Spaziergang


Auguste Renoir: Spaziergang
Ein Spaziergang unter Kirschbäumen (Japan)

Ein Spaziergang (im 15. Jahrhundert von italienisch spaziare, ‚sich räumlich ausbreiten‘, ‚sich ergehen‘ entlehnt) ist das Gehen („Ambulieren“, „Flanieren“, „Promenieren“) zum Zeitvertreib und zur Erbauung.

Man kann z. B. im Wald, in Parks oder den Deich entlang, aber auch in Geschäftsvierteln der Stadt als Flaneur oder zum Schaufensterbummel spazieren. Spaziergänge können der Entspannung, der Erholung oder der beobachtenden und gedankenvollen Muße dienen. Menschen gehen auch wegen der Sonne, der frischen Luft, Bewegung und zum ‚Tapetenwechsel‘ spazieren. Ein Spazierstock erleichtert und beschwingt das Gehen.

Historisches

Der Ursprung des Spaziergangs ist das aristokratische „Lustwandeln“ in Gärten und Barockparks, später kam eine soziale Komponente hinzu (Kontakte knüpfen, ungestört Gespräche führen). Die Entwicklung von Parks oder Promenaden hängt unmittelbar mit dem Spaziergang zusammen. Unter Bürgerlichen ist er im 18. Jahrhundert in Mode gekommen. Als Brauch war er zu bestimmten Zeiten in Deutschland sehr verbreitet – so der Osterspaziergang (vgl. dazu Goethes Faust I) oder Pfingstspaziergang. Beim sonntäglichen ‚Familienspaziergang‘ konnte dessen Gemächlichkeit für Kinder recht quälend sein. Nicht-Europäer mit anderen Traditionen der Muße halten den Spaziergang häufig für eine unnütze Beschäftigung.

Manche Orte mit touristischer Bedeutung, Kurorte und Seebäder, haben meist Promenaden, auf denen man spaziert (promeniert oder flaniert). In Kurorten wurden hierfür eigens Rundwege angelegt, die Spaziergänge genannt wurden. Das langsame Gehen war ein wichtiger Bestandteil der Trinkkur.

Spaziergänge werden bisweilen auch getätigt, um der Abhörung durch Dritte zu entgehen: Während vertrauliche Gespräche relativ leicht abgehört werden können, wenn die Gesprächspartner sitzen, gestaltet sich dies bei Spaziergängen schwierig.

Der Spaziergang in Literatur und Bildender Kunst

Ein berühmter Spaziergänger war Goethe (Ich ging im Walde | so für mich hin,| und nichts zu suchen,| das war mein Sinn.)[1]. An seiner bevorzugten Ruhebank im Frankfurter Stadtwald wurde später der Goetheturm errichtet.

Caspar David Friedrich: Der Wanderer über dem Nebelmeer (ca. 1817)

Literarisch bedeutsam wurde Der Spaziergang durch Friedrich Schillers Elegie (so der ursprüngliche Titel), worin Schiller anhand des Beobachtens und Nachsinnens des bergauf Ziehenden seine eigene Natur- und Geschichtsphilosophie entfaltet. Das Gedicht schließt mit der befreienden Zeile Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns. Zum Beispiel eines solchen damals noch üblichen Riesenspaziergangs das romantische Gemälde von Caspar David Friedrich (vgl. Abb. links).

Ein viel gelesener Reisebericht des leidenschaftlichen und beobachtungsstarken Weltdurchwanderers Johann Gottfried Seume war sein Spaziergang nach Syrakus im Jahr 1802. Der Titel ist allerdings ironisch zu verstehen, da es sich bei Seumes Reise gerade nicht um einen lockeren Spaziergang, sondern um eine fast einjährige, teilweise gefährliche Wanderung handelte.

Auch haben dem Spaziergang z. B. Eichendorff (O Täler weit, o Höhen, | o schöner grüner Wald, | du meiner Lust und Wehen | andächt'ger Aufenthalt)[2] und Adalbert Stifter (Der Waldgänger) in ihren Werken viel Raum gegeben. Franz Kafka schrieb u. a. eine Parabel mit dem Titel Der plötzliche Spaziergang und verarbeitete das Motiv des Spaziergangs in einem Kapitel seines Werkes Beschreibung eines Kampfes. Robert Walser war ein begeisterter Spaziergänger und verarbeitete dies in seiner Prosaarbeit Der Spaziergang.

Carl Spitzweg
Der Sonntagsspaziergang (1841)

Der deutsche Maler Carl Spitzweg malte Mitte des 19. Jahrhunderts mehrmals Familien auf Sonntagsspaziergang. Vgl. oben auch das Gemälde Der Spaziergang von Pierre-Auguste Renoir; es zeigt eine Frau mit zwei Kindern in Sonntagskleidung.

Die an einer Universität etablierte Spaziergangswissenschaft plädiert für langsames Wahrnehmen – ein gesunkenes Kulturgut.

Redewendung

Die Redewendung nach einer erfolgreichen Schlacht, Aufgabe oder Prüfung Das war ein Spaziergang soll ausdrücken, dass es eine leicht zu bewältigende Angelegenheit darstellte. Oder umgekehrt Das wird kein Spaziergang, sagt etwa ein Politiker vor einem Wahlkampf.

Verdauungsspaziergang

Der Verdauungspaziergang ist ein umgangssprachlicher Begriff für mäßige körperliche Betätigung – Laufen – an frischer Luft nach dem Essen. Er findet häufig sonntags nach dem Besuch von Gaststätten und dann besonders im gehobenen Alter viele Fürsprecher. Zweck des Verdauungsspaziergangs ist eine Anregung der Darmtätigkeit. Die Bewegung unterstützt die Peristaltik des Verdauungstraktes. Entsprechend der Ausgiebigkeit einer Mahlzeit empfiehlt der Volksmund: Nach dem Essen sollst du ruhn oder tausend Schritte tun. Die antiken Römer dachten bereits in gleicher Weise: Post cenam recreabis vel mille passus meabis.

Siehe auch

Datei:Göttingen - Weenderbummel.jpg
Studenten auf dem Weender Bummel (Postkarte um 1910)
  • Unterschiedliche Steigerungen des Spaziergangs sind Wandern, Marsch, Ausflug, Landschaftslauf und die Sportart Gehen.
  • Der Flaneur spaziert, um gesehen zu werden.
  • Der Fußverkehr hat eine eigene Kulturgeschichte.
  • Die Wissenschaft des Spaziergangs nennt man Promenadologie.
  • Goethes Faust unternimmt einen Osterspaziergang.
  • Beim Weender Bummel wurde in Göttingen spaziert.

Literatur

  • Gudrun M. König: Eine Kulturgeschichte des Spaziergangs. Spuren einer bürgerlichen Praktik 1780–1850 (Kulturstudien; Sonderband; 20). Böhlau, Wien 1996, ISBN 3-205-98532-X (zugl. Dissertation, Universität Tübingen 1994).

Einzelnachweise

  1. J. W. v. Goethe: Gedicht Gefunden
  2. J. v. Eichendorff: Gedicht Abschied

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