kolbe, Die Entenvögel der Welt, 5. Aufl., Ulmer Eugen Verlag (1999) ISBN 3-800-17442-1
  • S. M. Uspenski: Die Wildgänse Nordeurasiens, Westarp Wissenschaften-Verlagsgesellschaft, Hohenwarsleben 2003, Nachdruck der 1. Auflage von 1965, ISBN 3-89432-7561

Weblinks

Commons: Zwerggans – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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